Melkersson-Rosenthal-Syndrom: Gesichtslähmung, Lippenschwellung, Faltenzunge
Das Melkersson-Rosenthal-Syndrom (MRS) ist eine seltene, chronisch-entzündliche Erkrankung aus der Gruppe der orofazialen Granulomatosen. Die Ursache ist unbekannt, verschiedene Auslöser wie Autoimmunprozesse oder genetische Faktoren werden vermutet. Charakteristisch ist das schubweise Auftreten typischer Symptome im Gesichts- und Mundbereich, wobei nicht immer alle Symptome gleichzeitig vorliegen. Besonders in Deutschland ist die Erkrankung nur selten Gegenstand von epidemiologischen Studien.
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Die Prävalenz wird mit ca. 1 Fall auf 100.000 Menschen geschätzt und betrifft Männer und Frauen ähnlich hoch, wobei in einigen Studien Frauen häufiger betroffen waren
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Häufigkeit der Mundprobleme: Fast alle Patienten zeigen im Verlauf Schwellungen, Wunden oder Veränderungen der Mundschleimhaut, Lippen und Zunge.
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Bedeutung für Zahnmedizin/Implantologie: MRS kann das Zahnfleisch und die Mundschleimhaut beeinträchtigen, was die Planung von Zahnersatz und Implantationen beeinflusst.
Typische Entzündungen im Mund
Die Mehrzahl der Betroffenen zeigt während des Erkrankungsverlaufs ausgeprägte Lippenschwellungen, Wunden und Veränderungen der Mundschleimhaut. Belastbare epidemiologische Daten fehlen, Fallserien zeigen jedoch, dass orale Symptome oft das erste Krankheitszeichen sind und eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung spielen.
Das sind die typischen Merkmale:
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Lippen: Schwellungen einer oder beider Lippen (Cheilitis granulomatosa), oft eindrückbar, chronisch, manchmal mit schmerzhaften Einrissen.
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Zunge: Typische „Faltenzunge“ mit zentraler Längsfurche; weitere Einkerbungen und Risse möglich.
- Rezidivierende Gesichtslähmungen (periphere Fazialisparesen)
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Mundschleimhaut: Starke Rötung, aphtenähnliche Wunden, Ulzerationen, Schwellungen, ggf. Zahnfleischwucherungen oder -geschwüre.
Frühwarnzeichen des Melkersson-Rosenthal-Syndroms
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Plötzlich einsetzende Gesichtslähmung (häufig einseitig, nicht nur der Mundwinkel ist betroffen, sondern auch Augenlider und Stirn)
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Geschmackstörungen, Lähmung oder Missempfindungen im Gesicht können ersten Hinweis auf MRS geben.
Alle Krankheitszeichen bei Melkersson-Rosenthal-Syndrom betreffen den Kopf
Neben den typischen Veränderungen im Mund sind weitere Organe und Nervensysteme betroffen. Besonders ist die schubweise Ausprägung, bei der Beschwerden kommen und gehen.
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Das klassische MRS wird durch die Kombination dreier Hauptsymptome definiert, die jedoch nur bei etwa 25% der Patienten vollständig auftreten:
Die klassische Trias (ist selten volllständig vorhanen) :
- Cheilitis granulomatosa (persistierende Lippenschwellung)
- Lingua plicata (Faltenzunge)
- Rezidivierende periphere Fazialisparese (wiederkehrende Gesichtslähmung)
Weitere typische Symptome:
- Gesichtslähmung: Tritt bei 10-30% der Fälle auf, meist einseitig und oft reversibel
- Schwellungen: Können Gesicht, Wangen, Gaumen und Kieferbereich betreffen
- Neurologische Symptome: Kopfschmerzen, Sensibilitätsstörungen, selten Hörstörungen
- Lymphknotenschwellungen: Besonders zervikal und submandibulär
Verlaufsvariabilität:
- Manifestation meist im jungen Erwachsenenalter (20-40 Jahre)
- Oligosymptomatische Verläufe sind häufiger als die Vollausprägung
- Schubweiser Verlauf mit unterschiedlich langen Remissionsphasen
Verhältnis Allgemeinzeichen zu Mundproblemen:
Den Erkrankungszeichen im Mundraum gehen oft andere Symptome voraus. Manchmal ist die MRS assoziiert mit anderen Grunderkrankungen wie Morbus Crohn oder Sarkoidose. Diese sollten beii der Diagnosestellung mit abgeklärt werden.
Die Diagnose MRS fällt aufgrund der typischen Symptome nicht schwer
Die Diagnosestellung des Melkersson-Rosenthal-Syndroms erfolgt in der Regel nach Ausschluss anderer Ursachen und anhand typischer Befunde. Da alle Symptome auch bei anderen Krankheiten auftreten können, ist eine histopathologische Sicherung ist oft erforderlich..
Die Diagnosestellung erfolgt primär klinisch, da spezifische Laborparameter fehlen.
Diagnostische Schritte:
- Anamnese: Erfassung der charakteristischen Symptomtrias und des schubweisen Verlaufs
- Klinische Untersuchung: Detaillierte Inspektion von Lippen, Mundschleimhaut und Zunge
- Histopathologie: Biopsie aus betroffenen Arealen zeigt nicht-verkäsende epitheloidzellige Granulome mit Lymphozyteninfiltration und Fibrose
- Bildgebung: MRT bei neurologischen Symptomen zum Ausschluss anderer Ursachen
- Labordiagnostik: Ausschluss systemischer Erkrankungen (Sarkoidose, Morbus Crohn)
Stellenwert der oralen Diagnostik: Mundschleimhautbiopsien sind oft diagnostisch wegweisend, da orale Manifestationen früh auftreten. Die histologische Untersuchung sollte bei persistierenden Schleimhautveränderungen erfolgen.
