Hausgemachte Antibiotika im Kieferknochen
Knochen wehren Angriffe von Krankheitserregern mit einer eigenen
schnellen Eingreiftruppe ab: Die Knochenzellen können genau wie
Hautzellen ein ganzes Arsenal antimikrobieller Eiweiße bilden, hat ein
Team Kieler Wissenschaftler zusammen mit australischen Kollegen
entdeckt. Diese knocheneigenen Breitbandantibiotika, so genannte
Defensine, stehen bei einer Mikrobenattacke sehr viel schneller zur
Verfügung als die Abwehrtruppen des Immunsystems und helfen, die
meisten Infektionen zu verhindern. Auf diese Weise gelingt es
beispielsweise Kieferknochen, die ständige Präsenz der Mundbakterien
unbeschadet zu überstehen, berichtet das Wissenschaftsmagazin New
Scientist.
Normalerweise kommen Knochen nicht mit Bakterien oder anderen Mikroben
in Kontakt. Anders sieht es jedoch aus, wenn beispielsweise ein Zahn
gezogen wird: In diesem Moment wird die Barriere zwischen dem Knochen
und der Mundflora, in der es von Bakterien nur so wimmelt, zerstört.
Trotzdem entzünden sich die Kieferknochen nur äußerst selten nach einem
solchen Eingriff. Um dieser Tatsache auf den Grund zu gehen,
untersuchten die Kieler Wissenschaftler sie Knochenstücke aus gesunden
und chronisch entzündeten Kiefern sowie zur Kontrolle aus dem Becken
und dem Wadenbein.
Das Ergebnis: In allen Proben produzierten die sternenförmigen
Knochenzellen, die so genannten Osteozyten, drei verschiedene
Defensine, wobei die Zellen aus dem infizierten Kieferstück besonders
fleißig waren. Wahrscheinlich fährt der Knochen seine
Produktionskapazitäten als Reaktion auf eine bestehende Infektion und
damit einen besonders heftigen Angriff von Bakterien hoch, schließen
die Forscher aus diesem Ergebnis. Ein ähnlicher Effekt ist auch von der
Haut bekannt: Auch hier erhöhen die Zellen erst bei Kontakt mit
Mikroben die Menge der produzierten Abwehrproteine.
Die Defensinabwehr ist besonders an Stellen wichtig, an denen konstante
oder häufige Mikrobenangriffe erfolgen, wie beispielsweise den
Schleimhäuten oder auch dem Zahnfleischsaum, schreibt der "New
Scientist". Sie steht außerdem sehr viel schneller zur Verfügung als
die eigentliche Immunabwehr, für die immer wieder neue, speziell
angepasste Zellen gebildet werden müssen. Als nächstes wollen die
Wissenschaftler untersuchen, was genau die erhöhte Defensin-Produktion
auslöst. Sie hoffen, ihre Entdeckung für die Behandlung chronischer
Knocheninfektionen wie fortgeschrittene Parodontitis oder für die
Entwicklung sicherer Knochenimplantate nutzen zu können.
Quelle: www.wissenschaft.de

