Titanallergie und Titanunverträglichkeit

Sind Titanimplantate ein Risiko?

Die hervorragende Körperverträglichkeit von Titan hat den Erfolg von Zahnimplantaten erst möglich gemacht. Das Implantat verbindet sich mit dem Knochen (Osseointegration) ohne Fremdkörperreaktion. Negative Reaktionen auf Titan wurden lange generell verneint. Trotzdem kommt es sowohl in der Zahnmedizin als auch in der Orthopädie in seltenen Fällen vor, dass Patienten nach dem Einbringen von Implantaten über Beschwerden berichten.

Titanallergie und Titanunverträglichkeit

Die Titanoberfläche eine Implantats

Metallallergie: Nickel häufig, Titanallergie eigentlich nie

Bei Allergien reagiert unser Immunsystem auf ein sogenanntes Allergen. Ein Stoff oder Molekül, dass eigentlich harmlos für den Körper ist, löst eine allergische Entzündungsreaktion aus.
Gegenüber Medikamenten, Insektenstichen oder Nahrungsmitteln kommt es dann zu Sofortreaktionen mit Ausschlag, Juckreiz oder schlimmer Atemnot und Kollaps. Dabei spielt die Histamin-Ausschüttung eine wichtige Rolle.
Eine Metallallergie, die häufigste ist wohl gegen Nickel, läuft allerdings anders ab (Allergie Typ 4, Spättyp). Hier werden bestimmte weiße Blutkörperchen (T-Lymphozyten) durch den Kontakt mit einer allergenen Metalloberflächen sensibilisiert. Die Reaktionen auf das Metall sind verzögert und nicht so heftig.

Titanoxid ist kein Allergen

Der Grund für das extrem niedrige Allergiepotential von Titan ist die sofortige Oxidation der Oberfläche, die Verbindung mit Sauerstoff, wodurch die Titanoberfläche passiv wird. Oxidiertes Titan ist nicht mehr in der Lage, eine allergische Reaktion hervorzurufen. Der Mechanismus einer Allergie gegen Titan liegt damit im Dunkeln. Eine echte Titanallergie sollte nach diesem Kenntnisstand ein extrem seltenes Phänomen sein und bleiben.

Titanunverträglichkeit: Abrieb von Titanpartikeln kann Reaktionen verursachen

Viel bedeutsamer als die Titanallergie ist die Titanunverträglichkeit, die über eine individuell erhöhte Entzündungsbereitschaft von körpereigenen Fresszellen (Gewebsmakrophagen, Monozyten) nach Kontakt mit Titanabrieb  zustande kommt.

Eine 3D-Illustration einer Zahnimplantatbehandlung zeigt, wie Implantate als Teil eines Zahnersatzes mit künstlichen Zähnen in den Unterkieferknochen eingesetzt werden.

Das Eindrehen des Implantats kann Titanabrieb verursachen

Es ist bekannt, dass derartige Titanpartikel (Durchmesser 1-10 µm) in die Umgebung von Implantaten abgegeben werden, zum Beispiel beim Eindrehen. Fresszellen wollen das Material abtransportieren. Bei entsprechender Veranlagung verursachen sie dabei eine Entzündung. Eine derartige Überempfindlichkeit ist wahrscheinlich genetisch bedingt. Solche Entzündungsreaktionen können sich im ganzen Körper bemerkbar machen. Auch eine verzögerte oder gestörte Einheilung von Titanimplantaten wäre über die entzündliche, Reaktion von Fresszellen zu erklären. Wichtig: Unverträglichkeit ist keine Allergie! Ein Allergietest auf Titan würde die viel häufigere Unverträglichkeitsreaktion nicht messen können.

Titanpartikel haben auch ein durchaus giftiges Potential. Die Einlagerung von mehr als 300 Titanpartikel in Stammzellen führt zum Absterben. Bei niedrigerer Konzentration kann es einen Effekt auf die Knochenabbauaktivität rund um Implantate haben.

Welche Beschwerden macht eine Unverträglichkeit auf Titan?

