Bei mir begann das ganze, nun schon 16 Jahre währende Leid nach zwei Wurzelspitzenresektionen (WSR) im selben Quadranten (2002 an Z 25 und 2005 an Z 23), jeweils mit simultaner Einbringung von Knochenersatzmaterial (KEM), ohne Unterschrift des Patienten, ohne dass ich davon wusste, geschweige denn über Kontraindikationen und Risiken aufgeklärt wurde bzw. über die Unnötigkeit der Behandlung. In der später mir zur Kenntnis gelangten Karteikarte fehlten jegliche Eintragungen hierzu. Nach ca. 5 Jahren (2007) waren schließlich alle noch vorhandenen Zähne des linken Oberkiefers ab Zahn 22 betroffen, nachdem bei ihnen die Vitalitätstest trotz der Schmerzen lange Zeit in Ordnung gewesen waren, was klar auf einen Kieferbefund an anderer Stelle hinweist. Die Brücke wurde wegen der ungeklärten Probleme seit 2005 nicht festzementiert.
Ich weiß mittlerweile von einer ganzen Reihe von Fällen falscher Anwendungen von KEM mit schwersten Befunden persönlich. Die Dunkelziffer möchte ich gar nicht wissen. Vor kurzem konnte ich eine Bekannte möglicherweise vor Schlimmerem bewahren: die Zahnärztin verzichtete bei einer WSR auf die Einbringung von KEM für 900 Euro, nachdem die Bekannte sie mit der Gebrauchsanweisung konfrontiert hatte. Mit meinem Beitrag möchte ich andere Patienten warnen. Ich habe meinen Fall deshalb ausführlicher dargelegt, ohne dabei auf alle interessanten Einzelheiten eingehen zu können – das würde ein Buch füllen, das ich zu schreiben plane. Schön wäre es, wenn sich auch Ärztinnen und Ärzte, aber auch Richterinnen und Richter das Ganze ansehen würden. Einige ihrer Kolleginnen und Kollegen haben bei mir meiner Auffassung nach völlig versagt, wobei ich hier ausdrücklich betonen möchte, dass ich auf gar keinen Fall alle in einen Topf werfen möchte. Da es auch um Grundsätzliches geht, sind auch ärztliche Gremien und die Politik hier gefordert. Zwei hohe Bundespolitiker, darunter ein Minister, habe ich bei Veranstaltungen mündlich und z. T. auch schon schriftlich informiert.
Laut Gebrauchsanweisungen (siehe unten) darf KEM nicht in eine akute oder chronische Infektion und auch nicht in eine Entzündung eingebracht werden. Das gilt übrigens auch für Eigenknochen. Eine Infektion oder Entzündung liegt bei einer Wurzelspitzenresektion aber in der Regel vor.
Bei Entzündungen entsteht ein saures Milieu, es kann zu keiner Einheilung des KEM kommen, Bakterien können einwandern, wenn sie nicht schon im Knochen vor Ort sind. Es kann sogar viele Jahre unentdeckt bleiben und unterschiedliche Beschwerden machen, vor allem wenn wie bei mir Fistelgänge mit Sekretauslauf als Zahnfleischtaschen falsch gedeutet werden, und wenn sinnlose Antibiosen den Befund vorübergehend zurückdrängen. Bei mir wurden vom beklagten Arzt dann sogar unverständlicherweise Phantomschmerzen ins Spiel gebracht. Das Ausräumen des Defekts unmittelbar vor der Augmentation (KEM-Einbringung) ändert daran nichts. Der Arzt ist nicht Herr über Bakterien, die sich im schwammigen Gewebe des Knochens „verstecken“ können. Da das KEM in aller Regel mit dem Blut aus dem Defekt oder der Umgebung vermischt wird, gelangen noch zusätzlich Bakterien hinein. Was nützt hier die sterile KEM-Verpackung! Witzlos! Die Bakterien haften dem KEM an und sind dort vor Antibiotika geschützt. Nach Ende der Antibiosen dringen sie wieder in das Gewebe ein. Ohne Entfernung des falsch eingebrachten KEM kann sich so der Schaden ausbreiten, es können sich sogar gefährliche Antibiotikaresistenzen entwickeln. Siehe hierzu den Beitrag von Dr. Dr. Zahedi, die Beiträge von Agnes, Andreas, meine und andere Beiträge (Auswahl an Links siehe unten).
Viele Recherchen bei Fachärzten bestätigten, dass der Körper in der Regel Knochendefekte bei WSR selbst heilt. Mit anderen Worten: KEM hat bei Wurzelspitzenresektionen, simultan eingebracht, nichts zu suchen und es ist auch völlig unnötig. Das Risiko steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Liegen dann auch noch (wie im weiteren Verlauf bei mir) mehrere fistelnde Sequester in einem Quadranten vor, so ist es ein Spiel mit dem Feuer. Dass einige Ärzte glauben, sie täten dem Patienten etwas Gutes, ist für mich nicht nachvollziehbar. Den Patienten ohne umfassende Aufklärung über die möglichen schlimmen Folgen nichtsahnend lediglich das normale OP-Risiko unterschreiben zu lassen, empfinde ich als hinterhältig.
Hätte ich seinerzeit von der geplanten Einbringungen (schon 2002 und 2005) des KEM und den Kontraindikationen gewusst, so hätte ich die Behandlung abgelehnt. Ich hätte alles ausheilen lassen. Die zahlreichen furchtbaren Folgeschäden wären mir erspart geblieben und ich hätte meinen Kieferknochen aller Wahrscheinlichkeit nach unversehrt behalten. Wahrscheinlich wären auch die beiden durch Wurzelspitzenresektionen behandelten Zähne gerettet worden.
