Sarkoidose (Morbus Boeck): im Mund kann es anfangen

Die Sarkoidose (Morbus Boeck) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der es im Körper zur Bildung kleiner, gutartiger Zellansammlungen kommt, die als Granulome bezeichnet werden. Anders als etwa bei der Tuberkulose enthalten diese Knötchen kein abgestorbenes, käseartiges Gewebe – man spricht deshalb von „nicht-verkäsend“. Diese festen Zellansammlungen können in nahezu jedem Organ entstehen, besonders häufig jedoch in der Lunge oder den Lymphknoten. In vielen Fällen bleiben Granulome lange unbemerkt, können aber – je nach Lokalisation – unterschiedliche Beschwerden verursachen. Am bekanntesten sind Lungenprobleme die mit
Insbesondere in der Mundhöhle können diese frühen Veränderungen für Zahnärzte und Betroffene der erste Hinweis auf die Erkrankung sein.

Kardinalsymptome im Mundraum

Orofaciale Granulomatose (OFG)

Die orofaziale Granulomatose beschreibt die charakteristischen Mundveränderungen bei Sarkoidose. Diese Symptome können Jahre vor der systemischen Manifestation auftreten:

Schwellungen an Lippen, Wangen oder Zahnfleisch

  • Oft asymmetrisch und derb-knotig tastbar
  • Beginnen meist schleichend, können aber auch akut auftreten
  • Bevorzugt Unterlippe betroffen (bis zu 80% der Fälle)
  • Schwellungen fühlen sich „gummiartig“ an, weniger weich als allergische Reaktionen

Aphthoide Ulzerationen – flach oder tief

  • Meist multiple, schmerzhafte Geschwüre
  • Unregelmäßige, wie „ausgestanzt“ wirkende Ränder
  • Häufig am Zungenrand, Wangenschleimhaut oder Mundboden
  • Heilen oft langsam und hinterlassen manchmal Narben

Granulomatöse Gingivitis

  • Zahnfleisch wirkt entzündlich verdickt und „pflastersteinähnlich“
  • Charakteristische rötlich-violette Verfärbung
  • Oft bluten die betroffenen Stellen bereits bei leichter Berührung
  • Klassische Mundhygienemaßnahmen bleiben wirkungslos

Fissuren an Lippen und Zunge

  • Tiefe, längsverlaufende Risse (Lingua plicata)
  • Besonders an der Unterlippe als „Cheilitis granulomatosa“
  • Können sekundär bakteriell infiziert werden
  • Patienten klagen über Brennen und Spannungsgefühl

Schleimhauterytheme und Gewebswucherungen

  • Diffuse Rötung ohne erkennbare Ursache
  • Kleine, höckrige Gewebswucherungen („Kopfsteinpflaster-Aspekt“)
  • Besonders im Bereich der Backenschleimhaut auffällig

Mundtrockenheit durch Speicheldrüsenbeteiligung

  • Oft das erste Symptom, das Patienten bewusst wahrnehmen
  • Schluckbeschwerden, besonders bei trockenen Speisen
  • Erhöhte Kariesanfälligkeit als Folgeerscheinung
  • Zunge kann rissig und „landkartenartig“ erscheinen

Diese Veränderungen können Jahre vor pulmonaler oder systemischer Symptomatik auftreten. Zahnärzte sollten die OFG daher als mögliches Frühsymptom einer Sarkoidose stets im Blick behalten.

Sarkoidose betrifft den gesamten Körper

Das klinische Spektrum reicht von spontan abheilenden akuten Verläufen bis hin zu chronischen, progredienten Formen mit irreversiblen Organschäden durch Fibrosierung.

Respiratorische Symptome (90% der Fälle)

  • Trockener, hartnäckiger Husten: Oft das erste Symptom, besonders nachts
  • Belastungsdyspnoe: Schleichender Beginn, zunächst nur bei Anstrengung
  • Thorakales Druckgefühl: Wie „ein Band um die Brust“
  • Hilusadenopathie: Lymphknotenschwellungen im Röntgenbild sichtbar

Allgemeinbeschwerden (häufig unspezifisch)

  • Fatigue-Syndrom: Bleierne Müdigkeit, nicht durch Schlaf zu beheben
  • Subfebrile Temperaturen: Oft über Wochen anhaltend
  • Gewichtsverlust: Ungewollt, trotz normaler Nahrungsaufnahme
  • Nachtschweiß: Besonders in akuten Phasen

Hautmanifestationen (25% der Fälle)

  • Erythema nodosum: Schmerzhafte, rötliche Knoten an Unterschenkeln
  • Lupus pernio: Bläulich-violette Hautveränderungen an Nase und Ohren

Augenbeteiligung (20-30%)

  • Uveitis anterior: Rötung, Lichtscheu, Tränenfluss
  • Konjunktivitis: Chronisch verlaufend, therapieresistent

Wie diagnostiziere ich einen Morbus Boeck im Mundraum?

