Colitis ulcerosa: Entzündungen auch im Mund
Colitis ulcerosa gehört neben Morbus Crohn zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Diese chronische Autoimmunerkrankung verläuft schubweise und befällt vor allem die Schleimhaut des Dickdarms (Kolon).
In Deutschland leiden etwa 160.000 bis 200.000 an Colitis ulcerosa. Die Neuerkrankungsrate (Inzidenz) beträgt 3-15 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Die Erkrankung manifestiert sich meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, kann jedoch in jedem Alter auftreten. Eine dauerhafte Heilung der Dickdarmentzündung ist nicht möglich.
Bei etwa 5-10% der Patienten mit Colitis ulcerosa treten Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut auf. Diese können parallel zu den intestinalen Symptomen oder unabhängig davon auftreten .
So zeigt sich eine Colitis ulcerosa im Mund
Die Entzündungen im Mund bei Colitis ulcerosa sind im Gegensatz zu Morbus Crohn meist unspezifischer und weniger charakteristisch. Sie treten seltener auf, können aber dennoch wichtige Hinweise auf die systemische Erkrankung geben.
Typische Krankheitszeichen im Mund umfassen:
- Schmerzhafte Schleimhautgeschwüre (aphthöse Stomatitis)
- Unspezifische Zahnfleischschwellungen und Gingivitis
- Pusteln und oberflächliche Mundschleimhautdefekte
- Erhöhte Blutungsneigung des Zahnfleisches
- Mundtrockenheit (Xerostomie) durch Medikamentennebenwirkungen
- Mundgeruch (Halitosis) und Sodbrennen
- Entzündungen der Kiefergelenke (temporomandibuläre Arthritis)
Mangelbedingte Mundveränderungen: Durch die eingeschränkte Nährstoffaufnahme während akuter Entzündungsschübe können charakteristische Mangelsymptome im Mund auftreten:
- Wundheilungsstörungen durch Vitamin C-Mangel
- Glatte, brennende Zunge (Hunter-Glossitis) bei Vitamin B12-Mangel
- Eingerissene Mundwinkel (Rhagaden) bei Eisenmangel
- Erhöhte Infektionsanfälligkeit durch Immunsuppression
Frühwarnzeichen sind oft wiederkehrende, therapieresistente aphthöse Läsionen ohne erkennbare lokale Ursache. Diese sollten bei gehäuftem Auftreten an eine systemische Grunderkrankung denken lassen.
Colitis ulcerosa und Implantate:
Anders als beim M. Corhn gibt es für die Colitis ulcerosa zurzeit keine Hinweise auf einen negativen Einfluss auf die Einheilung eines Implantats nach der Implantation oder den langfristigen Erfolg von Zahnimplantaten.
Entzündung des Enddarms: der Name Colitis beschreibt die Hauptsymptome
Colitis ulcerosa ist eine chronische Darmentzündung unbekannter Ursache, die durch eine fehlgeleitete Immunreaktion gegen die eigene Darmschleimhaut entsteht. Bei genetisch veranlagten Personen führen Umweltfaktoren zu einer überschießenden Entzündungsreaktion.
Ursachen und Entstehung: Die Erkrankung entsteht durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren:
- Genetische Veranlagung: Über 100 Risikogene sind bekannt, familiäre Häufung in 10-20% der Fälle
- Umweltfaktoren: Stress, westlicher Lebensstil, veränderte Darmflora (Dysbiose)
- Gestörte Darmbarriere: Erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut
- Immunsystem-Fehlsteuerung: Chronische Entzündung gegen körpereigene Strukturen
Krankheitsverlauf und Symptome: Die Entzündung befällt ausschließlich die oberflächlichen Schichten der Dickdarmschleimhaut und breitet sich kontinuierlich vom Rektum nach oben aus. Je nach Ausdehnung werden drei Formen unterschieden:
- Proktitis: Nur Enddarm betroffen (40% der Fälle)
- Linksseitige Kolitis: Bis zur linken Colonflexur (40% der Fälle)
- Pankolitis: Gesamter Dickdarm betroffen (20% der Fälle)
Hauptsymptome der Darmentzündung:
- Blutig-schleimige Durchfälle (häufigster Leitsymptom)
- Krampfartige Bauchschmerzen im linken Unterbauch
- Starker Stuhldrang (Tenesmen) mit häufigen, kleinen Stuhlmengen
- Gewichtsverlust durch Appetitlosigkeit und Malabsorption
- Fieberschübe während akuter Schübe
- Müdigkeit und Schwäche durch Blutarmut (Anämie)
Komplikationen:
- Starke Blutungen mit lebensbedrohlichem Blutverlust
- Toxisches Megakolon (lebensbedrohliche Darmerweiterung)
- Darmdurchbruch (Perforation)
- Erhöhtes Dickdarmkrebsrisiko bei langjährigem Verlauf
Extraintestinale Manifestationen (außerhalb des Darms):
- Gelenkentzündungen (Arthritis) bei 10-20% der Patienten
- Hautveränderungen: Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum
- Augenentzündungen: Uveitis, Episkleritis
- Leberbeteiligung: Primär sklerosierende Cholangitis (3-5% der Fälle)
Besondere Risikogruppen sind genetisch Vorbelastete: Verwandte ersten Grades von Betroffenen (10-fach erhöhtes Risiko) und Ex-Raucher (paradoxerweise schützt Nikotin vor Colitis ulcerosa, verschlechtert aber die Prognose bei Morbus Crohn).
Das Verhältnis von oralen zu intestinalen Symptomen ist bei Colitis ulcerosa anders als bei Morbus Crohn: Munderscheinungen treten meist parallel zu oder nach den Darmsymptomen auf, selten als isolierte Erstmanifestation.