Da ich (und mangels Arztbrief auch der seit 2005 neue Zahnarzt) nicht die leiseste Ahnung von den Augmentationen durch den KC (Kieferchirurgen) hatte, suchte ich 2007 denselben Arzt erneut auf. Es folgte wiederum eine Kettenreaktion von Systemfehlern, die mir später auch von anderen Patienten aus derselben Praxis geschildert wurden. Die nach 5-jähriger Leidensgeschichte zuvor dringend notwendige Abklärung einer chronischen Osteomyelitis wurde unterlassen, obwohl sie vom Zahnarzt nach vergeblichen Wurzelbehandlungen, begleitet von einer nicht wirkenden lokalen und einer nicht nachhaltig wirkenden 2-wöchigen oralen Antibiose gefordert wurde. Das hierfür (laut späterer schriftl. Aussage eines Uni-Professors) unverzichtbare Knochenszintigramm wurde nicht angeordnet und mir suggeriert, ein OPG (Panorama-Schichtaufnahme) – noch dazu mit einem alten, nicht digitalen Gerät – sei ausreichend.
Die von Zahn 23 an verbliebenen Zähne des linken Oberkiefers wurden extrahiert, mit erneuten, sinnlosen und gefährlichen simultanen Augmentationen – ohne dass das OPG zuvor irgend einen Anhaltspunkt zeigte. Ich wollte nur noch meine Schmerzen loswerden. Zahn 22 wurde zusätzlich wurzelbehandelt. Der Dokumentations- und Befunderhebungsmangel zeigte sich hier deutlich: der in der Vorgeschichte durch eine WSR mit simultaner Augmentation behandelte Z 23 wurde trotz Schmerzen im gesamten linken OK zunächst gar nicht in Betracht gezogen.
Ich stimmte diesmal zwar einem „Knochenaufbau“ zu, wurde aber nicht über Risiken aufgeklärt, glaubte aufgrund einer Frage des KC nach Antibiotika-Unverträglichkeiten sogar an die antibiotische Wirkung des KEM, wie einige meiner Zeuginnen aus der gleichen Praxis übrigens auch. Nach der nur in der Privatrechnung (nicht in der Präsenzakte!) stehenden Diagnose lagen Fistelgänge mit Sequesterbildung vor. Vier Kieferchirurgen, darunter zwei Professoren bestätigten mir später schriftlich, dass es bei meiner Diagnose ein fachlicher Fehler sei, KEM einzubringen. Die parallel zu den Extraktionen mit den simultanen Augmentationen ohne Keimbestimmung und ohne Antibiogramm verordneten Antibiotika konnten ohne Entfernung des KEM nicht wirken. Im Anschluss an die Antibiosen verschlimmerten sich die Schmerzen jedes Mal wieder: insgesamt 3 Antibiotika, 5 Wochen lang innerhalb von 3 Monaten, einschließlich der Antibiose parallel zur Implantatsetzung sogar 4.
Viel zu früh und trotz der fortbestehenden, nicht abgeklärten Schmerzen (laut Privatgutachter ein No Go!) wurde ich nach 2,5 Monaten (mindestens 6 Monate sollten es laut Hersteller sein, bei einer großen Kavität sogar mehr!) mit der Diagnose „Myoarthropathie“ zur Implantation gedrängt. Myoarthropathie ist eine Ausschlussdiagnose. Sie erfordert umfassende, andere mögliche Ursachen ausschließende Untersuchungen (die bei mir fehlten) und passte bei mir auch nicht zu den Antibioseverläufen (vorübergehende Besserung unter Antibiosen). Es wurden drei Implantate gesetzt mit erneuter simultaner Augmentation, diesmal mit 2 grundverschiedenen Materialien (was mir nicht erklärt wurde): mit 3 (!) Einheiten Bio-Oss (nicht keramisches Material, Rinderprodukt) und einer unbekannten (!) Menge Cerasorb (Keramik, synthetisch). Erst von meinem späteren Kieferchirurg wurde ich über die Unterschiede informiert. Abgesehen von der Augmentation überhaupt (die sich unter den gegebenen Umständen verbot) hätte ich auch die Verwendung von Materialien tierischen Ursprungs abgelehnt, wozu übrigens auch eine vom Schwein stammende Membran gehörte, obwohl es vom Hersteller von Cerasorb auch eine synthetische Alternative gibt.
Warum so viel, wieso zwei verschiedene Materialien und wo genau sie eingebracht wurden, ob vermischt oder geschichtet, all dies ist mangels Dokumentation völlig offen. Angesichts der Menge, der Falschaugmentation und der trotz Antibiosen persistierenden Schmerzen muss man an eine heimliche Wundrevision denken, zumal schließlich das gesamte KEM nicht ossifiziert gefunden wurde. In einem 7 (!) Jahre später auf Wunsch des Gutachters angefertigten „Gedächtnisprotokoll“ wurde die große Menge an BioOss und Cerasorb angeblich zur Verbreiterung verwendet, vom Gutachter herausgelockt – ohne Belege. Später erfuhr ich von den Herstellerfirmen, dass sie dieses Vorgehen für äußerst bedenklich hielten (u. a. mögliche Sollbruchstellen wegen unterschiedlicher Härten und Einheilprozessen) und unter diesen Umständen niemals eine Garantie für ihr Produkt geben würden. Niemand wisse, was passieren und wann ein Schaden auftreten würde. Studien hierzu gäbe es keine. Es wurde also an mir ein Experiment durchgeführt ohne Aufklärung und erst recht ohne Einverständnis – nach der Deklaration von Helsinki über ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen (s. Link) absolut verboten! Ohne Aufklärung und Dokumentation wurde auch noch ein Sinuslift bei 27 durchgeführt, obwohl ich für eine „verkürzte Reihe“ bis 26 unterschrieben hatte, durch die sich der Sinuslift wohl erübrigt hätte. Die vollkommen fehlende Dokumentation wurde später von einem gerichtlich bestellten Gutachter als „sparsam“ bezeichnet.
