Wie zeigt sich eine Mangelernährung im Mund?

Nährstoffmangel und seine Auswirkungen auf die Mundgesundheit

Die Mundschleimhaut ist ein hochaktives Gewebe mit schneller Zellerneuerung und stellt deshalb besondere Anforderungen an die Nährstoffversorgung. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen eindeutig die gegenseitige Beeinflussung Beziehung von Ernährung und Mundgesundheit: Mangelernährung kann die Mundgesundheit beeinträchtigen, während umgekehrt schlechte Mundgesundheit zu Mangelernährung führen kann.

Die Mundschleimhaut gilt als „Spiegel der allgemeinen Gesundheit“ und zeigt oft die ersten Anzeichen systemischer Erkrankungen und Nährstoffdefizite. Aufgrund ihrer einzigartigen anatomischen Lage und schnellen Zellerneuerung manifestieren sich Nährstoffmängel hier häufig früher als in anderen Körperregionen.

Ursachen und Entstehung eines Nährstoffmangels

Nährstoffdefizite entstehen durch verschiedene Mechanismen, die einzeln oder in Kombination auftreten können:

Unzureichende Zufuhr

  • Einseitige Ernährungsgewohnheiten und radikale Diäten
  • Essstörungen wie Anorexia nervosa
  • Eingeschränkter Zugang zu frischen Lebensmitteln
  • Falsche Zubereitung (lange Kochzeiten zerstören wasserlösliche Vitamine)

Gestörte Aufnahme (Malabsorption)

Verschiedene Erkrankungen können die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen:

  • Morbus Crohn und andere chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
  • Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)
  • Gastritis und Magenerkrankungen
  • Zustand nach Magenoperationen

Erhöhter Bedarf

  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Wachstumsphasen bei Kindern und Jugendlichen
  • Fieberhafte Erkrankungen
  • Wundheilung und operative Eingriffe

Medikamentös bedingte Mängel

Verschiedene Medikamente können Nährstoffmängel verursachen oder verstärken:

  • Methotrexat (Krebstherapie, rheumatoide Arthritis) → Folsäuremangel
  • Metformin (Diabetestherapie) → Vitamin B12-Mangel
  • Protonenpumpenhemmer → Vitamin B12-, Magnesium-, Eisenmangel
  • Antiepileptika → Folsäure-, Vitamin D-Mangel

Nährstoffe: ihre Funktionen und Mangelerscheinung im Mund

Wasserlösliche Vitamine

Vitamin C (Ascorbinsäure)

  • Funktion: Kollagensynthese, Wundheilung, Antioxidans
  • Tagesbedarf: 75-90 mg
  • Mangelsymptome: Gingivahyperplasie, Zahnfleischbluten, verzögerte Wundheilung

B-Vitamin-Komplex

  • Vitamin B12: Zellteilung, DNA-Synthese
  • Folsäure: Zellerneuerung, DNA-Synthese
  • Vitamin B2, B6: Schleimhautfunktion, Energiestoffwechsel

Mineralstoffe und Spurenelemente

Eisen

  • Funktion: Sauerstofftransport, Zellatmung
  • Mangelsymptome: Blässe der Mundschleimhaut, Zungenbrennen

Zink

  • Funktion: Wundheilung, Immunfunktion, Geschmackssinn
  • Tagesbedarf: 8-11 mg
  • Mangelsymptome: Geschmacksstörungen, verzögerte Wundheilung
Glossitis Vitaminmangel Mangelernährnung Nährstoffmangel

Zungenentzündung (Glossitis) durch Vitaminmangel

Mangelernährung und ihre Zeichen im Mund

Vitamin B12-Mangel: Hunter-Glossitis und ihre Varianten

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Vitamin B12-Mangel bei bis zu 68% der Patienten mit atrophischer Glossitis vorliegt (Chen et al., 2022). Die klassischen Manifestationen umfassen:

Hunter-Glossitis (Moeller-Hunter-Glossitis)

  • Glatte, rote, „lackierte“ Zungenoberfläche
  • Atrophie der Zungenpapillen über mehr als 50% der Zungenoberfläche
  • Brennende Schmerzen (Glossodynie)
  • Geschmacksstörungen (Dysgeusie)

Frühe Manifestationen Neuere Studien identifizierten lineare Zungenläsionen als Frühzeichen eines B12-Mangels, die noch vor der klassischen Hunter-Glossitis auftreten können (Graells et al., 2009). Diese Läsionen finden sich auf dem Zungenrücken, den Seitenrändern und der Zungenunterseite.