Die Diagnose ist anspruchsvoll, da die Symptomatik stark variiert und andere knotenbildende Erkrankungen imitieren kann.

Strukturiertes diagnostisches Vorgehen:

1. Ausführliche Anamnese

  • Familienanamnese (genetische Komponente möglich)
  • Berufliche Exposition gegenüber Stäuben oder Chemikalien
  • Reiseanamnese (endemische Pilzerkrankungen?)
  • Medikamentenanamnese

2. Klinische Untersuchung

  • Systematische Inspektion aller Lymphknotenstationen
  • Vollständige Hautinspektion
  • Ausführliche intraorale Untersuchung
  • Palpation von Leber und Milz

3. Histologische Sicherung

  • Biopsie verdächtiger oraler Läsionen
  • Entscheidend: Nachweis nicht-verkäsender Granulome
  • Ausschluss von Infektionserregern (Ziehl-Neelsen-Färbung)

4. Bildgebende Diagnostik

  • Röntgen-Thorax (Hilusadenopathie?)
  • Bei Verdacht: Hochauflösende CT des Thorax
  • Echokardiographie bei Verdacht auf Herzbeteiligung

5. Labordiagnostik

  • ACE (Angiotensin Converting Enzyme) erhöht in 60-70%
  • sIL-2R (löslicher Interleukin-2-Rezeptor) als Aktivitätsmarker
  • Kalzium/Kalziurie (Hyperkalziämie möglich)
  • Lungenfunktion mit DLCO-Messung

Abgrenzung: auch das kommt als mögliche Ursache in Frage

Erkrankung Typische orale Befunde Entscheidende Abgrenzungsmerkmale
Morbus Crohn Schleimhautschwellungen, „Kopfsteinpflaster“-Mukosa, granulomatöse Stomatitis GI-Symptomatik dominiert, Granulome im Darmtrakt, CRP oft erhöht
Tuberkulose Chronische Ulzera, Lymphadenopathie, Schleimhautverdickungen Histologisch verkäsende Granulome, Mykobakteriennachweis, Tuberkulin-Test
Granulomatose mit Polyangiitis „Erdbeer-Gingivitis“, nekrotisierende Ulzera ANCA-positiv, Nierenbeteiligung, nekrotisierende Vaskulitis
Cheilitis granulomatosa Rezidivierende Lippenschwellungen, isoliert oral Melkersson-Rosenthal-Syndrom: Lippe + Lingua plicata + Fazialisparese
Lichen planus Weißliche Streifung (Wickham-Striae), Erosionen Keine Granulome histologisch, charakteristische Immunfluoreszenz
Malignes Lymphom Diffuse Schwellungen, derbe Konsistenz, Ulzerationen Klonale Lymphozytenpopulation, keine epitheloidzellhaltigen Granulome

Therapie des M. Boeck und Prognose

Die Behandlung erfolgt stadiengerecht nach Schweregrad und Organbeteiligung:

Milde Verläufe

  • Abwartendes Verhalten bei asymptomatischer Hilusadenopathie
  • Regelmäßige Kontrollen alle 3-6 Monate
  • NSAR bei gelenk- oder hautbedingten Beschwerden

Therapiepflichtige Verläufe

  • Kortikosteroide systemisch: Prednisolon 0,5-1 mg/kg KG als Standard
  • Immunsuppressiva: Methotrexat, Azathioprin bei Steroid-Resistenz oder -Unverträglichkeit
  • Biologika: TNF-α-Inhibitoren bei refraktären Fällen

Lokale orale Therapie

  • Topische Kortikosteroide: Triamcinolon-Paste oder Betamethason-Mundspülungen
  • Immunmodulatoren: Tacrolimus als Alternative bei kleinen Läsionen
  • Supportive Maßnahmen: Speichelersatzmittel, intensive Karies- und Gingivitisprophylaxe

Prognostische Einschätzung

  • Akute Sarkoidose: Spontanremission in 60-80% binnen 2 Jahren
  • Chronische Verläufe: Risiko irreversibler Fibrosen, besonders pulmonal
  • Rein orale Manifestation: Meist günstigere Prognose als systemische Formen

Implantate.com-Fazit

Die Mundhöhle fungiert bei Sarkoidose häufig als „diagnostisches Fenster“ – orale Veränderungen können Jahre vor systemischen Symptomen auftreten. Zahnärzte und Oralchirurgen haben damit eine Schlüsselposition in der Früherkennung inne.

Der gezielte Blick auf granulomatöse Mundveränderungen kann entscheidend sein: Eine frühzeitige Biopsie verdächtiger Läsionen ermöglicht nicht nur die korrekte Diagnose der oralen Symptome, sondern kann auch systemische Komplikationen verhindern. Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Pneumologen, Dermatologen und Rheumatologen wird damit zum entscheidenden Erfolgsfaktor für unsere Patienten.

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Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 21. August 2025