Darmentzündung: welche ist es denn?
So wird die Colitis ulcerosa diagnostiziert
Die Diagnosestellung erfolgt durch:
Basisdiagnostik:
- Ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung
- Labordiagnostik: Entzündungsparameter (CRP, BSG), Calprotectin im Stuhl, Blutbild
- Stuhluntersuchungen zum Ausschluss infektiöser Ursachen
Bildgebende und endoskopische Verfahren:
- Koloskopie als Goldstandard mit Stufenbiopsien
- Ultraschall des Abdomens zur Beurteilung der Darmwanddicke
- Bei Komplikationsverdacht: CT-Abdomen
Histologische Untersuchung: Biopsieentnahme während der Koloskopie zeigt charakteristische oberflächliche Schleimhautentzündung mit Kryptabszessen, jedoch keine Granulome (Abgrenzung zu Morbus Crohn).
Stellenwert der oralen Diagnostik: Bei Verdacht auf orale Manifestationen einer Colitis ulcerosa ist eine systematische Munduntersuchung indiziert. Biopsien von Mundschleimhautveränderungen können unspezifische chronische Entzündungen zeigen. Wichtiger ist die Erkennung und Behandlung mangelernährungsbedingter Veränderungen durch entsprechende Labordiagnostik (Vitamin B12, Folsäure, Eisen, Vitamin D).
Differentialdiagnosen der Darmentzündungen
Erkrankung | Klinische Abgrenzung | Histologische Merkmale |
---|---|---|
Morbus Crohn | Diskontinuierlicher Befall, Dünndarmbefall möglich | Transmurale Entzündung, epitheloidzellige Granulome |
Infektiöse Kolitis | Akuter Beginn, Reiseanamnese | Erregernachweis, keine chronische Entzündung |
Ischämische Kolitis | Ältere Patienten, Gefäßrisikofaktoren | Oberflächennekrosen, Hämosiderin-Ablagerungen |
Mikroskopische Kolitis | Wässrige Durchfälle, normales Endoskopiebild | Verdickte subepitheliale Kollagenschicht |
Rekurrende aphthöse Stomatitis | Nur orale Läsionen, keine Darmsymptome | Unspezifische Ulzeration ohne systemische Zeichen |
Behçet-Syndrom | Genitale Ulzera, Augenbeteiligung | Vaskulitis, keine spezifischen Darmveränderungen |
Die klinische Abgrenzung erfolgt primär über die Verteilung der Darmentzündung (kontinuierlich vs. diskontinuierlich) und das Vorhandensein von Granulomen in der Histologie.
Behandlung der Colitis ulcerosa: Verschlechterung verhindern
Systemische Therapie erfolgt stadiengerecht:
Leichte bis mittelschwere Schübe:
- 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin) oral und/oder rektal
- Topische Steroide (Budesonid-Schaum, Prednisolon-Klysmen)
Mittelschwere bis schwere Schübe:
- Systemische Kortikosteroide (Prednisolon, Methylprednisolon)
- Bei steroidrefraktären Verläufen: Ciclosporin oder Infliximab
Remissionserhaltung:
- Langzeit-Mesalazin-Therapie
- Bei Unverträglichkeit: Azathioprin oder 6-Mercaptopurin
- Biologika (TNF-α-Antikörper, Integrin-Antagonisten) bei schweren Verläufen
Besonderheiten bei Entzündungerscheinungen im Mund:
- Topische Behandlung mit Triamcinolon-Paste oder Dexamethason-Mundspüllösungen
- Behandlung von Mangelerscheinungen: Vitamin B12-Substitution, Eisentherapie, Folsäure
- Professionelle Zahnreinigung und optimierte Mundhygiene
- Engmaschige zahnärztliche Kontrollen alle 3-6 Monate
- Bei ausgeprägter Parodontitis: systematische Parodontaltherapie unter antibiotischem Schutz
Chirurgische Therapie: Bei medikamentös nicht kontrollierbaren Verläufen oder Komplikationen ist die Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanastomose die Therapie der Wahl. Dies führt zur definitiven Heilung der Erkrankung.
Prognose: Colitis ulcerosa hat insgesamt eine bessere Prognose als Morbus Crohn. Etwa 90% der Patienten erleben einen schubförmigen Verlauf mit beschwerdefreien Intervallen. Etwa 20-30% der Patienten benötigen im Krankheitsverlauf eine Operation. Die orale Beteiligung bessert sich meist parallel zur systemischen Therapie.
implantate.com-Fazit
Der Mund hat bei Colitis ulcerosa eine geringere Frühdiagnosebedeutung als bei Morbus Crohn, da Mundentzündungen seltener und unspezifischer sind. Dennoch sollten man bei wiederkehrenden aphthösen Läsionen, therapieresistenten Zahnfleischentzündungen oder Anzeichen von Mangelernährung (glatte Zunge, Mundwinkelrhagaden) an eine systemische Grunderkrankung denken.
Unsere Empfehlungen für Colitis-ulcerosa-Patienten
- Information des Zahnarztes über die Grunderkrankung und aktuelle Medikation
- Optimale häusliche Mundhygiene
- Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen alle 6 Monate, bei Zahnfleischentzündungen auch kürzere Intervalle
- Professionelle Zahnreinigung bei Gingivitis
- Bei Rauchstopp Vorsicht: Kann paradoxerweise Schübe auslösen (ärztliche Begleitung)
- Aufmerksamkeit für Mangelerscheinungen: glatte Zunge, eingerissene Mundwinkel, verstärkte Blutungsneigung
IMPLANTAT-SPEZIALISTEN IN IHRER NÄHE
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