Mundtrockenheit (Xerostomie)
Zu wenig Speichel schadet Zähnen und Zahnfleisch
Jeder kennt das Gefühl eines trockenen Mundes. Es ist mehr als nur ein unangenehmes Empfinden. Mundtrockenheit – medizinisch als Xerostomie bezeichnet – entsteht, wenn Ihre Speicheldrüsen zu wenig Speichel produzieren.
Speichel ist ein wahrer Alleskönner: er schützt Ihre Zähne vor Karies, hilft beim Verdauen, bekämpft Viren und Bakterien, macht das Sprechen und Schlucken leichter und sorgt dafür, dass Sie Geschmack richtig wahrnehmen können. Ein dauerhaft trockener Mund wird daher gesundheiltliche Probleme nach sich ziehen und Ihre Lebensqualität deutlich beeinträchtigen.

Wodurch entsteht Mundtrockenheit?
Mundtrockenheit als Symptom verschiedener Grunderkrankungen
Mundtrockenheit (Xerostomie) ist keine eigenständige Diagnose, sondern ein Symptom, das durch vielfältige Grunderkrankungen verursacht werden kann. Die Ursachen reichen von harmlosen medikamentösen Nebenwirkungen bis hin zu schwerwiegenden systemischen Erkrankungen. Eine systematische Differentialdiagnostik ist essentiell, da die zugrundeliegende Pathologie oft behandelbar ist und die Xerostomie als Folgeerscheinung verschiedener Krankheitsprozesse auftritt.
Übersicht der ätiologischen Kategorien bei Mundtrockenheit
| Ätiologische Kategorie | Typische Ursachen | Charakteristische diagnostische Merkmale |
|---|---|---|
| Iatrogen-therapeutisch | Anticholinergika, Chemotherapie, Radiatio, Radioiodtherapie | Medikamentenanamnese, Therapieprotokoll, zeitlicher Zusammenhang, Dosisabhängigkeit |
| Immunologisch/Allergisch | Sjögren-Syndrom, RA, SLE, Sarkoidose, Zöliakie, TEN | Autoantikörper, lymphozytäre Infiltration, Arzneimittelreaktionen |
| Endokrin/Metabolisch | Diabetes, Schilddrüsenstörungen, Amyloidose, Hämochromatose | Hormonelle Dysregulation, Stoffwechselentgleisungen, Speicherkrankheiten |
| Infektiös | Parotitis, EBV, CMV, HIV, Herpes Zoster orofazial | Drüsenschwellung, Virusserologie, Entzündungsparameter |
| Neoplastisch | Speicheldrüsentumoren, Lymphome, Metastasen | Raumforderungen, mechanische Obstruktion, histologische Sicherung |
| Funktionell/Altersbedingt/Nutritiv | Presbysialie, BMS, Malnutrition, Angststörungen | Ausschlussdiagnose, Mangelzustände, psychosomatische Faktoren |
Iatrogen-therapeutische Ursachen
| Therapiemodalität | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Anticholinergika (Atropin, trizyklische Antidepressiva, Antihistaminika) | Blockade muskarinerger Acetylcholinrezeptoren → reduzierte Speichelproduktion | • Medikamentenanamnese<br>• Zeitlicher Zusammenhang<br>• Besserung nach Dosisreduktion/Absetzen |
| Chemotherapie (Zytostatika) | Direkte zytotoxische Wirkung auf Drüsengewebe | • Chemotherapie-Protokoll<br>• Dosisabhängige Schädigung<br>• Meist reversibel nach Therapieende |
| Radiatio Kopf-Hals | Direkte Schädigung des Speicheldrüsenparenchyms | • Strahlenanamnese (Dosis >25 Gy)<br>• Bestrahlungsfeld umfasst Speicheldrüsen<br>• Dosimetrie-Dokumentation |
