Sonderfortbildung des DGI-LV Berlin-Brandenburg: PRP besonders bei Sofortbelastung in der Implantologie hilfreich

Beim Thema seiner Sonderfortbildung „Augmentation und Implantate“ wurde
der Deutschen Gesellschaft f. Implantologie-Landesverband
Berlin-Brandenburg von interessierten Teilnehmern geradezu überrannt:
„Erstmals in der Geschichte unserer in Kooperation mit den beiden
Zahnärztekammern laufenden Sonderfortbildungen haben wir im großen
Hörsaal noch Stühle aus der Mensa dazustellen müssen, um wenigstens
einem Teil der Zuhörer noch zusätzliche Sitzplätze anbieten zu können“,
sagte der DGI-Landesvorsitzende Prof. Dr. Dr. Volker Strunz. Das hatte
nicht für alle gereicht, einige Teilnehmer blieben die ganze Zeit über
stehende Gäste. Dabei hatte man, als klar wurde, dass die vorhandenen
250 Plätze nicht reichen, bereits vielen Interessenten absagen müssen.
Er sehe die stetig wachsende Teilnehmerzahl auch als Beleg dafür, dass
das Thema Implantation nicht mehr nur in spezialisierten Praxen,
sondern auch darüber hinaus Raum greife und viele neue Aktive gewinne.
Über die große Teilnehmerzahl freute sich auch Dr. Jürgen Gromball,
Vizepräsident der mitveranstaltenden Zahnärztekammer Berlin, der in
seinem Grußwort betonte: „Sie alle beweisen heute hier, dass wir keinen
Druck von oben und keinen Fortbildungszwang brauchen. Wir kümmern uns
selbst um unsere Fortbildung und nehmen sie sehr ernst. Ich wünsche
Ihnen und uns, dass der Gesetzgeber uns in Frieden lässt mit seinen
Zwängen.“

„Nicht zu lange warten“
Statistisch gesehen seien Implantate heute so sicher „wie früher die
Wahlen im Osten“, meinte Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Neukam,
Geschäftsführer der DGI GMBH und ein Experte, „der praktisch schon
alles war und alles ist in der DGI“, wie Prof. Strunz ihn vorstellte.
Die Überlebensdauer von Implantationen sei so hoch wie bei kaum einer
anderen Therapie. Dabei wäre nicht jedes Ergebnis auch eines, das allen
ästhetischen Ansprüchen genüge, statistisch sei aber auch eine eher
unattraktive Versorgung erfolgreich. Ein wesentlicher Grundstein für
diesen Erfolg sei die Struktur, in die implantiert werde, und deren
Erhalt bzw. Wiederherstellung. Er warnte daher davor, nach
Zahnextraktionen vor allem im Oberkiefer mit dünnem Alveolarkamm zu
lange mit einer Implantatversorgung zu warten: „Nach einiger Zeit ist
alles verschwunden was an Alveolarfortsatz noch brauchbar gewesen wäre.
Wir versuchen daher heute, mit einer provisorischen Versorgung eine
sofortige Belastung zu erreichen.“ Zu beachten sei der oft erhebliche
Kaudruck vor allem in der Molarenregion – man müsse die Patienten
entsprechend instruieren, um den Einheilprozeß nicht zu gefährden. Zwar
sei die Sofortbelastung, deren Erfolge und ihre Sicherheit
wissenschaftlich noch nicht endgültig geklärt, die Erfahrungen bisher
zeigten aber, dass man sich dem Verfahren stellen sollte.