Alle Zeichen für eine Entzündung in der Tiefe des Kieferknochens in Verbindung mit dem verseuchten KEM wurden in der Folge vom KC ignoriert, heruntergespielt oder umgedeutet und nicht dokumentiert. Alles aufzuführen würde den Rahmen sprengen. Einige Beispiele: Es fehlen in der Dokumentation die Antibiose-Verläufe mit vorübergehenden Schmerzreduzierungen, das unregelmäßige, immer wiederkehrende Auslaufen von alt-blutig tingiertem, grauem Sekret gaumenseits des Implantats 27 nach Setzung der Implantatkappen sechs Monate nach der Implantation (zwar nicht auf dem Zahnarztstuhl, aber von mir und dem HNO-Arzt festgestellt). Ein Beweis-Sputumfoto fehlt, von meinem Mann aufgenommen, der das Sekret auch am Implantat sehen konnte. Es fehlt ein Eintrag über die vom HNO-Arzt endoskopische festgestellte Entzündung unter der intakten Kieferhöhlenschleimhaut am Implantat 27 mit dem Sinuslift – trotz vorangegangener Verordnung eines Antibiotikums und eines entzündungshemmenden Mittels durch den KC. Passend dazu zeigte sich in einem auf meine Bitte vom HNO-Arzt angeordnetem CT um Implantat 27 ein hypodenser Saum, den der KC nicht ernst nahm. Ein Gutachter behauptete später, es handele sich lediglich um ein Abbildungsproblem – als wäre dies ein Grund, auf weitere Untersuchungen zu verzichten und der Ursache der Schmerzen und des Sekretausflusses nicht nachzugehen.
Wieso nahm der KC keines der Warnzeichen ernst, wieso die fehlende Befunderhebung? Wollte er die Entdeckung des Schadens nach hinten schieben? Wollte er die in der Vergangenheit ohne Patienten-Einverständnis durchgeführten Augmentationen durch neue Augmentationen verdecken? Ich vermute es!
Der angeblich die Festigkeit der Implantate belegende Periotest sagt bei einem von innen kommenden Schaden nichts aus (wurde mir später bestätigt von der Herstellerfirma und anderen Fachärzten!). Der im Außenbereich noch vorhandener Eigenknochen ist ja dann sehr lange fest, da wackelt nichts. Es ähnelt einem Dübel in einer Hohlwand. Um dies zu verstehen muss man wohl kein Physiker oder Ingenieur sein, ein 13-Jähriger kann es nachvollziehen.
Unsere Silberhochzeitsfeier wurde abgesagt, am Hochzeitstag saß ich mit Schmerzen auf dem Zahnarztstuhl. Als die Schmerzen in den linken Unterkiefer ausstrahlten, wurden die dortigen Zähne ohne Entzündungs-Anhaltspunkte als Ursache der Schmerzen „diagnostiziert“ (der Oberkiefer war ja angeblich in Ordnung) und nacheinander probeweise aufgebohrt. Allerhöchstwahrscheinlich wurden sie dabei von dem Sekret aus dem Oberkiefer infiziert und entzündeten sich. Sie wurden schließlich extrahiert, wieder unter simultaner Augmentation mit Cerasorb und unter nicht nachhaltig wirkender, tagelanger Antibiose (was wiederum nicht vollständig dokumentiert wurde). Zum Glück habe ich hier einer Implantation nicht mehr zugestimmt.
Ein für eine Zweitmeinung aufgesuchter Klinikprofessor erklärte mir, man könne eine Szintigrafie anfertigen, allerdings frühestens in acht Monaten, und schickte mich wegen der Gewährleistung auf die Implantate zurück zum KC. Seltsamerweise sind sämtliche Unterlagen aus dieser Klinik verschwunden. Auch weitere Ärzte habe ich notfallmäßig aufgesucht, die meist Antibiosen verordneten. Sie brachten erneut vorübergehende Besserung. Es musste also eine Infektion vorhanden sein. Immer wurde ich zu meinem KC zurückgeschickt, damit alles in einer Hand bliebe. Der KC sah darin keinen Anlass für weitere Untersuchungen. Einmal lehnte er abends gegen 22:00 Uhr eine Notfallbehandlung ab, ich hätte nichts. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht machte mir die Odyssee durch die Arztpraxen später sogar zum Vorwurf: Wenn so viele Ärzte nichts gefunden hätten, könne da nichts sein. Eine unsinnige Vermutung, denn es wurde ja von den Notärzten trotz der Hinweise auf eine Infektion gar nicht zielführend gesucht, keiner der Ärzte hatte eine Falschanwendung von KEM, die nicht erlaubte Vermischung zweier KEM oder Systemfehler des Kollegen im Blick – ich konnte sie mangels Kenntnis auch nicht informieren.