| Radioiodtherapie | I-131-Aufnahme in Speicheldrüsen → Zellschädigung | • Schilddrüsenkarzinom-/Hyperthyreose-Anamnese<br>• Szintigraphische I-131-Aufnahme<br>• Dosisabhängige irreversible Schädigung |
| Diuretika (Thiazide, Schleifendiuretika) | Flüssigkeitsverlust, Elektrolytverschiebungen | • Laborwerte (Natrium, Kalium)<br>• Flüssigkeitsbilanz<br>• Nierenparameter |
Immunologische/Allergische Ursachen
Autoimmunerkrankungen
| Erkrankung | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Sjögren-Syndrom | Autoimmune Zerstörung der Speicheldrüsen durch lymphozytäre Infiltration | • Schirmer-Test <5mm/5min<br>• Anti-SSA/Ro52, Anti-SSA/Ro60, Anti-SSB/La-Antikörper<br>• Lippenbiopsie: Focus-Score ≥1<br>• Sialographie: Sialektasien |
| Rheumatoide Arthritis | Sekundäres Sjögren-Syndrom, medikamentös bedingt | • RA-Kriterien erfüllt<br>• Rheumafaktor, Anti-CCP-Antikörper<br>• Gelenkdestruktionen |
| Systemischer Lupus erythematodes | Autoimmune Multisystemerkrankung | • ANA-Titer >1:160<br>• Anti-dsDNA, Anti-Sm-Antikörper<br>• Lupus-Kriterien nach ACR/EULAR |
| Sarkoidose | Granulomatöse Multisystemerkrankung | • ACE erhöht, Lysozym erhöht<br>• Thorax-CT: Hiläre Lymphadenopathie<br>• Histologie: Epitheloidzell-Granulome |
| Zöliakie | Autoimmune Enteropathie → Malabsorption, orale Manifestationen | • Anti-tTG-IgA >10fach erhöht<br>• Anti-Endomysium-IgA positiv<br>• Dünndarmbiopsie: Marsh 3a-c<br>• Orale Aphthen, Glossitis |
Allergische Reaktionen
| Erkrankung | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Toxische epidermale Nekrolyse (TEN) | Schwere kutane Arzneimittelreaktion → Schleimhautablösung | • >30% Körperoberfläche betroffen<br>• Nikolski-Zeichen positiv<br>• Auslösende Medikamente (Antikonvulsiva, Allopurinol)<br>• Histologie: Vollschichtepidermalnekrose |
Endokrin/Metabolische Ursachen
| Erkrankung | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Diabetes mellitus | Hyperglykämie → osmotische Diurese, diabetische Neuropathie | • Nüchternglukose ≥126 mg/dl<br>• HbA1c ≥6,5%<br>• oGTT: 2h-Wert ≥200 mg/dl |
| Hypothyreose | Verminderte Stoffwechselaktivität | • TSH erhöht (>4,0 mU/l)<br>• fT4 erniedrigt (<0,8 ng/dl)<br>• Klinische Symptomatik |
| Hyperthyreose | Erhöhte Stoffwechselaktivität | • TSH supprimiert (<0,1 mU/l)<br>• fT4 und/oder fT3 erhöht<br>• Symptome: Tachykardie, Gewichtsverlust |
| Dehydratation | Flüssigkeitsmangel → reduzierte Speichelproduktion | • Serum-Osmolalität >295 mosm/kg<br>• Natrium >145 mmol/l<br>• Hautturgor reduziert |
| Elektrolytstörungen | Natrium-/Kaliumimbalance → Drüsenfunktionsstörung | • Serum-Elektrolyte außerhalb Normbereich<br>• EKG-Veränderungen<br>• Nierenparameter pathologisch |
| Amyloidose | Amyloid-Ablagerungen in Drüsengewebe, gestörter Proteinstoffwechsel | • Kongorot-Färbung positiv<br>• Biopsie: Amyloid-Nachweis<br>• Freie Leichtketten im Serum/Urin |
| Hämochromatose | Eisenablagerung → Organschädigung, gestörter Eisenstoffwechsel | • Ferritin >300 μg/l (♀) / >400 μg/l (♂)<br>• Transferrinsättigung >45%<br>• HFE-Genanalyse |
Infektiöse Ursachen
