RKI-Hygiene-Richtlinie zwingt zu Investitionen in die Zahnarztpraxis

Die neue Hygiene-Richtlinie des Robert Koch-Instituts hat
einschneidende Auswirkungen auf jede Zahnarztpraxis. Arbeitsaufwand und
Investitionen werden sich nach Aussage von Christian Berger, Präsident
des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa
(BDIZ EDI), im Bereich der Hygiene deutlich steigern.
Wenige Tage nach dem Erscheinen der Richtlinie veranstaltete der BDIZ
EDI am 3. Februar 2006 in der Düsseldorfer Universität ein Symposium
mit Vertretern von Kammer, Robert Koch-Institut und Dentalindustrie.
Ziel war es, die Zahnärzte und insbesondere die implantologisch tätigen
Zahnärzte, deren Erfolge auf Hygiene und Sterilisation beruhen,
frühzeitig auf die Neuerungen hinzuweisen

Weit über 100 Teilnehmer aus ganz Deutschland waren gekommen, um zu
erfahren, wie die Experten die 25-Seiten starke Empfehlung zur
Infektionsprävention in der Zahnheilkunde bewerten. Allein die
Tatsache, dass sich der Text auf 25 Seiten vervielfacht hat, lässt die
Komplexität der neuen Hygiene-Richtlinie für die Zahnarztpraxen
erahnen. Insbesondere die Aufbereitung von Medizinprodukten wird die
Zahnärzte vor ungewohnte Herausforderungen stellen. Um den
Infektionsschutz von Patienten und Personal zu optimieren, gelten
künftig strengere Vorgaben für Geräte (Sterilisation und Desinfektion),
Dokumentation (Validierung der Prozesse, Sterilgutverpackungen) und
zahnärztliche Materialien.

BDIZ EDI-Präsident Christian Berger gewann der Richtlinie aber auch
positive Aspekte ab. Mit ihr bleiben den Zahnärzten die noch wesentlich
strengeren Reglementierungen für Kliniken oder Ambulantes Operieren
erspart. Auf Intervention der zahnärztlichen Vertreter hatte die
Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention die
Richtlinien speziell auf die Zahnheilkunde abgestimmt – und nicht, wie
im Vorfeld befürchtet worden war, die weitaus strengeren Richtlinien
für Krankenhaushygiene angewandt: „Es ist ein deutlicher Unterschied,
ob ein operativer Eingriff in einem Krankenhaus oder in einer
Zahnarztpraxis erfolgt.“ Anders als befürchtet, müssen Arbeits- und
Hygienebereich nicht in verschiedenen Räumen eingerichtet werden.
Allerdings müssen die Bereiche voneinander getrennt werden.

• Keine wesentlichen Änderungen gibt es im Umgang mit Medizinprodukten
im „kritischen Bereich“, der bisher schon unter strengen Anforderungen
stand
• Deutlich umfangreicher als bisher und aufwendig ist der Umgang mit semi-kritischen Medizinprodukten beschrieben.
• Sterilisatoren müssen nunmehr validiert werden, eine Vorgabe, die
nicht nur manche Praxen, sondern auch manche Hersteller derzeit vor
Probleme stellt
• Manche Reinigungs- und Desinfektionsgeräte sind nach Inkrafttreten
der Richtlinie nur noch als Reinigungsgeräte nutzbar und erfüllen die
hohen technischen Anforderungen nach Desinfektion nicht mehr.

Prof. Dr. Jürgen Becker von der Universität Düsseldorf berichtete aus
dem RKI über Vorgeschichte und Entstehung der Richtlinie, nicht zuletzt
über zahlreiche heftige interne zahnärztliche Diskussionen im Vorfeld.
Wann alle Vorgaben in den Praxen umgesetzt sein müssten, sei bisher
noch nicht klar. Hier liege eine große Aufgabe bei den Kammern und der
jeweiligen Landesregierung, entsprechende sinnvolle Umsetzungsvorgaben
zu entwickeln, dazu gehörten auch Übergangslösungen für Altgeräte.

Dr. Michael Rottner, Referent für Praxisführung und Medizinprodukte der
Bayerischen Landeszahnärztekammer, hält längst nicht alles für
sinnvoll, was in den RKI-Richtlinien vorgegeben ist. Manches sei sogar
widersinnig und würde unnötige Kosten in den Praxen verursachen.
Kritisch sah er die Bewertung, apparative Hygieneverfahren seien der
manuellen Aufbereitung vorzuziehen: „Nur weil da was blinkt heißt das
ja noch nicht, dass das Ergebnis auch tatsächlich besser ist!“

Seitens der Dentalindustrie gab es Information z. B. zu Reinigung,
Desinfektion und Pflege von Hand- und Winkelstücken: „Lassen Sie Ihr
Team am besten vom Hersteller schulen, dann sind Sie auf der sicheren
Seite, was Sterilisation und Wartung der Übertragungsinstrumente
betrifft“, riet Dieter Köbel (W&H). Dem Thema Validierung widmete
sich Christoph Sandow (Melag). „Validierung bedeutet Bewertung der
Leistungsfähigkeit eines reproduzierbarenVerfahrens“, definierte er.
Ähnlich wie Dr. Rottner äußerte er Zweifel an manchen Zielen der
Hygiene-Richtlinie. „Da soll nach Kauf überprüft werden, ob das soeben
gelieferte Gerät auch tut was es soll – das ist schon merkwürdig.“ Auch
für die Hersteller gibt es im Übrigen neue Vorgaben. Sie müssen die
Anwender künftig ausführlich informieren, welche Produkte mit dem Gerät
sterilisiert werden können. Auch bei der Lebensdauer der Sterilisatoren
müssten die Zahnärzte umdenken. Die Zeiten, in denen ein Sterilisator
10 bis 15 Jahre ohne größere Wartung betrieben werden konnte, seien
vorbei.

Dass die neuen Richtlinien für den Patientenschutz entwickelt wurden,
machte Prof. Becker mit dem Hinweis auf die zum Teil drastisch
gestiegenen Zahlen an kritischen Hepatitiden deutlich. BDIZ
EDI-Präsident Christian Berger hatte mit Blick auf die
EU-Gesundheitspolitik zuvor die rechtliche Seite beleuchtet. Bei den
Empfehlungen handele es sich zwar nicht um ein Gesetz, aber um eine
gesetzesähnliche Empfehlung: Wer von dieser Richtlinie abweicht, muss
das schon sehr gut begründen können.“

Die Veranstaltung des BDIZ EDI soll wiederholt werden. Der BDIZ EDI
wird rechtzeitig über seine Internetseite www.bdizedi.org informieren.

Letzte Aktualisierung am Montag, 29. November 1999