Wenn auch die klassische Allergie Jucken und andere bekannte Reizsymptomatik verursachen mag, sind die Symptome einer Titanunverträglichkeit durch Implantate bisher nicht vollständig dokumentiert worden. Man kann aber durch die Erfahrung mit ähnlichen Erkrankungen davon ausgehen, dass hier die gesamte Palette unspezifischer Reaktionen im gesamten Körper in Frage kommt. Hierunter fallen Schmerzen -lokal oder diffus, erhöhter Speichelfluss, neurologische Phänomene, Haut-/Schleimhauterscheinungen und Gelenkbeschwerden, wobei keine dieser Zeichen beweisend für eine solche Reaktion sind.

Unklare Beschwerden sind aber keinesfalls beweisend für eine Titanunverträglichkeit.

Wie kann ich eine Titanallergie oder Titanunverträglichkeit nachweisen?

Für einen Allergienachweis auf Metalle: Titan oder auch Nickel, Vanadium oder Aluminium, ist der Lymphozytentransformationstest (LTT) die richtige Untersuchung, da er eine Typ 4-Allergie nachweisen kann. Ein Epikutantest (durch Aufkleben auf die Haut) ist mit Titan(oxid) sinnlos, da Titanpartikel die Haut nicht durchdringen können.

Der Titan-Stimulationstest für die Diagnostik einer Titanunverträglichkeit

Der Titan-Stimulationstest überprüft, ob Monozyten/Makrophagen auf Kontakt mit Titanpartikeln mit einer erhöhten Entzündungsantwort reagieren. Diese ist erkennbar an einer erhöhten Freisetzung von 2 Entzündungsproteinen: TNFalpha und/oder IL1beta. Erhöhte Werte hier sprechen für eine Entzündungsneigung.

Hier finden sie genauere Infos als PDF.

Macht ein Test vor einem Implantat Sinn?

Ein Test auf eine Titan-Allergie (LTT) im Vorfeld einer Behandlung ist aufgrund der Seltenheit kaum effektiv. Ein Titan-Stimulationstest dürfte besonders dann Sinn machen, wenn eine allgemeine Entzündungsneigung bekannt sein sollte.

Da es sich um eine reine Privatleistung handelt und sich keine negativen Effekte durch diese Untersuchung ergeben, spricht außer den Kosten aber nichts gegen einen solchen Test.

Was kostet ein Test auf Titanunverträglichkeit?

Für Selbstzahler gibt es einen Titanstimulationstest für ca.90 € zzgl. Blutentnahme durch Arzt und Versand (z.B. imd-berlin). Bei Privatversicherten greift die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit höheren Kosten.

Was mache ich, wenn ich eine Titanunverträglichkeit habe?

Ein krankhafter Titanstimulationstest dürfte ein höheres Risiko eines Implantatverlusts anzeigen. Dazu kommt noch die Gefahr, entzündliche Allgemeinbeschwerden zu entwickeln. Wenn eine Unverträglichkeit schon vor einer Implantatbehandlung bekannt ist, stehen mit Zirkondioxid-Implantaten mittlerweile eine Alternative zu Titanimplantaten zur Verfügung. Auch rückt dann herkömmlicher Zahnersatz stärker in den Focus.

Da sich die Probleme der Titanunverträglichkeit weniger durch das Vorhandensein eines Implantats als vielmehr durch den Titanabrieb bei der Einbringung ergibt, erscheint die Entfernung des Implantats nicht per se zielführend. Vielmehr dürfte sich durch die operative Entfernung sogar eine -zumindest kurzfristige- Mehrbelastung des Körpers/des Gewebes ergeben.
Bei Beschwerden kann man mit Antirheumatika aus der Gruppe der Cyclooxygenase-2 (Cox-2)-Hemmer (Etoricoxib (ARCOXIA®) oder Rofecoxib (VIOXX®)) zumindest auf den entzündlichen Knochenabbau um ein Implantat positiv Einfluss nehmen. Zusätzliche Maßnahmen, um Reaktionen des Immunsystem gering zu halten, sollten interdisziplinär mit dem Hausarzt, einem Immunologen und gegebenenfalls einem Labormediziner umgesetzt werden.
Wenn die entzündlichen Reaktionen allerdings unvermindert zu klaren Beschwerden führen, dürfte die Implantatentfernung kaum zu umgehen sein.

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