Wichtiger Hinweis: 64,3% der B12-Mangel-Patienten mit Mangelerscheinungen in der Mundhöhle zeigen keine Anämie zum Zeitpunkt der Diagnose, was die Bedeutung der oralen Frühdiagnostik unterstreicht (Kim et al., 2016).

Vitamin C-Mangel: Skorbut und Parodontitis

Klassische Skorbutsymptome Bei weniger als 20 mg Vitamin C täglich (optimal: 75-90 mg) entwickelt sich binnen weniger Monate Skorbut mit charakteristischen oralen Manifestationen:

  • Spontanes Zahnfleischbluten
  • Gingivahyperplasie mit schwammiger Konsistenz
  • Blaurote Verfärbung des Zahnfleisches
  • Zahnlockerung und Zahnverlust
  • Verzögerte Wundheilung

Entgegen der allgemeinen Annahme zeigen aktuelle Studien, dass 30% der Parodontitispatienten einen Vitamin C-Mangel aufweisen (Mealey et al., 2020). Ein Vitamin C-Mangel korreliert mit schwereren parodontalen Erkrankungen und erhöhten Entzündungsparametern.

Zinkmangel: Geschmacksstörungen und Wundheilungsprobleme

Zeichen eines Zinkmangels im Mund

  • Dysgeusie: Geschmacksstörungen bei 50-82% der betroffenen Patienten
  • Aphthöse Läsionen und rezidivierende Stomatitis
  • Trockene, rissige Lippen (Cheilitis)
  • Verzögerte Wundheilung nach zahnärztlichen Eingriffen
  • Gingivale Entzündungen

Pathophysiologie Zink ist in hoher Konzentration in den Geschmacksknospen vorhanden und fungiert als Cofaktor für alkalische Phosphatase in den Geschmacksknospen. Ein Mangel führt zu verminderter Ausbildung von Geschmacksknospen und damit zu Geschmacksstörungen.

Wie zeigt sich ein Eisenmangel im Mund?

  • Plummer-Vinson-Syndrom: atrophische Zungenentzündung mit Schleimhautveränderungen
  • Blässe der Mundschleimhaut und Zunge
  • Restless-Tongue-Syndrom
  • Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen im Mundraum

Wie macht sich ein Folsäuremangel im Mund bemerkbar?

Labordiagnostik: Sicherung der Diagnose Nährstoffmangel

Differenziertes Blutbild mit Retikulozyten

  • Vitamin B12: Holotranscobalamin (aktives B12) sensitiver als Gesamt-B12
  • Folsäure: Erythrozytenfolat aussagekräftiger als Serumfolat
  • Zink: Serumzink <70 μg/dl gilt als Mangel
  • Vitamin C: Plasmaspiegel (normale Werte: 0,4-2,0 mg/dl)

Funktionelle Parameter

  • Methylmalonsäure und Homocystein bei B12-Mangel
  • C-reaktives Protein als Entzündungsmarker

Therapie der Mangelernährung: Subsititution der Nährstoffe, Spurenelemente und Vitamine

Vitamin B12-Substitution

  • Akuttherapie: 1000 μg intramuskulär täglich für eine Woche
  • Erhaltungstherapie: 1000 μg monatlich oder 2500 μg oral täglich
  • Verbesserung der oralen Symptome: Meist innerhalb von 3-7 Tagen

Vitamin C-Supplementierung

  • Therapeutische Dosis: 500-1000 mg täglich bei manifestem Mangel
  • Präventive Dosis: 100-200 mg täglich
  • Besonderheit: Wasserlöslich, Überschuss wird ausgeschieden

Zink-Therapie

  • Therapeutische Dosis: 15-30 mg elementares Zink täglich
  • Maximaldosis: 40 mg täglich (längerfristig)
  • Therapiedauer: Mindestens 2-3 Monate
  • Verbesserung der Geschmacksstörungen: 50-82% der Patienten sprechen an

Therapeutisch zeigen sich bemerkenswerte Erfolge: Orale Symptome eines B12-Mangels bessern sich oft bereits binnen Tagen nach Substitutionsbeginn, während Geschmacksstörungen durch Zinkmangel bei 50-82% der Patienten durch gezielte Zinkzufuhr erfolgreich behandelt werden können.