Auf mein Drängen hin entnahm der KC schließlich eine Keimprobe: Escherichia Coli massenhaft! Dieser Keim kommt in der Kieferchirurgie nur zu 20 % vor, und ist nach Aussagen eines von mir später befragten Bakteriologen als Anaerobier (also ohne Sauerstoff auskommend) nicht nur schwer zu entdecken, sondern auch im Knochen extrem schwer zu bekämpfen. Das zeigte sich auch bei mir: immer wieder wurde der Keim (der übrigens kein HNO-Keim ist!) im Sekretausfluss bei der erhöhten Sondierungstiefe an Implantat 27 nachgewiesen.
Als ich 14 Monate nach Setzung der Implantate ohne Wissen um die Falschaugmentationen (!) nachdrücklich deren Entfernung und das Öffnen des Unterkiefers forderte, verwies mich der Kieferchirurg faktisch seiner Praxis: er könne nichts mehr für mich tun, ich sei eine Schmerzpatientin, das müsse ich endlich begreifen.
Leider wurden in der schon wenige Tage später aufgesuchten nachbehandelnden Uniklinik keine zielführenden Untersuchungen der Leidensursache durchgeführt (u. a. Kommunikationsmängel, fehlende Kartei-Einträge). Zunächst wurde vom Chefarzt eine OP an Implantat 27 bis zur Entfernung vorgesehen wegen des CT-Befunds vom Januar, der der dort festgestellten erhöhten Sortierungstiefe, des blutigen Sekretaustritts (das müsse ja irgendwo herkommen) und der erneut massenhaft auftretenden Kolikeime – trotz der Antibiose, mit der ich kam. Da sich die Schmerzen nach Ende der Antibiose aber wieder schlimmer entwickelten und mir schwindlig war, suchte ich eine neurologische Klinik auf. In viertägigem Aufenthalt ergab sich bei umfangreichen Untersuchungen (u. a. Gehirn-CT und Lumbalpunktion) kein neurologischer Befund, ich wurde zur Kieferchirurgie zurückgeschickt, weil man dort den dringenden Handlungsbedarf sah. Der HNO-Bereich war ebenfalls abgeklärt. Der HNO-Arzt schickte stets zurück zur Kieferchirurgie, einmal sogar verbunden mit dem Vorschlag, ein Knochenszintigramm durchzuführen.
Die Schmerzen wurden unerträglich, die OP vorgezogen. In Abwesenheit des Chefarztes führte ein Oberarzt die OP durch, der sich allem Anschein nach in keiner Weise informiert hatte. Der OA glaubte nicht an eine Osteomyelitis (woher dieser Glaube kam, ist mir verborgen geblieben). Von der erhöhten Sondierungstiefe, dem Keimaustritt, dem Beweisfoto mit dem blutigen Sputum, das eine Fotografin abfotografiert hatte (und das später verschwunden war) schien er nichts zu wissen. Fatalerweise ohne das dringend angezeigte vorherige Knochenszintigramm wurde eine Biopsie am Zahnfleisch entnommen. In der Tiefe wurde nicht untersucht, wie mir hinterher eine Kollegin des OA bestätigte. Die Biopsie wurde bei 24 (!) entnommen, das problembeladene Implantat 27 wurde anscheinend nicht beachtet. Dem Pathologen gab der Operateur keinerlei Anhaltspunkte, weshalb dieser über den Befund „nekrotischer Lamellenknochen mit Umbauzeichen“ (Fibrose, Sklerose) hinaus keine weiteren Schlüsse ziehen konnte.
Direkt nach der OP ging ich zusammen mit meinem Mann zurück zum OA und beschwor ihn, die Implantate, mindestens aber das Implantat 27 genau zu untersuchen, ggf. zu entfernen, die Keime zu bestimmen und auch den Unterkiefer zu untersuchen. Er lehnte es ab. Seine Reaktion, als ich ihn auf den Kolikeim ansprach: „Vielleicht ist er ja schon weg!“ Ich suchte danach unverzüglich den HNO-Arzt zur Keimentnahme auf. Ergebnis: immer noch massenhaft E-Coli. Die OP hatte also unter massivem Keimbefall stattgefunden. Es musste also in der Tiefe etwas sein.
In zwei Notfallsprechstunden (die in der Akte fehlen) wurden mir in der Uni-Klinik von einem neuen Oberarzt zwei Antibiotika nacheinander verordnet, darunter Ciprofloxacin, das wegen Nebenwirkungen an Sehnen und Muskeln abgesetzt werden musste. Wiederum besserten sich die Schmerzen während der Antibiose nur vorübergehend (was auch in einem Brief an mich bestätigt wurde). Der HNO-Arzt nahm Kontakt mit der Uniklinik auf und erklärte, die Ursache meiner Leiden liege nicht in seinem Bereich („Antibiose nicht bei mir!“).
In einem Brief blieb die Klinik auch nach der OP beim „Verdacht auf Osteomyelitis“. Dem Zahnarzt wurde zusätzlich das Fehlen eines wegen der OP "zur Zeit nicht möglichen" Knochenszintigramms mitgeteilt, mir nicht. Schon gar nicht wurde mir erklärt, dass bei richtiger Vorgehensweise das Szintigramm vor der OP hätte gemacht werden müssen – der OA konnte sonst ja gar nicht wissen, wo er aufmachen musste. Er hätte zu viel oder zu wenig tun können: intakte Implantate schädigen oder (wie offenkundig bei mir) Schadstellen übersehen. Die von der Klinik zur Bekämpfung der Osteomyelitis angesetzte hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) war ohne vorheriges Ausräumen der Schadstellen mit (später eindeutig festgestelltem) liegengebliebenem KEM kontraproduktiv. Überhaupt hatten die Ärzte das unter Kontraindikationen eingebrachte, infizierte KEM offensichtlich nicht im Blick und verließen sich wie erwähnt auf den sinnlosen Periotest. Das unerlaubte Experiment mit zwei verschiedenen KEM blieb der Klinik verborgen, ich selbst konnte mangels Wissen nicht davon berichten. Die Schmerzen verschlimmerten sich bei jeder HBO-Behandlung – es war die reinste Folter. Die Behandlung wurde schon nach 17 der vorgesehenen 20 bis 30 Anwendungen abgebrochen. Die behandelnde HBO-Ärztin schickte mich zurück in die Kieferchirurgie mit dem Hinweis, hier stimme etwas nicht.