| Erreger/Lokalisation | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Parotitis (viral/bakteriell) | Akute/chronische Entzündung der Speicheldrüsen | • Drüsenschwellung<br>• Erhöhte Entzündungsparameter<br>• Bakteriologie aus Speichel |
| EBV, CMV | Virale Sialadenitis | • Virusserologie (IgM/IgG)<br>• Lymphozytose<br>• Klinische Grundsymptomatik |
| HIV-Sialadenopathie | Chronische Entzündung, opportunistische Infektionen | • HIV-Test positiv<br>• CD4-Zellzahl<br>• Zystische Speicheldrüsenveränderungen |
| Herpes Zoster orofazial | VZV-Reaktivierung im Trigeminusganglion | • Einseitige vesikuläre Effloreszenzen<br>• Dermatomale Verteilung<br>• VZV-PCR positiv<br>• Prodromale Neuralgien |
Neoplastische Ursachen
| Tumorart | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Speicheldrüsentumoren | Mechanische Obstruktion, Parenchymverdrängung | • Tastbare Raumforderung<br>• Bildgebung: Tumorverdächtige Läsion<br>• Histologische Sicherung<br>• Sialographie: Gangabbrüche |
| Lymphome (NHL, Hodgkin) | Infiltration des Drüsengewebes | • Lymphknotenschwellung<br>• LDH erhöht<br>• Histologie<br>• Staging-Untersuchungen |
| Metastasen | Hämatogene/lymphogene Absiedlung | • Primärtumor-Anamnese<br>• Bildgebung: Metastasenverdächtige Läsionen<br>• Biopsie |
Funktionell/Altersbedingte/Nutritive Ursachen
| Ursache | Pathomechanismus | Diagnostische Kriterien |
|---|---|---|
| Presbysialie | Physiologische Drüsenatrophie | • Alter >65 Jahre<br>• Ausschluss anderer Ursachen<br>• Sialometrie: Speichelfluss ↓ |
| Burning-Mouth-Syndrom | Neuropathie der Zungennerven, psychosomatische Faktoren | • Brennende Schmerzen ohne Läsionen<br>• Ausschluss organischer Ursachen<br>• Geschmackstestung pathologisch |
| Malnutrition/Vitaminmangel | Protein-/Vitaminmangel → Drüsenatrophie | • Albumin <35 g/l<br>• BMI <18,5 kg/m²<br>• Vitamin-Status pathologisch |
| Angststörungen | Sympathikotonus-Erhöhung → reduzierte Speichelproduktion | • Psychiatrische Anamnese<br>• Angstskalen pathologisch<br>• Ausschluss organischer Ursachen |
| Polypharmazie | Kumulative anticholinerge Wirkung | • >5 Medikamente gleichzeitig<br>• Anticholinerge Last-Score erhöht<br>• Drug-Drug-Interaktionen |
| Mundatmung | Mechanische Austrocknung der Mundschleimhaut | • HNO-Untersuchung<br>• Schlafmedizinische Abklärung<br>• Nächtliche Polygraphie |
Auch Rauchen und Alkohol können die Mundschleimhaut austrocknen.
Kann man die Speichelproduktion messen?
Die Techniken zum Messen der Speichelproduktion bedienen sich der grundsätzliche Idee des Sammelns von Speichel über eine bestimmte Zeitraum. Dabei kommen
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- Wiegetechnik: Speichel wird mithilfe von Kompressen gesammelt
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- mikrofluidische Geräte auf Papierbasis (μPads)
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- Speichelflussreaktionen auf verschiedene Sialoge (Speichelstimulantien)
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- Bei der Zahnrollentechnik werden absorbierende Rollen verwendet
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- und modfizierte Techniken
Welche Probleme verursacht ein trockener Mund?
