Sjögren-Syndrom und Mundprobleme

Das Sjögren-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, die hauptsächlich Speichel- und Tränendrüsen betrifft und zu chronischer Mundtrockenheit führt. Diese Mundtrockenheit erhöht das Kariesrisiko drastisch und kann zu schweren Zahnfleischerkrankungen führen. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte zahnmedizinische Betreuung sind entscheidend für den Erhalt Ihrer Zähne.

Was ist das Sjögren-Syndrom?

Beim Sjögren-Syndrom handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Abwehrsystem fälschlicherweise die eigenen Speichel- und Tränendrüsen angreift. Das Immunsystem, das uns eigentlich vor Krankheitserregern schützen soll, richtet sich gegen gesundes Drüsengewebe und zerstört es irreversibel.

Diese chronische Entzündung führt dazu, dass die betroffenen Drüsen immer weniger Flüssigkeit produzieren. Die Folge: anhaltende Mundtrockenheit und trockene Augen, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen können.

Wie viele Menschen haben ein Sjögren-Syndrom?

Das Sjögren-Syndrom ist häufiger als oft angenommen. Nach der rheumatoiden Arthritis stellt es die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung dar. Etwa 0,1 bis 0,2% der Bevölkerung sind betroffen – das entspricht etwa 400.000 Menschen in Deutschland. Frauen erkranken etwa zehnmal häufiger als Männer, meist im Alter zwischen 30 und 60 Jahren.

Primäres und sekundäres Sjögren-Syndrom: Die zwei Formen

Mediziner unterscheiden zwei Hauptformen der Erkrankung:

Primäres Sjögren-Syndrom: Dies ist die eigenständige Form der Erkrankung. Hier steht die chronische Entzündung von Drüsengewebe, insbesondere der Speichel- und Tränendrüsen, im Vordergrund. Trockene Augen und Mundtrockenheit sind die typischen Leitsymptome. Prinzipiell kann jeder daran erkranken, auch wenn bestimmte Risikogruppen häufiger betroffen sind.

Sekundäres Sjögren-Syndrom: Diese Form tritt als Begleiterscheinung bei anderen rheumatischen Autoimmunerkrankungen auf, beispielsweise bei rheumatoider Arthritis, Lupus erythematodes oder systemischer Sklerose. Nur Menschen mit entsprechenden Vorerkrankungen sind potentiell betroffen.

Beschwerden beim Sjögren-Syndrom im Mund

Die Leitsymptome sind zwar trockene Augen und Mundtrockenheit, doch die Erkrankung kann den gesamten Körper betreffen.

Typische Symptome:

  • Mundtrockenheit (Xerostomie): Bei 94 bis 100% der Patienten feststellbar
  • Trockene Augen: Brennen, Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit
  • Schluckbeschwerden (Dysphagie): Besonders bei trockenen Speisen
  • Schmerzempfindliche Schwellung der Speicheldrüsen
  • Chronischer Husten/Lungenbeschwerden
  • Chronische Erschöpfung (Fatigue): Bei 70% der Betroffenen
  • Gelenkschmerzen und -entzündungen
  • Hautausschlag und Hauttrockenheit

Mögliche Komplikationen des Morbus Sjögren:

  • Austrocknung verschiedener Schleimhäute (Hals, Nase, Atemwege, Magen-Darm-Trakt)
  • Geschwollene Lymphknoten
  • Nierenschäden
  • Haarausfall
  • In seltenen Fällen: erhöhtes Lymphomrisiko (etwa 4-8% der Patienten)

Karies bei Munddtrockenheit, Sjögren-Syndrom

Karies bei Munddtrockenheit, Sjögren-Syndrom

Mundtrockenheit: Risiko für Mund und Zähne

Mundtrockenheit ist nicht nur unangenehm – sie stellt eine ernsthafte Bedrohung für Ihre Zahngesundheit dar. Speichel erfüllt lebenswichtige Funktionen in der Mundhöhle:

  • Schutz vor Karies: Speichel neutralisiert schädliche Säuren
  • Antibakterielle Wirkung: Natürliche Abwehr gegen Krankheitserreger
  • Remineralisierung: Stärkt den Zahnschmelz
  • Selbstreinigung: Spült Speisereste und Bakterien weg

Folgen der Mundtrockenheit:

  • Hohes Kariesrisiko: Besonders an den Zahnhälsen
  • Zahnfleischentzündungen (Gingivitis)
  • Parodontitis mit schwerem Verlauf
  • Pilzbefall der Mundhöhle (z.B. Soor)
  • Probleme beim Kauen, Essen und Sprechen
  • Verletzungen der Mundschleimhaut
  • Vorzeitiger Zahnverlust

Warum erkrankt man am Sjögren-Syndrom?

Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig erforscht. Wissenschaftler gehen von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus:

Genetische Veranlagung: Bestimmte Gene erhöhen das Erkrankungsrisiko. Viele Betroffene haben Verwandte mit anderen rheumatischen Erkrankungen.

Umweltfaktoren: Verschiedene Auslöser können die Erkrankung triggern:

  • Virusinfektionen (z.B. Hepatitis-C-Virus)
  • Bakterielle Infektionen (z.B. Helicobacter pylori)
  • Hormonelle Veränderungen
  • Anhaltender Stress

Autoimmunreaktion: Das Immunsystem produziert Antikörper gegen körpereigenes Gewebe. Bei Sjögren-Patienten sind dies hauptsächlich Anti-Ro/SSA- und Anti-La/SSB-Antikörper.

Diagnose: frühe Erkennung – frühe Therapie

Die Diagnose des Sjögren-Syndroms ist komplex, da die Symptome auch andere Ursachen haben können. Leider vergehen oft Jahre bis zur korrekten Diagnose – in den USA durchschnittlich drei Jahre ab den ersten Symptomen.

Diagnoseschritte:

1. Ausführliche Anamnese: Ihr Arzt erfragt detailliert Ihre Beschwerden und mögliche Vorerkrankungen.

2. Funktionstests:

  • Schirmer-Test: Messung der Tränenproduktion mit Filterpapierstreifen
  • Saxon-Test: Bestimmung der Speichelmenge durch Kauen auf einer Mullkompresse

3. Bildgebende Verfahren:

  • Ultraschall der Speicheldrüsen: Sehr aussagekräftig mit 69% Sensitivität und 92% Spezifität
  • Szintigraphie, Sialographie oder Kernspintomographie: Bei Bedarf

4. Laboruntersuchungen:

  • Nachweis spezifischer Antikörper (Anti-Ro/SSA, Anti-La/SSB)
  • Rheumafaktor
  • Entzündungsparameter

5. Gewebeprobe (Lippenbiopsie): Entnahme kleiner Speicheldrüsen aus der Lippeninnenseite zur mikroskopischen Untersuchung

Neue Klassifikationskriterien des Sjögren Syndroms

Seit 2016 gelten die ACR/EULAR-Klassifikationskriterien als Standard für die Diagnose des primären Sjögren-Syndroms. Diese berücksichtigen sowohl objektive Messungen als auch Laborwerte.

Behandlung: Was hilft bei Sjögren-Syndrom?

Das Sjögren-Syndrom ist derzeit nicht heilbar, aber die Beschwerden lassen sich deutlich lindern. Die Therapie richtet sich nach der Schwere der Symptome und eventuellen Organmanifestationen.

Lokale Behandlung der Mundtrockenheit:

Speichelersatzmittel: Künstlicher Speichel in Form von Sprays, Gels oder Lutschtabletten lindert akute Beschwerden.

Speichelstimulation:

  • Pilocarpin: Medikament zur Anregung der Speichelproduktion
  • Zuckerfreie Kaugummis: Mechanische Stimulation der Drüsen
  • Ausreichend trinken: Große Mengen auf einmal, nicht häufige kleine Schlucke

pH-neutrale Mundgels: Diese speziellen Gels helfen, den pH-Wert im Mund auszugleichen und die Mundschleimhaut zu befeuchten.

Systemische Therapie:

Bei schweren Verläufen:

  • Kortison zur Immunsuppression
  • Immunmodulierende Medikamente (Methotrexat, Hydroxychloroquin)
  • Biologika bei schweren systemischen Manifestationen

Bei Begleitbeschwerden:

  • Entzündungshemmende Schmerzmittel bei Gelenkbeschwerden
  • Tränenersatzpräparate für die Augen

Parodontitis-spezifische Behandlung:

Bei Zahnfleischentzündungen kann niedrig dosiertes Doxycyclin (50mg) eingesetzt werden, das sowohl antibakterielle als auch entzündungshemmende Eigenschaften besitzt.

Zahnärztliche Betreuung: Besonders wichtig bei Morbus Sjögren

Nur ein Drittel der Sjögren-Patienten informiert den Zahnarzt über die Diagnose – ein gefährlicher Fehler! Ihr Zahnarzt muss über die Erkrankung Bescheid wissen, um Sie optimal betreuen zu können.

Intensive Prophylaxe:

Topische Fluoride: Hochkonzentrierte Fluoridgels oder -lacke stärken den Zahnschmelz und beugen Karies vor.

Professionelle Zahnreinigung: Häufigere Termine (alle 3-4 Monate) sind oft notwendig.