Ein weiterer Oberarzt der Uniklinik erklärte mir, ein Knochenszintigramm könne wegen der OP erst in einigen Monaten stattfinden, man noch könne ein CT zum Auffinden eines Tumors in der Schädelbasis durchführen (von der vollständigen Abklärung in der Neurologie hatte er offensichtlich nichts gelesen). Zur genauen Diagnostik müssten die Implantate entfernt werden, wozu ich wegen der Gewährleistung zu meinem ursprünglichen KC zurückgehen solle. Jetzt reichte es mir!
Mein damaliger Zahnarzt war ebenfalls ungehalten wegen des ständigen Arztwechsels mit gravieren Kommunikations- und Informationsmängeln in der Klinik. Er empfahl mir einen neuen Kieferchirurgen, der, wie ich später erfuhr, bereits einen Parallelfall aus der alten KC-Praxis behandelte. Ein paar Tage nach Verlassen der Uniklinik zeigte sich der nach den falschen Augmentationen zu erwartende Befund. Die Implantate mussten von 27 an alle entfernt werden, wobei jedes Mal die Kieferhöhle geöffnet werden musste – ein schwerer Folgeschaden. Das gesamte KEM im linken Oberkiefer war nicht ossifiziert und lag als graue Masse da (schriftlich bestätigt!). Das KEM wurde eingeschickt, der Pathologe stellt KEM fest, konnte allerdings die beiden Materialien nicht mehr unterscheiden. Es war „…vom Marginalrand bis in den lmplantatspitzenbereich [zu einer]vollständigen Osteolyse“ gekommen, die Implantate lagen zu mindestens einem Drittel bis in die Spitzen völlig frei, sie waren glatt, es gab keine Verknöcherungspunkte. Damit war klar, dass das KEM niemals ossifiziert war, denn es konnte nicht erst ossifiziert und dann wieder zu KEM „zurückverwandelt“ worden sein. Der blutbeigemengte Sekretausfluss und die Schmerzen waren durch diesen Befund eindeutig zu erklären.
Wegen des außergewöhnlich schweren Schadens wurden der Praxis-Kollege hinzugeholt und Fotos angefertigt. Der KC erklärte mir, die Implantate wären zu keiner Zeit benutzbar gewesen und wären in Kürze unkontrolliert herausgebrochen. Mit dem KEM und den Implantaten mussten große Teile des Oberkieferknochens entfernt werden. Auch im Unterkiefer, wo ich keine Implantate mehr setzen ließ, zeigte sich an allen Augmentationsstellen ein schwerer Schaden. Hier fand sich bei der Erstöffnung eine mottenfraßartige Knochenstruktur, histologisch als chronische Osteomyelitis diagnostiziert.
Es waren also alle Augmentationen im linken Ober- und Unterkiefer komplett und mit schlimmsten Folgen misslungen. Lediglich auf der rechten Seite an der Stelle 16, wo der überkronte Zahn durch die Befestigungskralle des linksseitigen Provisoriums beschädigt und erneut unter simultaner Augmentation entfernt worden war, scheint bis heute alles soweit gut gegangen zu sein.
Die chronische Osteomyelitis und die Keime waren schwer zu bekämpfen. Es wurden weit über 20 Rezidiv-OPs nötig. Durch den unvermeidbaren Knochensubstanzverlust ist heute kein Knochenaufbau mehr möglich, kein Implantat könnte eingebracht werden (was ich nach meinen Erfahrungen auch nicht mehr will) und keine Prothese hält sicher.
Mittlerweile bin ich über 65 Jahre alt und habe nur noch ein Lebensziel: mit den lebenslangen täglichen Schmerzen (allein schon durch die Narbenbildung infolge der OPs) fertig zu werden und andere vor möglichen Schäden zu warnen! Niemand kann mir sagen woher meine aktuellen Schmerzen letztlich kommen: neue Entzündungen, neue Infektionen, Narbenschmerzen? Niemand kann mir sagen, auf was ich gefasst sein muss.
Ich weiß mittlerweile, dass die Dunkelziffer bei Implantatverlusten durch falsche Anwendung von KEM hoch ist, kenne 5 Patienten persönlich, deren Leben dadurch z. T. ebenfalls ruiniert wurde. Es ist die Frage, ob Patienten über Schäden informiert werden oder ob Verschleierungstaktiken nicht im Vordergrund stehen. Bemerkt der Patient den Fehler und versucht, Schadensersatz und Schmerzensgeld zu erhalten, so beginnt der zweite Teil des Dramas. In meinen Augen ist es ein Kriminalfall. In diesem Land scheinen bei Arzthaftungsprozessen immer wieder Täter davonzukommen und Opfer gedemütigt zu werden. Mir ist es jedenfalls bis jetzt so ergangen.