Prävention von Mangelerscheinungen durch ausgewogene Ernährung und Substitution

Vitamin C-reiche Lebensmittel

  • Zitrusfrüchte, Kiwi, Papaya
  • Paprika, Brokkoli, Rosenkohl
  • Sanddorn, Hagebutten

B12-Quellen

  • Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte
  • Milchprodukte, Eier
  • Angereicherte pflanzliche Lebensmittel für Veganer

Zink-Lieferanten

  • Fleisch, insbesondere Rind und Lamm
  • Nüsse, Hülsenfrüchte
  • Vollkornprodukte, Kürbiskerne

Wer hat eine hohes Risiko für eine Mangelernährung?

Folgende Gruppen sollten besondere Aufmerksamkeit auf Ihre Ernährung und NAhrungsergänzung legen:

  • Veganer und Vegetarier (B12, Eisen, Zink)
  • Ältere Menschen (multiple Defizite möglich)
  • Patienten mit Medikamenten-induzierten Risiko für Mangelerscheinungen z.B. Vitaminmangel
  • Schwangere und Stillende (erhöhter Bedarf)

Die zahnärztliche Untersuchung als Früherkennung einer Mangelerscheinung

Früherkennung durch Zahnärzte Zahnärzte spielen eine Schlüsselrolle bei der Früherkennung von Nährstoffmängeln, da sich diese oft primär im Mundraum manifestieren. Bei folgenden Befunden sollte an Nährstoffdefizite gedacht werden:

  • Therapieresistente Zahnfleischentzündungen
  • Rezidivierende Aphten
  • Verlangsamte Wundheilung nach Eingriffen
  • Geschmacksstörungen ohne erkennbare lokale Ursache
  • Atrophische Veränderungen der Zungenschleimhaut

Interdisziplinäre Zusammenarbeit Bei Verdacht auf Nährstoffmängel sollte eine Überweisung zur weiterführenden Diagnostik erfolgen, idealerweise an:

  • Hausarzt/Internist für Basisdiagnostik
  • Gastroenterologe bei Verdacht auf Malabsorption
  • Ernährungsmediziner für komplexe Mangelzustände

implantate.com-Fazit und Ausblick

Die moderne Forschung bestätigt die zentrale Bedeutung einer ausgewogenen Nährstoffversorgung für die Mundgesundheit. Eine Mangelernährung zeigt sich häufig frühzeitig im Mundraum. Die zahnärztliche Untersuchung kann so als Frühwarnsystem dienen.
Die Prävalenz von Nährstoffmängeln ist auch in entwickelten Ländern höher als oft angenommen – so weisen beispielsweise 30% der Parodontitispatienten einen Vitamin C-Mangel auf. Dies unterstreicht die Bedeutung von Nährstoffmängeln n der zahnärztlichen Praxis.

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Chan, A.K.Y. et al. „Diet, Nutrition, and Oral Health in Older Adults: A Review of the Literature.“ Dentistry Journal 11.9 (2023): 222.
Chen, Y. et al. „Vitamin B12 deficiency may play an etiological role in atrophic glossitis and its grading: A clinical case-control study.“ BMC Oral Health 22 (2022): 456.
Dental and Medical Problems. „The influence of nutrition, nutritional deficiencies, and the condition of the periodontium and oral mucosa.“ Vol. 60, No. 4 (2023): 697-706.
Graells, J. et al. „Glossitis with linear lesions: an early sign of vitamin B12 deficiency.“ Journal of the American Academy of Dermatology 60.3 (2009): 498-500.
Kim, J. et al. „Oral manifestations in vitamin B12 deficiency patients with or without history of gastrectomy.“ BMC Oral Health 16.1 (2016): 60.
Mealey, B.L. et al. „A Pilot Study Examining Vitamin C Levels in Periodontal Patients.“ Nutrients 12.9 (2020): 2751.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/core/lw/2.0/html/tileshop_pmc/tileshop_pmc_inline.html?title=Click%20on%20image%20to%20zoom&p=PMC3&id=6086100_tcrm-14-1391Fig2.jpg

Letzte Aktualisierung am Freitag, 08. August 2025