Zahnversiegelungen: Schutz der Kauflächen vor Karies.

Häusliche Mundpflege:

  • Fluoridhaltige Zahnpasta verwenden
  • Mundspülungen mit antibakterieller Wirkung
  • Interdentalbürsten oder Zahnseide täglich
  • Elektrische Zahnbürste mit weichen Borsten

Regelmäßige Kontrollen:

  • Zahnärztliche Untersuchungen alle 3-4 Monate
  • Früherkennung von Karies und Zahnfleischproblemen
  • Anpassung der Prophylaxe-Maßnahmen

Gesundheitsrisiken durch Parodontitis bei Sjögren-Syndrom

Wer sich bei vorliegender Erkrankung nicht besonders um seine Mundgesundheit kümmert, riskiert nicht nur die Zähne, sondern die gesamte Gesundheit. Durch die Mundtrockenheit entstehen schnell Zahnfleischentzündungen und Parodontitis.

Eine unbehandelte Parodontitis kann schwerwiegende Folgen haben:

  • Herzinfarkt: Erhöhtes Risiko durch chronische Entzündungen
  • Schlaganfall: Bakterien können ins Gehirn gelangen
  • Lungenentzündung: Aspiration von Bakterien
  • Diabetes-Verschlechterung: Wechselwirkung zwischen Parodontitis und Blutzucker
  • Schwangerschaftskomplikationen: Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht

Neue Forschungserkenntnisse und Hoffnung

Die Forschung zum Sjögren-Syndrom entwickelt sich rasant weiter. 2024 identifizierten Wissenschaftler mittels Clusteranalyse drei neue Subgruppen der Erkrankung, die sich in Krankheitsverlauf und Prognose unterscheiden. Diese Erkenntnisse könnten zu gezielteren Therapien führen.

Vielversprechende Therapieansätze:

  • Neue immunmodulierende Medikamente
  • Gentherapie-Ansätze
  • Regenerative Medizin für geschädigte Drüsen
  • Verbesserte Speichelersatzstoffe

Prognose: Wie ist die Lebenserwartung?

In den meisten Fällen verläuft die Krankheit mild, und die Beschwerden können durch angepasstes Verhalten und Medikamente gelindert werden. Menschen mit Sjögren-Syndrom haben grundsätzlich eine normale Lebenserwartung.

Wichtige Aspekte:

  • Lymphomrisiko: Erhöht, aber nur 4-8% der Patienten betroffen
  • Regelmäßige Kontrollen: Wichtig zur Früherkennung von Komplikationen
  • Lebensqualität: Kann durch gezielte Behandlung deutlich verbessert werden

Praktische Tipps für den Alltag

Mundpflege optimieren:

  • Fluoridhaltige Zahnpasta morgens und abends
  • Nach jeder Mahlzeit den Mund mit Wasser ausspülen
  • Zuckerfreie Kaugummis oder Bonbons zur Speichelstimulation
  • Wasserflasche immer griffbereit haben

Ernährung anpassen:

  • Zuckerhaltige Getränke und Snacks meiden
  • Weiche, feuchte Speisen bevorzugen
  • Scharfe oder saure Lebensmittel können brennen
  • Alkohol und Nikotin verschlimmern die Trockenheit

Lebensumfeld optimieren:

  • Luftfeuchtigkeit erhöhen (40-60%)
  • Klimaanlagen und trockene Heizungsluft meiden
  • Bei Wind Schutzbrille tragen
  • Ausreichend schlafen und Stress reduzieren

implantate.com-Fazit:

Frühe Diagnose und konsequente Betreuung sind entscheidend: Das Sjögren-Syndrom ist eine ernst zu nehmende Autoimmunerkrankung, die ohne angemessene Behandlung zu erheblichen Problemen führen kann. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Diagnose und konsequenter Betreuung lassen sich die meisten Beschwerden gut kontrollieren.

Besonders wichtig:

  • Bei anhaltender Mundtrockenheit und trockenen Augen frühzeitig zum Arzt
  • Zahnarzt über die Diagnose informieren
  • Intensive Mundhygiene und regelmäßige Prophylaxe evtl.. PZR (professionelle Zahnreinigung)
  • Medikamente konsequent einnehmen
  • Regelmäßige Kontrolltermine wahrnehmen

Eine sorgfältige Zahnpflege und regelmäßige Zahnarztbesuche sind für den Zahnerhalt und die Allgemeingesundheit bei Sjögren-Syndrom unabdingbar. Mit der richtigen Betreuung können Sie trotz der Erkrankung gesunde Zähne bis ins hohe Alter behalten.

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Letzte Aktualisierung am Freitag, 08. August 2025