Der gerichtlich bestellte Gutachter unternahm alles, um seinen Kollegen und dessen Versicherung zu schützen. Unter Verschweigen der Gebrauchsanleitungen, der dramatischen Vorgeschichte, Ignorieren der massiven Befunderhebungs- und Dokumentationsmängel und Herunterspielen des Menschen-Versuchs mit den verschiedenen KEM behauptete er als Ursache der Schmerzen eine Odontalgie, eine Ausschlussdiagnose, die eine umfassende, bei mir fehlende Befunderhebung zur Voraussetzung hat. Auf massive, fachärztlich gestützte Einwände und den Antrag auf ein neues, unabhängiges Gutachten hin wurden vom Gericht schließlich stattdessen einige Ergänzungsfragen an den Gutachter formuliert und, weil dieser inzwischen emeritiert und aus angeblich gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung stand, zunächst sein Interimsvertreter und dann auf Einwände hin aus der gleichen (!!) Ärztekammer ein neuer Gutachter für ein Ergänzungsgutachten bestellt. Aus heutiger Sicht scheint mir, dass damit die Richtung bereits vorgegeben war: es ist ein möglichst glatten Durchgang erwünscht.
Der Ergänzungsgutachter bescheinigte seinem Vorgänger erwartungsgemäß eine hervorragende Arbeit, übernahm dessen Gutachten in seinen eigenen Text. Er behauptete zusätzlich u. a. eine vom HNO-Arzt mehrfach eindeutig ausgeschlossene Sinusitis als mögliche Ursache und behauptete sogar, eine Befragung des von mir als Zeugen benannten HNO-Arztes könne hierzu nichts Erhellendes bringen. Das Gericht ließ sich darauf ein, mein Zeuge wurde nicht geladen. Obwohl er vom Gutachter diskreditiert wurde, hätte er zusammen mit meinem neuen KC das Gutachten zu Fall bringen können.
Der Ergänzungsgutachter verschwieg ebenfalls die Gebrauchsanweisungen und tat, darauf hingewiesen, die Kontraindikationen mit dem Hinweis auf Internetwerbung als unwichtig ab. Zum gemeinsamen Einbringen grundverschiedener Knochenersatzmaterialien erklärte er während seiner Befragung vor Gericht, er selbst hätte sich auf ein Produkt konzentriert, es gäbe aber keine Studien, die sich mit diesem Thema befasst hätten, keine dagegen sprechenden, allerdings auch keine dafür sprechenden. Somit sei das gemeinsame Einbringen in Ordnung. Die völlig ungenügende Befunderhebung wurde als Standardvorgehen bezeichnet, fehlende Dokumentationen wurden durch frei erfundene Vermutungen des Gutachters und „Gedächtnisprotokolle“ des beklagten Arztes (nach 7 Jahren!) ersetzt. Die Aussagen meines KC, der gleich zu Beginn seiner Behandlung die schweren Schäden entdeckte, sie ausführlich dokumentierte und wegen der Schwere des Falles seinen Praxiskollegen hinzuholte, wurden relativiert und sogar missachtet – in extrem rufschädigender Weise. Kaum ein Absatz im Gutachten war frei von Verdrehungen der Tatsachen. Nachdem er alles zum Kollegenschutz zurechtgebogen hatte, hielt der Gutachter in der Erwiderung auf meinen Befangenheitsantrag die wissenschaftliche Aufarbeitung und Vorstellung meines „besonders schweren Falles“ auf Kongressen (also hinter verschlossenen Türen) für sinnvoll. Nach allem Vorgefallenen fühlte und fühle ich mich verhöhnt.
Die Vorsitzende Richterin des Landgerichts unternahm trotz deutlicher, fachärztlich untermauerter Hinweise auf die erheblichen fachlichen Mängel alles zur Verteidigung „ihres“ Gutachters. Dass ich mich bei korrekter Aufklärung gegen die Augmentation und die Implantation entschieden hätte, spielte keine Rolle – ich wurde in der Gerichtsverhandlung auch nicht noch einmal danach gefragt. Dass Gebrauchsanweisungen befolgt werden müssen, die Werbung aber nur Hinweise auf unter geeigneten Umständen mögliche Anwendungen gibt, wurde nicht beachtet.
Am einzigen Gerichtsverhandlungstermin durften ausschließlich Einzelfragen an den Gutachter gestellt werden. Zusammenhängende oder kritische Fragen wurden rigoros unterbunden, Fragen zur eigenen Vorgehensweise des Gutachters verboten. Dabei war genau diese Frage extrem wichtig: ich bin überzeugt davon, dass der Gutachter mit seinem Verhalten auch seine eigene Vorgehensweise schützen wollte und vielleicht sogar sein Lebenswerk in Gefahr sah.
Nicht einmal die wichtigsten ärztlichen Zeugen wurden befragt (sie hätten das Gutachten ausgehebelt), geschweige denn Leidensgenossen aus der gleichen KC-Praxis, darunter eine Ärztin, die Erhellendes zum Systemfehler des KC hätte beitragen können. Jegliche Erläuterung, auch eine kurze Bemerkung wurde mir verboten. Das Urteil sah entsprechend aus – mit Gerechtigkeit hatte das nichts zu tun.
