Heraeus bringt Implantat ohne Verschraubung auf den Markt

Bei der Frage nach dem besten Zahnersatz lautet die Antwort immer
häufiger "Zahnimplantat". Doch Implantat ist nicht gleich Implantat.
Über einhundert verschiedene Systeme sind derzeit auf dem Markt zu
haben. Eines ist jedoch fast allen gemeinsam: Sie benutzen
Verschraubungsmechanismen. Eine vollkommen neue Implantattechnik wird
dieses Jahr von der Industrie- und Handelskammer Braunschweig mit dem
Technologietransferpreis ausgezeichnet. Professor Manfred Peters von
der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt hat das System gemeinsam mit
Mitarbeitern des Universitätsklinikums Aachen und der Firma Heraeus
bereits bis zur Marktreife entwickelt. Der Clou der neuen Technik: Sie
kommt, im Gegensatz zu allen anderen Produkten, ohne jede Verschraubung
aus.

Unter dem Produktnamen "IQ:Nect" wird Heraeus das Implantatsystem im
Jahr 2006 in Deutschland einführen, nachdem mehrere Millionen Euro in
die Entwicklungs- und Testphase investiert worden sind. In einer
Langzeitstudie wurden bis jetzt insgesamt 150 Patienten mit knapp 500
Implantaten versorgt – mit überzeugenden Ergebnissen. "Das
Implantatsystem", so Heraeus in einem Schreiben an die IHK, "ist ein
hervorragendes Beispiel für Technologietransfer und eng verzahnte
Projektarbeit, in der Expertenwissen aus Wissenschaft, Klinik und der
Praxis optimal kombiniert wurden." Und auch die Marktanalyse ist für
Heraeus klar – eine Revolution des weltweiten Implantatmarktes wird
angepeilt.

Und die Situation vor der angekündigten Revolution? Seit mehreren
Jahrzehnten werden zunehmend Zahnimplantate als Zahnersatz eingesetzt.
Die bisherigen Systeme bestehen überwiegend aus einer Vielzahl von
Komponenten – vom Abdruckpfosten über Schrauben und Aufbauteile bis hin
zum Implantat selbst. Wesentliches Kennzeichen ist dabei meistens ein
Verschraubungsmechanismus und die Vielzahl an möglichen Einzelteilen
für alle denkbaren geometrischen Schiefstellungen und Anpassungen im
Kieferbereich.

Der fertige Zahnersatz besteht daher schlussendlich meistens aus
mehrfach miteinander verschraubten bzw. verspannten Einzelteilen. Durch
diese Verschraubungstechnik können schnell erhöhte Spannungszustände
auftreten und so das Implantatsystem schädigen. Und auch vom Arzt
selbst ist äußerste Filigranarbeit gefragt: Er muss aus einer Vielzahl
von kleinsten Einzelteilen die optimalen aussuchen und diese dann auch
optimal verschrauben – leicht falsche Anzugsmomente beim Einsetzen
badet der Patient aus.

Das jetzt prämierte Zahnimplantatsystem umgeht diese Schwierigkeiten,
indem es keinerlei innere Verschraubungen benötigt, sondern auf einen
Clipmechanismus und eine neuartige Verbindungstechnologie über chemisch
ausgehärtete Sprengringe setzt. Innere Spannungen treten bei diesem
Zahnersatz nicht mehr auf. Und: Die Handhabung des Systems ist –
präzise gefertigte Systemteile vorausgesetzt – deutlich einfacher, so
dass Fehlermöglichkeiten für Zahnarzt und Zahntechniker auf ein Minimum
reduziert werden.

Auf die Zahntechnik stieß Manfred Peters, von Haus aus Physiker und
Festköpermechaniker in der PTB, bereits Anfang der 1990er Jahre – im
Zusammenhang mit einigen Doktorarbeiten, in denen das
Spannungsverhalten von Zahnimplantaten unter mechanischer Belastung
untersucht werden sollte. Was damals als "Beratung" von Doktoranden
begann, wurde für Peters zu einer "Knobel-Aufgabe", die ihn jahrelang
nicht losließ und schließlich auf die grundlegende Idee brachte: Wer
die üblichen Implantatprobleme vermeiden will, muss sich vom
Verschraubungsprinzip lösen. Warum nicht stecken und klemmen statt
schrauben? Um weiterhin die notwendigen, hohen Festigkeiten zu
erzielen, entwickelte er eine neuartige Verbindungstechnologie über
chemisch ausgehärtete Sprengringe.

Mit dieser Idee war der entscheidende Durchbruch geschafft und der Weg
frei, der schließlich zur Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum
Aachen, zur Kooperation mit der Firma Heraeus und jetzt zum
Technologietransferpreis führte.

Technologietransfer an der PTB
Als weltweit einziges Institut mit einer Abteilung für Metrologie in
der Medizin hält die PTB eine Reihe internationaler Patente. Eine auf
automatisierter Diagnose beruhende EKG-Verlaufskontrolle für die
Telemedizin erlaubt die Patientenüberwachung im häuslichen Umfeld. Im
Bereich des Schlaganfallmonitoring, der Schlaganfall ist die
dritthäufigste Todesursache in Deutschland, kann PTB-Lasertechnik die
wesentlich aufwendigere Kernspintomografie sinnvoll ergänzen. Neue
Impulsfolgen in der Kernspintomographie erhöhen den Bildkontrast.
Patentinformationen sind auch direkt vom PTB-Beauftragten für den
Technologietransfer erhältlich.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.

Letzte Aktualisierung am Montag, 29. November 1999