Erhöhtes Kariesrisiko
Ohne ausreichend Speichel fehlt der natürliche Schutz für Ihre Zähne:
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- Speichel spült Essensreste und Bakterien weg
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- Er neutralisiert schädliche Säuren
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- Inhaltsstoffe der Speichelflüssigkeit stärken und schützen den Zahnschmelz
Zu geringe Speichelproduktion und Parodontitis
Obwohl zu wenig Speichel an sich nicht direkt mit Parodontitis in Verbindung gebracht wird, kann die Verringerung des Speichelflusses eine Milieu schaffen, die das Fortschreiten der Parodontalerkrankung begünstigt, da der Speichel nicht auf natürliche Weise gereinigt und gepuffert (im ausgeglichen Zustand gehalten) wird.
So unangenehm ist eine Xerostomie
Fehlender Speichelfluss begünstigt nicht nur Erkrankungen im Mundraum, sonder kann zu erheblicher Einschränkung der Lebensqualität führen:
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- Brennen und Schmerzen im Mund
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- Schwierigkeiten beim Schlucken und Sprechen
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- Veränderter oder verminderter Geschmack
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- Rissige, trockene Lippen
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- Verminderte Zungenbeweglichkeit
Auswirkungen von Speichelmangel auf Ihre Lebensqualität
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- Schluckbeschwerden, Probleme beim Essen und Trinken
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- Sprech- und Artikulationsstörungen können zu unangenehme Situationen im Gespräch mit anderen führen
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- Schlafstörungen durch nächtliches Aufwachen mit trockenem Mund
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- Psychische Belastung durch andauernde Beschwerden
Was können Sie gegen zu wenig Speichel tun?
Alltagstipps zur Linderung on Speichelmangel
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- Regelmäßig trinken: Nehmen Sie über den Tag verteilt kleine Schlucke Wasser
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- Speichelersatzmittel und befeuchtende Mundspülungen: speziell für trockene Münder entwickeltIn Apotheken erhältlich als Sprays, Gels oder Spülungen
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- Zuckerfreie Bonbons oder Kaugummi: regen die Speichelproduktion an
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- Raumluftbefeuchter: besonders nachts hilfreich, wenn mit offenem Mund geschlafen wird
Vermeiden Sie, was den Mund austrocknet
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- Reduzieren Sie Kaffee, schwarzen Tee und Alkohol
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- Verzichten Sie auf das Rauchen
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- Meiden Sie sehr salzige, scharfe, stark gewürzte oder trockene Speisen
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- Atmen Sie möglichst durch die Nase statt durch den Mund
Besondere Mundpflege
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- Verwenden Sie fluoridhaltige Zahnpasta für empfindliche Zähne
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- Putzen Sie Ihre Zähne besonders gründlich, aber sanft
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- Gehen Sie regelmäßig zum Zahnarzt – mindestens alle 6 Monate
- Nutzen Sie eine professionelle Zahnreinigung (PZR) zur Optimierung der Zahnpflege
Wann zum Arzt oder Zahnarzt?
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Zahnarzt über Mundtrockenheit, wenn:
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- Die Beschwerden länger als zwei Wochen anhalten
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- Sie mehrere Medikamente einnehmen
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- Sie Schluckbeschwerden haben
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- Sie unter einer chronischen Erkrankung leiden
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- Sie bemerken, dass Ihre Zähne schneller Schäden entwickeln
Behandlungsmöglichkeiten durch den Arzt
Anpassung Ihrer Medikamente
Oft kann der Arzt auf Alternativpräparate umstellen, die weniger Mundtrockenheit verursachen.
Behandlung der Grunderkrankung
Bei Diabetes, Sjögren-Syndrom oder anderen Erkrankungen kann eine bessere Einstellung der Grunderkrankung die Mundtrockenheit verringern.
Speichelfluss anregende Medikamente
Für manche Patienten können Medikamente wie Pilocarpin hilfreich sein, die die Speichelproduktion anregen.
implantate.com-Fazit
Wenn Sie eine Mundtrockenheit bemerken, sollten Sie diese schnell mit Hilfe Ihres Arztes oder Zahnarztes abklären lassen. Die Folgen einer ignorierten Xerostomie können sehr unangenehm werden. Ausserdem kann eine fehlende Speichelproduktion ein Hinweis auf eine zu behandelnde Grundkrankheit sein!
Denken Sie daran: Ein feuchter Mund ist ein gesunder Mund!
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