Das daraufhin angerufene Oberlandesgericht war offenbar von Anfang an darauf aus, den Fall arbeitsschonend abzuweisen. Der Vorsitzende schien mir mit dem Fall nicht vertraut („Ich habe mir die Unterlagen am gestrigen Feiertag noch einmal im Liegestuhl im Garten angeschaut, es war ja schönes Wetter.“). In einer knapp einstündigen Verhandlung vor der Mittagspause wurde ich vom Vorsitzenden befragt, warum er „den armen Dr. …“ (damit eröffnete er die Verhandlung!) verurteilen solle. Meine fachärztlich gestützten Einwände schien er – wenn überhaupt – kaum zu kennen, ebenso wie das mittlerweile beigebrachte Privatgutachten mit in den wesentlichen Punkten zum gerichtlichen Gutachten konträren Aussagen. Meine beweisenden Belege wollte er nicht sehen und hören. Meine Darstellungen der Kernpunkte wurden immer wieder mit scharfen Worten unterbrochen: Ob der Gutachter mir zugestimmt habe, und ich müsse doch endlich einmal glauben, was der Gutachter sage, andere Kläger seien da einsichtiger und würden zufrieden nach Hause gehen. Ich kam mir vor wie bei der mittelalterlichen Inquisition. Schließlich wurde das Ganze trotz vieler offener Punkte einfach abgebrochen. Ein Protokoll wurde nicht geführt. In der Urteilsbegründung bog der Vorsitzende schließlich alles mit haarsträubender Unlogik gegen eindeutige Beweise zurechtgebogen. Wollte der Vorsitzende die angesichts des Systemfehlers zu erwartende Klagewelle abwehren, wollte er den Fall nur einfach vom Tisch haben und seinen beiden beisitzenden Kollegen und einer zuhörenden Referendarin zeigen, wie so etwas geht, oder war er in dieser Zeit geistig schon auf seiner neuen Beförderungsstelle, in die er offiziell bereits ein paar Tage vorher eingewiesen worden war?
Mein Fall zeigt, was passieren kann, wenn KEM in infizierte Stellen kommt. Er zeigt auch, dass eine umfassende Diagnostik dringend erforderlich ist. Das übliche OPG (Panorama-Schichtaufnehme) lässt selbst schwere Entzündungen oft nicht erkennen (musste selbst der Gutachter bei seiner Befragung vor Gericht zugeben, was er in seinem Gutachten verschwiegen hatte!). Nicht umsonst fordern die Ärzte der Uniklinik Freiburg (siehe Link) die Ausschöpfung aller therapeutischen Möglichkeiten. Dazu gehören Knochenszintigramme, spezielle CTs und MRTs, histologische Untersuchungen und Keimuntersuchungen. Dabei müssen die Röntgenologen und Pathologen zur genauen Beurteilung ihrer Befunde umfassend über die Erkenntnisse der Kollegen informiert sein. Jeder Untersuchungsbefund kann im Übrigen falsch negativ sein und beweist in diesem Fall noch gar nichts.
Angesichts der hohen Risiken und der Schwierigkeiten, eine Osteomyelitis zu detektieren und zu heilen, sind eine umfassende Aufklärung der Patienten und eine sorgfältige Beachtung der Gebrauchsanweisungen unverzichtbar. Nicht ohne Grund schreibt der Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa in seinem „Leitfaden zur Vermeidung von Behandlungsfehlern“ vom 23.2.2010: „Die Indikation für den Einsatz von Knochenersatzmaterial muss sorgfältig abgewogen werden, um zusätzliche Komplikationen zu vermeiden.“ Mal eben etwas Neues ausprobieren für das es keine Studien gibt ist absolutes No Go! Ohne wissenschaftliche Begleitung und umfangreiche Patientenaufklärung und Einverständnis ist es eine Verletzung elementarer Menschenrechte! Siehe hierzu den Link zur Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes zur medizinischen Forschung am Menschen.
Mein Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig die ärztlichen Dokumentationen sind. Bei mir fehlten wesentliche Angaben. Eine mit dieser Dokumentation verfasste Epikrise wäre in keiner Weise hilfreich gewesen. Auch wäre es wichtig, Augmentationen in die Anamnesebögen von Ärzten und Kliniken einzuarbeiten. Es müssen von Seiten der Ärztekammern und der Politik dringend verbindliche Vorschriften für eine umfassende und fälschungssichere Dokumentation erlassen werden. Ein erster Schritt wäre, jedem Patienten eine Kopie der Kartei zu geben, der dann auch ggf. nachfragen könnte. Es zeigt sich auch, dass nicht nur die gründliche Überprüfung von Medizinprodukten vor ihrer Zulassung wichtig ist, sondern auch deren Anwendung. Hier könnte eine Meldepflicht bei Schäden helfen, Fehlern auf die Spur zu kommen.
Als letztes kann man erkennen, wie wichtig eine gründlich arbeitende Justiz ist. Man hat vor einigen Jahren die Verfahren in Zivilprozessen „verschlankt“ um die Arbeitsüberlastung der Gerichte zu verringern. In der zweiten Instanz, dem OLG, muss man nicht erneut in die Beweiserhebung eintreten, wenn es nicht ganz massive Gründe gibt. Ob solche Gründe vorliegen bleibt dann dem Ermessen des betreffenden Senats überlassen. In meinem Fall hat das zu einem ungeheuerlichen Vorgehen und einem haarsträubenden Urteil am OLG geführt. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Der BGH prüft in der Regel nur auf formale Fehler und hat meine Nichtzulassungsbeschwerde schließlich mit einem Satz ohne jegliche individuelle Begründung zurückgewiesen. Das Fehlen eines Protokolls am OLG, die Nichtbefragung der beiden wichtigsten ärztlichen Zeugen, die Nichtbeachtung des Privatgutachtens und die Nichtbeachtung meines Willens (bei korrekter Aufklärung, die bei mir fehlte!) waren offensichtlich keine formalen Fehler.