Differentialdiagnosen
Beschwerden wie Schwellungen, Ulzerationen und Gesichtslähmung können bei vielen anderen Krankheitsbildern auftreten. Die folgenden Differenzialdiagnosen sind besonders relevant:
Erkrankung | Abgrenzungskriterien |
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Sarkoidose | Systemische Manifestationen (Lunge, Augen), erhöhtes ACE, Hiluslymphome |
Morbus Crohn | Gastrointestinale Symptomatik, lineare Schleimhautulzera |
Allergisches Kontaktekzem, Fremdkörperreaktion | Anamnestisch Allergenexposition, schnelle Rückbildung bei Karenz oder Fremdkörperentfernung |
Hereditäres Angioödem | Akuter Beginn, oft allergische Genese, rasche Rückbildung |
Orofaziale Granulomatose | Oberbegriff, umfasst MRS als Unterform |
Cheilitis granulomatosa (Miescher) | Isolierte Lippenschwellung ohne weitere MRS-Zeichen |
Behandlung und Prognose des MRS
Therapie und Prognose des Melkersson-Rosenthal-Syndroms
Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Behandlung erfolgt symptomorientiert und richtet sich nach dem Schweregrad der Manifestationen.
Therapeutische Optionen:
- Topische Kortikoide: Erste Wahl bei milden Schleimhautläsionen
- Intralesionale Kortikosteroid-Injektionen: Bei lokalisierten Lippenschwellungen (Triamcinolon 10-40 mg)
- Systemische Kortikoide: Bei ausgeprägten Schüben (Prednisolon 0,5-1 mg/kg KG)
- Immunsuppressiva: Methotrexat, Azathioprin bei therapierefraktären Fällen
- Topisches Tacrolimus: Alternative bei Kortikosteroid-Unverträglichkeit
- Unterstützende Maßnahmen: Mundspülungen, lokale Schmerztherapie
- Bei schwerem Verlauf ohne Rückbildungstendenz sind plastisch-rekonstruktive Maßnahmen der Lippenveränderungen möglich
Besonderheiten bei rein oraler Manifestation: Eine systemische Therapie ist meist nur bei erheblicher Funktionsbeeinträchtigung oder kosmetischer Belastung erforderlich. Topische Behandlungen stehen im Vordergrund.
Prognosehinweise:
- Spontane Remissionen sind möglich, vollständige Heilungen selten
- Chronisch-rezidivierender Verlauf ist typisch
- Die Lebensqualität kann durch konsequente Therapie meist gut erhalten werden
- Maligne Entartung ist nicht beschrieben
Empfehlungen für Patienten:
- Regelmäßige zahnärztliche und dermatologische Kontrollen
- Bei neuen Schwellungen oder Läsionen zeitnahe Vorstellung
- Vermeidung mechanischer Reizungen der betroffenen Bereiche
Bedeutung des Melkersson-Rosenthal-Syndrom für zahnärztliche Behandlungen und Zahnimplantate
Das Melkersson-Rosenthal-Syndrom kann die Mundschleimhaut, das Zahnfleisch und die Lippen dauerhaft verändern, was bei zahnchirurgischen Behandlungen mit einer schlechteren Heilung einhergehen kann. Chronische Schwellungen und entzündliche Schleimhautverhältnisse erschweren damit auch den langfristigen Erfolg von Zahnimplantaten. Die aktuelle Studienlage weist auf ein erhöhtes Komplikationsrisiko hin. Stabile Entzündungsverhältnisse scheinen eine Grundvoraussetzung zu sein, akute Schübe gelten als Kontraindikation. Implantate sind möglich, wenn die Erkrankung gut kontrolliert ist; es gibt aber bislang keine Langzeitstudien zum Implantaterfolg bei MRS, sondern nur Einzelberichte und Expertenmeinungen
Implantologische Überlegungen:
- Grundsätzliche Machbarkeit: Implantate sind bei stabilem Krankheitsverlauf möglich
- Voraussetzungen: Entzündungsfreie Phase, optimale Mundhygiene, stabile systemische Therapie
- Erhöhtes Risiko: Periimplantitis, verzögerte Osseointegration, Implantatverlust
- Kontraindikationen: Akute Schübe, ausgedehnte Schleimhautulzerationen, unkontrollierte Grunderkrankung
Was geht – was geht nicht bei zahnärztlichen Eingriffen:
- Möglich: Konventioneller Zahnersatz, Implantate bei stabiler Remission
- Eingeschränkt: Umfangreiche chirurgische Eingriffe während Schubphasen
- Kontraindiziert: Elektive Eingriffe bei aktiver Schleimhautentzündung
Neuere Studien zeigen einen möglichen Zusammenhang zwischen Cheilitis granulomatosa und odontogenen Infektionsherden. Eine zahnärztliche Abklärung und Sanierung muss als Teil der Diagnostik und Therapie diskutiert werden.
implantate.com-Fazit
Das Melkersson-Rosenthal-Syndrom zeigt in über 95% der Fälle frühe Veränderungen im Mund, die als wichtiges Frühwarnzeichen gelten. Eine ursächliche Heilung ist nicht möglich; Ziel ist die symptomatische Kontrolle durch antiinflammatorische Therapien. Zahnimplantate sind grundsätzlich möglich, erfordern jedoch eine stabile Remissionsphase und interdisziplinäre Betreuung. Akute Entzündungsschübe stellen eine relative Kontraindikation für elektive zahnchirurgische Eingriffe dar.
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