Wien. (chk/apa) Eigentlich müsste den meisten Österreichern ein
Sparbuch in die Wiege gelegt werden, auf das in der Folge fleißig
einzuzahlen und das zweckgebunden für den späteren Zahnersatz ist. Denn
mehr als drei Viertel aller Erwachsenen haben bereits einen oder
mehrere ihrer zweiten Zähne verloren.
"Zahnlücken sollten sofort behandelt werden", erklärt Michael Truppe,
Zahnarzt und Leiter des Karl Landsteiner Instituts für Biotelematik,
"denn sie führen auch zu einer falschen Belastung des Kieferknochens,
die langfristig einen Kieferknochenabbau bewirkt. Hat dieser bereits
eingesetzt, ist der Aufwand für das Schließen der Lücke erheblich
größer."
Im Hinblick auf die zahlreichen Probleme, die bisher noch jeder
Zahnersatz – Brücke oder Prothese – mit sich bringt, setzt die moderne
Zahnmedizin verstärkt auf Implantate. Ein Implantat – seien es
Einzelzähne oder eine implantatgetragene Prothese – stellt zwar die
aufwändigste, dafür aber auch die sicherste und langfristigste
Zahnersatzlösung dar. Einzelzähne oder eine Prothese werden mittels
einer kleinen, im Kieferknochen verankerten Schraube aus Titan
dauerhaft fixiert. Während der Einheilzeit überbrückt ein Provisorium
die Zahnlücke. Doch nicht nur bezüglich Ästhetik und Funktion sind
Zahnimplantate überlegen. Sie unterstützen auch den darunter liegenden
natürlichen Knochen und verhindern so dessen Abbau. Und angesichts
einer Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren sind Implantate unbestritten die
beste, aktuell erhältliche Zahnersatzlösung.
Allerdings glauben ältere Menschen oft, dass sich das bei ihnen "ja
nicht mehr auszahlt". Allerdings: Zumindest 45 Prozent all jener, die
schließlich eine Vollprothese erhalten, tolerieren den oft
"klappernden" Ersatz nicht. Hier gibt es nunmehr die Alternative mit
Implantaten auch für hoch betagte Personen, betonten am Mittwoch
Experten der Wiener Akademie für orale Implantologie.
Das Prinzip: Für die Vollprothese an einem Kiefer werden vier bis sechs
Implantate gesetzt. Entweder sofort oder auch nach einigen Monaten
Wartefrist kommt es dann zur Versorgung mit einer fixen Prothese. "Bei
vier Implantaten und einer titanbasierten und kunststoffverblendeten
Prothese kommt das auf rund 13.000 Euro", sagte Rudolf Fürhauser, an
der Akademie für den eigentlichen Zahnersatz zuständig.
Hohe Erfolgsrate
Die Erfolgsraten mit den Implantaten als Ankerpunkte haben sich in den
letzten Jahren wesentlich erhöht. "Wir hatten bei 442 Implantaten im
Oberkiefer nur sieben Verluste. Das sind 1,6 Prozent", sagte
Zahnchirurg Robert Haas.
Freilich, Betagte und hoch Betagte, speziell Frauen, leiden oft an
Knochenschwund. Während man der Osteoporose früher bei
zahnchirurgischen Eingriffen keine Bedeutung zumaß, hat sich dieses
Bild gewandelt. Unter anderem durch Arbeiten mit künstlich
osteoporotisch gemachten Schafen konnte der Wiener Biotechnologe
Reinhard Gruber von der Universitäts-Zahnklinik zeigen, dass es bei
krankhaftem Knochenschwund auch im Kieferknochen zu einem Abbau der
Außenschicht sowie der Stützbälkchen im Inneren kommt.
Dem wird bei Senioren in der Zahn-Implantologie mittlerweile
erfolgreich Rechnung getragen: möglichst kurze und nicht traumatische
Eingriffe, spezielles Design der Schrauben etc. Damit liegt die
Erfolgsrate nach 34 Monaten pro Implantat bei Männern im höheren Alter
bei 99,2 und bei Frauen bei 97,9 Prozent.
Wie bei einer 88-Jährigen Wienerin bei einer Live-Operation gezeigt
wurde, dauert der Eingriff nur noch rund zehn Minuten. Die Frau konnte
unmittelbar danach schon wieder sprechen. Eine andere betagte Patientin
hatte wegen ihrer traditionellen Vollprothese mit psychischden
Problemen gar ins Krankenhaus aufgenommen werden müssen. Das Urteil
nach der Implantat-Versorgung samt fest sitzender Prothese: "Kein
Vergleich."
Die Krankenkassen zahlen, wenn überhaupt, allerdings nur einen gewissen
Teil, sind aber laut den Fachleuten "bereits gesprächsbereit". Infolge
der demografischen Entwicklung wird der Bedarf an Implantologie immer
mehr ansteigen. "Unverständlich", so Zahnchirurg Georg Mailath-Pokorny
von der Akademie, "dass die Gesellschaft bereit ist, Katarakt- oder
Hüftgelenksoperationen zu zahlen, die Zahn-Implantate aber nicht. Ich
habe das Gefühl, man versucht die Zahnärzte zu Friseuren zu machen. Der
Mund ist aber ein menschliches Körperorgan."