Es darf nicht sein, dass völlig überlastete Landgerichtskammern Arzthaftungsprozesse durch Fokussierung auf den gerichtlich bestellten Gutachter abkürzen („Gutachtergläubigkeit“), ohne widersprechende ärztliche Zeugen (im Gegensatz zum Gutachter haben sie die Patientin untersucht!) oder die Patientin selbst zu befragen. Es darf nicht sein, dass ein OLG (in meinem Fall durch eine Abordnung vom OLG an das LG auch noch personell verknüpft!) dem LG augenscheinlich ohne genaue Prüfung der Einwände beispringt. Der Paragraph 339 StGB (Rechtsbeugung) ist für Gerichte ganz offensichtlich nicht abschreckend. Ich habe eine unheilvolle Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Gutachtern erlebt. Es scheint auch eine ungeschriebene Standesethik zu geben, die zu arztfreundlichen Gefälligkeitsgutachten führt. Wann fangen Gerichte endlich an, ihre Gutachter und wann fangen Gutachter an, die Ärzte zu kontrollieren?
Ich kann nur hoffen, dass Ärztinnen/Ärzte, Gutachter/innen, Richter/innen und Politiker/innen dies lesen. Es sei noch einmal ausdrücklich gesagt: ich will auf keinen Fall alle in einen Topf werfen. Ich habe sehr gute Ärzte erlebt und weiß, dass in anderen Fällen Gutachter und Gerichte sorgfältig geprüft haben. Es geht aber nicht an, dass wie in meinem Fall die Ursache des voraussichtlich lebenslangen Leidens erkannt ist und es dennoch zu keiner Anerkennung, zu keinem angemessenen Schmerzensgeld und zu keiner Entschädigung der sächlichen Verluste kommt.
Gutachter und Gerichte sollten auch wissen: wenn derartige Fälle krasser Fehlbehandlung nicht ans Licht kommen, werden Patienten weiterhin geschädigt. Das kann sogar lebensbedrohlich werden, wenn Bakterien durch Antibiotika nicht erreicht werden und sich Resistenzen entwickeln können. So können multiresistente Keime entstehen, nicht nur im Schweinestall!
Dass Richterinnen und Richter medizinische Laien sind, verfängt nicht: Eine kritische Auseinandersetzung mit Gutachten ist auch Laien möglich, insbesondere wenn sie sich intensiv damit beschäftigen, wie man es von Gerichten in Medizinprozessen erwarten muss. Die Logik gilt ohnehin universell.
Ich kann hier nicht alle Details aufführen. Es würde ein Buch dabei herauskommen – wenn meine Kraft reicht, werde ich es schreiben. Wie gesagt habe ich bereits zwei Bundespolitiker über den Fall und die Zusammenhänge informiert. Ich werde mich auch nicht scheuen, mit einem Transparent vor das Justizministerium zu ziehen und die Medien einzuschalten. Vielleicht finde ich noch Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Quellen:
Deklaration von Helsinki (1964) über ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen (Fassung von 2013):
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/Deklaration_von_Helsinki_2013_DE.pdf
Medizinprodukte-Tests vor der Zulassung:
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/ausser-kontrolle-folge-7-102.html
Zur Diagnostik der Kiefer-Osteomyelitis
https://www.zm-online.de/archiv/2014/13/zahnmedizin/stete-herausforderung/
Auszüge aus den Gebrauchsanweisungen von Knochenersatzmaterialien:
Bio-Oss: http://www.zahnarzt-haas.de/fileadmin/user_upload/pdf/Geistlich-Patientenaufklaerungsbogen2.pdf)
„Gebrauchsanweisung Cerasorb®
Resorbierbare, phasenreine Beta-Tricalciumphosphat-Matrix zur Implantation für die Füllung, Überbrückung und Rekonstruktion von Knochendefekten.
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Anwendungseinschränkungen
• Akute und chronische Infektionen im Operationsbereich (Weichteilinfektionen; entzündliche, bakterielle Knochenerkrankungen; Osteomyelitis). Bei antibiotischer Therapie ist vom Anwender über den Einsatz von Cerasorb anhand der Nutzen-Risikoabschätzung zu entscheiden.
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Trotz Vorliegens einiger der aufgeführten Umstände kann sich der Einsatz von Cerasorb zur Behebung von Knochendefekten als beste Lösung erweisen. Der Patient ist angemessen über die möglichen Auswirkungen der komplizierenden Umstände auf den zu erwartenden Erfolg des Einsatzes von Cerasorb zu unterrichten.
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Art der Anwendung
• Cerasorb darf nur von oder unter Aufsicht von Fachpersonal mit Erfahrung in den erforderlichen Techniken und im Einsatz von Biomaterialien angewendet werden. Die Auswahl der Darreichungsform sowie das exakte operative Vorgehen richten sich nach Lokalisation, Art und Umfang des Defektes.
• Zur Vorbereitung des Implantatlagers sind Knochenreste und nekrotisches Gewebe sorgfältig zu entfernen. Direkter Kontakt des Cerasorb mit dem blutenden vitalen Knochen ist notwendig und eine gründliche Anfrischung des Knochens vor dem Einbringen obligat.
• Cerasorb muss vor dem Einbringen in den Defekt mit Eigenblut aus der Defektregion gemischt (Granulat) bzw. getränkt (Formteil) werden. Der Cerasorb - Eigenblutkombination kann plättchenreiches Plasma (PRP) desselben Patienten zugegeben werden.
• Bei Operation in Blutleere kann Cerasorb auch mit venösem Eigenblut getränkt werden.
• Cerasorb kann auch zusammen mit autologer Spongiosa verwendet werden.
• Der Knochendefekt ist vollständig zu füllen. Eine Überfüllung ist zu vermeiden, um einen spannungsfreien Verschluss zu erzielen.“