Mit maßgeschneiderten Waffen gegen Karies


Amerikanischen Wissenschaftlern ist ein empfindlicher Schlag gegen
Karies gelungen: Sie haben eine Gruppe von Wirkstoffen entwickelt, die
die schädlichen Bakterien selbstständig aufspüren und sie so gezielt
abtöten können, dass die restliche Mundflora völlig intakt bleibt. Die
neuen Substanzen bestehen aus einem Signalmolekül, das der
Zielerfassung dient, und einem kurzen Eiweißfragment als eigentlicher
Waffe. In ersten Tests im Labor benötigten die STAMPs genannten
Wirkstoffe lediglich eine halbe Minute, um die Karieserreger aus einer
Mischung von mehreren hundert Bakterienvarianten vollständig zu
eliminieren.

Die Idee, ein Erkennungsmolekül mit einer maßgeschneiderten
durchschlagskräftigen Waffe zu kombinieren, stammt ursprünglich aus der
Krebsforschung. Anstelle der dabei zur Zielerfassung verwendeten
Antikörper mit ihrer aufwändigen Herstellung und begrenzten Haltbarkeit
wählte das Forscherteam jedoch ein kleines Signalmolekül, das
ausschließlich beim Karieserreger Streptococcus mutans vorkommt. Das
kombinierten sie mit einem antimikrobiellen Eiweißfragment, das sich
bereits zuvor als wirksam gegen S. mutans erwiesen hatte. Als die
Forscher das neu entstandene Molekül auf eine Bakterienkultur gaben,
die sie aus Speichelproben von Freiwilligen gewonnen hatten, tötete es
innerhalb von 30 Sekunden alle Karieserreger ab, ohne den anderen
Bakterien zu schaden.

Diese gezielte Bekämpfung der Kariesbakterien hat nach Angaben der
Forscher große Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Methoden, bei
denen wahllos alle Bakterien der Mundflora – gute wie schlechte –
getötet werden. Es sei wie bei einer Wiese, auf der Löwenzahn wachse:
"Wenn Sie dort alles mit einem Herbizid töten, wird der Löwenzahn als
erstes wieder auftauchen. Aber wenn Sie ein auf Löwenzahn
zugeschnittenes Gift verwenden und dann den Rasen die entstandenen
Löcher auffüllen lassen, wird der Löwenzahn nicht zurückkommen",
erklärt Seniorautor Wenyuan Shi.

Dank seiner geringen Größe von lediglich 25 Eiweißbausteinen kann der
neue Wirkstoff leicht mithilfe von automatisierten Verfahren
hergestellt werden, berichten die Forscher. Erste klinische Tests, in
denen die Substanz in Form von Zahncremes und Mundwässern verabreicht
wird, laufen bereits. In Zukunft wollen Randal Eckert und seine
Kollegen ihre Strategie außerdem verwenden, um Wirkstoffe gegen andere
schädliche Bakterien wie etwa die Erreger von Parodontitis zu
entwickeln. Dabei muss die Durchschlagskraft des antimikrobiellen Teils
genau abgepasst werden: Ist sie zu schwach, tötet sie die
krankmachenden Bakterien nicht, ist sie zu stark, bringt sie zusätzlich
auch die anderen Mikroben der Mundflora um.

Randal Eckert (Universität Kalifornien in Los Angeles) et al.:
Antimicrobial Agents and Chemotherapy, Online-Vorabveröffentlichung vom
23. Oktober

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999