„Was tun, wenn der Knochen nicht reicht?“
Mit einer Übersicht und Bewertung verschiedener
Augmentationsmaterialien lieferte Prof. Neukam eine hilfreiche
Entscheidungsgrundlage, wenn eine geplante Implantation einen
Knochenaufbau erfordere. In seiner Erlanger Klinik hätte eine
Patientenquote von rund 60 – 70 % Bedarf an Knochenverpflanzung. Er
favorisiere dabei partikulierten Knochen aus dem retromolaren Bereich
des Unterkiefers. Die in Deutschland favorisierte Entnahme im
Kinnbereich zeige nicht selten als Folge lang anhaltende
Sensibilitätsverluste und regeneriere nicht so gut. Bei der Entnahme
eines Zylinders aus dem retromolaren Bereich sei eine
Röntgenüberprüfung notwendig, um vom Nervkanal entfernt zu bleiben. Das
Verfahren sei auch für die Patienten weniger belastend und erscheine
ihm im Erfolg sicherer. Die Resorption des autologen Knochenmaterials
liege bei 30 – 40 %. Die überlebenden Zellen dienen, so Prof. Neukam,
als Leitschiene für den osteoinduktiven Prozeß und regten neues
Zellenwachstum an.
Nach einem Unfall könne man die ev. vorhandenen Zahnwurzeln im Fach
belassen, diese hielten das Knochengewebe stabil, mit Weichgewebe und
Knochen könne man denn den Verlust ausgleichen und den Bereich
ausheilen lassen. „Von einem allzu langen Zuwarten wird die Lage aber
nicht besser“, warnte Prof. Neukam. Als förderlich für das Einheilen
der Implantate erweise sich offenbar eine Knochenkondensation, vor
allem bei Einsatz im Oberkiefer: „Aber ich empfehle Ihnen dringend,
Ihre Patienten entsprechend zu informieren – sie schätzen das nicht,
wenn gehämmert wird, das könnte zu Missverständnissen führen!“ Bei der
Frage, wo und wieviel augmentiert werden müsse, sei eine
Augmentationsschablone sehr hilfreich: „Die Softwareprogramme eines
Computers sind auch nicht klüger als Sie!“ Ausdrücklich stellte er
fest, dass man Roboter in der Implantologie nicht wirklich brauche, sie
alles „nur teurer“ machten.
Ob und wie therapiert werde, hinge auch von dem individuellen Patienten
ab: „Es gibt Patienten, die mögen es überhaupt nicht, wenn die
Versorgung ein Jahr oder länger dauert – andere legen ihren Schwerpunkt
mehr auf die Funktionalität.“ Für verschiedene Erwartungen gäbe es
heute Möglichkeiten, die auch mit den Patienten abgewogen werden
sollten.

„PRP plus Knochen“
Auf seine Empfehlung, bei der Augmentation mit autologem Knochen auch
PRP hinzuzugeben, wurde Prof. Neukam bei der anschliessenden Diskussion
überrascht angesprochen – er habe sich doch bisher immer sehr
zurückhaltend gezeigt. Der Referent hatte zuvor erklärt, dass er
aufgrund der im PRP vorhandenen Wachstumsfaktoren mittlerweile gerne
mit dem Produkt arbeite, es habe sich als erwiesen hilfreich gezeigt
und eine Verbesserung der Einheilung von rund 20 % gebracht. Dies, so
Prof. Neukam, sei für die kritischen ersten 14 Tage nach Implantation
zu sehen, er habe eine schnellere und verstärkte Knochenbildung
vorfinden können, was die Sicherheit gerade bei Sofortbelastung
offenbar steigere. „Nach drei Monaten ist alles egal, aber gerade
anfangs haben wir das Problem, dass sich das Implantat wieder etwas
lockert – da kann PRP eine große Hilfe sein.“
Die osteoinduktiven Erfolge von Knochenersatzmaterialien würden von Mal
zu Mal besser „aber das macht noch keinen Sommer“, meinte Prof. Neukam.
Wenn möglich, wäre ein Mischverhältnis Ersatzmaterial / partikulierter
autologer Knochen von 1:1 nicht schlecht. In Zukunft werde man sich
mehr mit nanopartikulären Keramikmaterialien beschäftigen müssen, mit
Proteinstrukturen, die mit Kollagenen ergänzt würden, mit Stammzellen
und Zytokinen und gezüchteten Zellen auf entsprechender Matrix, hier
habe nach Kultur in zweieinhalb Wochen ein Kollagenschwamm erreicht
werden können, der in die Kieferhöhle einbringbar sei. Zumindest
derzeit sehe er keine große Zukunft für die BMPs; sie seien für die
Implantologie noch nicht zugelassen, sehr teuer und: „Es bringt uns bei
unserem Ziel einer schnelleren und sicheren Einheilung und Festigkeit
im Lager nicht weiter, wenn sich mancher Erfolg erst nach vier Jahren
einstellt.“ Vielleicht gebe es eine Zukunft in Verbindung mit
entsprechenden Matrix-Konzepten. Auf die Frage eines Teilnehmers, nach
welchen Kriterien er denn bei der Behandlung eines Patienten das
Augmentationsmaterial aussuchen sollte, meinte Prof. Neukam: „Nehmen
Sie etwas, was sich in klinischen Tests bewiesen hat. Hydoxylapatite
beispielsweise sind sicher empfehlenswert.“

Terminhinweis:
8. Jahrestagung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg
am 24.04.2004 in Berlin mit einer großen Anzahl bekannter Top-Referenten:
Thema: "Implantate und Knochen – sein An-, Um-, Auf- und Abbau
– offene Fragen in Forschung und Klinik -"
Das komplette Programm der 8. Jahrestagung (92 KB) als download unter www.dgi-ev.de / Landesverbände

Für Rückfragen: Prof. Dr. Dr. Volker Strunz, Tel.: 030 / 8609 870

Letzte Aktualisierung am Montag, 29. November 1999