Was ist die beste Implantatoberfläche: glatt, mikro-rau oder beschichtet?

Die ersten Zahnimplantate in den 60er Jahren wurden aus einer Titanstange „gedreht“, ganz ähnlich wie alltägliche Metallschrauben. Die Oberfläche wurde nach diesem Herstellungsprozess nicht mehr weiter behandelt. Man fand heraus, dass der Knochen mit dieser relativ glatten "maschinierten" Oberfläche zwar eine Verbindung einging (Osseointegration), die Zahnimplantate sich mitunter aber noch nach Monaten wieder aus dem Knochen herausdrehen ließen. Der Verbund war also nicht optimal.

Titan-Plasmaspray: raue Oberfläche für mehr Halt

Einen besseren Halt sollte die Vergrößerung der Implantatoberfläche erzielen. Ein technisch erprobtes Verfahren hierfür war das Aufbringen von hoch erhitztem, flüssigem Titan auf die Schraubenoberfläche:  Titan-Plasma-Spray (TPS) in den 80er Jahren. Beim Erkaltungsprozess entstehen dabei sehr unregelmäßige Zacken und Vertiefungen, die für das Einwachsen von Knochenzellen ein griffigeres Relief bilden.
Positive Erfahrungen mit dieser Oberfläche hat man zunächst mit Hüftprothesen machen können.
Leider hat die extrem aufgeraute, zerklüftete Topographie aber nicht nur Vorteile. So ist der Abrieb von Titanpartikeln beim Eindrehen der Implantate hoch, und die Titan-Plasma-Spray-Oberfläche zeigt sich sehr anfällig für hartnäckige Anlagerung von Bakterien. Die Folge können eine schlecht therapierbare Periimplantitis sein, die zum Implantatverlust führen kann. Daher gibt es heutzutage kaum noch Implantatsysteme mit TPS-Oberfläche.

Die ideale Implantatoberfläche

Seit Jahrzehnten arbeiten die Implantathersteller an der optimalen Oberfläche. Durch zahlreiche Untersuchungen konnten bestimmte Faktoren isoliert werden, die die Anlagerung von Knochen erleichtern und einen dauerhaften Verbund begünstigen. So sollte die Rauigkeit bei 1-2 µm liegen, um für einen schnellen ersten Schritt zu sorgen: die Anlagerung von Blutzellen (Thrombozyten) an die Implantatoberfläche.

Vergrößerung der Implantatoberfläche
für eine bessere Knochenanlagerung

Gestrahlt

Die Aufrauung des Titans wird hier durch Abtrag erzielt, wobei sich durch die Wahl des Strahlmaterials, der Partikelgröße und des Drucks die Rauigkeit sehr gut steuern lässt, und man damit perfekt auf die „Wünsche“ der Knochenzellen eingehen kann. Als Strahlmittel werden Titanpartikel, Keramiken oder auch Korund eingesetzt.
Gestrahlte Oberflächen lassen sich durch zusätzliche Verfahren wie z.B. Säureätzung oder Beschichtung noch weiter optimieren.

 

 

Gestrahlte und geätzte Implantaoberfläche (Ankylos®, Fa. Dentsply Sirona)

Säureätzung

Auch die Behandlung des Titans mit Säure ist ein abtragendes Verfahren. Über die Art der Säure, die Konzentration und die Wirkdauer lassen sich sehr regelmäßige Muster in der gewünschten Rauigkeit erzielen. Die Säurebehandlung muss auf den Punkt erfolgen. Ein zu langes Verweilen kann die Struktur des Implantats schwächen. Ein Hersteller verwendet ein zusätzliches Vakuum um die Hydrophilie („Wasserliebigkeit“, verbesserte Kontaktaufnahme des Blutkoagulums) zu erhöhen.
Auch bei geätztem Titan besteht die Option, durch eine Weiterbehandlung mit Beschichtung die Oberflächeneigenschaften noch zu verbessern.

 

 

SLA®-Implantatoberfläche (Fa. Straumann)

Anodische Oxidation

Bei der anodischen Oxidation handelt es sich um ein additives (auftragendes) Verfahren. Unter Einleitung von Strom in einer phosphathaltigen Elektrolytflüssigkeit wird durch Funkenentladung ein keramisches Biomaterial aufgetragen und so eine osteokonduktive (knochenleitende) raue Oberfläche erzeugt.
Auch die anodisch oxidierte Oberfläche kann durch weitere Beschichtungen ergänzt werden.

TiUnite® Oberfläche mit angelagerten Zellen (Fa. Nobel Biocare)

Beschichtung mit Hydroxylapatit und Calciumphosphat-Nanopartikeln

Hydroxylapatit (HA) ist dem Knochen verwandt und sorgt dafür, dass sich Knochenzellen besonders schnell anlagern. Die ersten Versuche der Beschichtung mit HA haben aber nicht dauerhaft funktioniert. Die recht dicke Beschichtung löste sich nach einiger Zeit vom Implantatkörper- womit auch der Halt des Implantats verloren ging.
Heutige Hydroxylapatit-Beschichtungen sind hauchdünn (Nanoschichtdicke) und sorgen nur für einen perfekten Erstkontakt. Danach lösen sie sich auf, und die Osteozyten (Knochenzellen) verbinden sich mit der Titanoxid-Oberfläche. Auch Calciumphosphat wird mit dem gleichen Ziel in einer Schichtdicke im Nanobereich aufgetragen und hat einen positiven Effekt auf die Anheftung von Knochenzellen.

Nitrit-Beschichtung

Ein weiterer Ansatz, die Implantatoberfläche zu optimieren, ist durch Nitrit-Beschichtung die Anheftung von Bakterien an den Implantathals zu verhindern. Zurzeit ist eine Zirkon-Nitrit-Beschichtung auf dem Markt, die einer Periimplantitis vorbeugen soll.

Rückstände sind ein Risiko

Nach allen Verfahren zur Oberflächenoptimierung muss eine 100%ige Reinigung erfolgen, damit keine chemischen Rückstände (Säure oder Reinigungsmittel) oder Fremdpartikel (Strahlmittel) auf der Implantatoberfläche zurückbleiben. Diese können zu entzündlichen, immunolgischen Reaktionen führen. Die absolute Reinheit der Oberfläche ist mit das wichtigste Qualitätskriterium eines Implantatsystems.


implantate.com-Fazit

Die modernen Implantat-Topographien zeichnen sich allesamt durch eine rasche Knochenanlagerung und hervorragende Osseointegration aus. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Oberflächen sind bei der Einheilung eher akademisch zu sehen. Allerdings dürfte sich der langfristige Implantaterfolg durch Oberflächen mit günstigen Anti-Periimplantitis-Eigenschaften noch verbessern lassen.

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Letzte Aktualisierung am Dienstag, 26. Januar 2021