Morbus Addison und Erkrankungszeichen in der Mundhöhle
Morbus Addison (Nebennierenrindeninsuffizienz) ist eine seltene, aber lebensbedrohliche endokrine Erkrankung, bei der die Nebennierenrinde unzureichend lebenswichtige Hormone produziert. Die Erkrankung wird auch als „Bronzekrankheit“ bezeichnet, da sie charakteristische bronzefarbene Hyperpigmentierungen der Haut und Schleimhäute verursacht. Mit einer Prävalenz von 1:10.000-15.000 Menschen ist Morbus Addison zwar selten, aber die Früherkennung kann lebensrettend sein.
Warum ist die Mundhöhle von Bedeutung?
Die ersten sichtbaren Anzeichen von Morbus Addison manifestieren sich häufig in der Mundhöhle durch charakteristische braune bis bronzefarbene Flecken der Mundschleimhaut. Zahnärzte spielen eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung dieser potenziell tödlichen Erkrankung, da die Fleckenbildung der Schleimhäute oft den systemischen Symptomen vorausgehen.
Flecken der Wangenschleimhaut, Hyperpigmentierung bei M. Addison
Was sieht man im Mund bei Nebenniereninsuffizienz?
Die charakteristische Hyperpigmentierung bei Morbus Addison entsteht durch einen komplexen endokrinen Regelkreis: Wenn die Nebennierenrinde zu wenig Kortisol produziert, reagiert die Hypophyse kompensatorisch mit einer massiv gesteigerten ACTH-Ausschüttung. Dieses adrenocorticotrope Hormon hat jedoch eine molekulare Verwandtschaft zu melanozytenstimulierenden Hormonen und aktiviert daher ungewollt die Melaninproduktion in Haut und Schleimhäuten. Das Resultat sind die pathognomonischen bronzefarbenen Verfärbungen, die der Erkrankung den volkstümlichen Namen „Bronzekrankheit“ eingebracht haben.
Besonders bedeutsam ist, dass sich diese Pigmentveränderungen bevorzugt an nicht-sonnenexponierten Stellen manifestieren – ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu normaler Sonnenbräunung. Die Mundschleimhaut ist dabei häufig der erste und auffälligste Manifestationsort, da hier die dünne, gut durchblutete Schleimhaut besonders sensibel auf hormonelle Veränderungen reagiert. Aphten oder Bäschen entstehen nicht.
Charakteristische Munderscheinungen:
Hyperpigmentierung der Mundschleimhaut:
- Bronzefarbene bis braune Flecken besonders an der Innenseite der Lippen
- Buccale Schleimhaut (Wangeninnenseite) zeigt diffuse Pigmentierungen
- Zungenränder und -rücken können fleckige Verfärbungen aufweisen
- Zahnfleischrand kann dunkle Pigmentbänder entwickeln
Wo findet man die Flecken (Pigmentierungen)?
- Bevorzugt an nicht sonnenexponierten Schleimhäuten
- Unterlippe innen – klassische Frühlokalisation
- Gaumen und Mundboden können betroffen sein
- Perioral (um den Mund herum) können ebenfalls Verfärbungen auftreten
Wie kommt es zu den Mundschleimhautveränderungen?
Die Hyperpigmentierung entsteht durch erhöhte ACTH-Produktion (adrenocorticotropes Hormon) als Kompensationsversuch der Hypophyse. ACTH stimuliert melanozytenstimulierende Hormonrezeptoren und führt zur vermehrten Melaninproduktion in Haut und Schleimhäuten.
Frühwarnzeichen von Addison im Mund:
Besonders verdächtig sind neu aufgetretene Flecken im Mund: symmetrische, braune Verfärbungen der Mundschleimhaut ohne entsprechende Erktrankungszeichen (Rauchen, Medikamente, ethnische Pigmentierung). Denn diese können Monate bis Jahre vor den klassischen allgemeinen Symptomen auftreten.
Allgemeine Krankheitszeichen der Nebennierenisuffizienz
Eine Nebenniereninsuffizienz entwickelt sich meist schleichend über Monate bis Jahre, was die Diagnosestellung erschwert. Die Symptome entstehen durch den progressiven Mangel an zwei lebenswichtigen Hormonen: Kortisol und Aldosteron. Kortisol reguliert den Stoffwechsel, das Immunsystem und die Stressantwort des Körpers, während Aldosteron den Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt steuert. Der Verlust dieser hormonellen Regulation führt zu einem vielschichtigen Krankheitsbild, das anfangs oft als allgemeine Erschöpfung oder Depression fehlinterpretiert wird.
Charakteristisch ist die progrediente Verschlechterung der Belastbarkeit: Was früher problemlos bewältigt wurde, wird zunehmend zur unüberwindbaren Hürde. Patienten berichten häufig, dass sie morgens kaum aus dem Bett kommen, obwohl sie ausreichend geschlafen haben. Diese Schwäche ist nicht nur körperlich, sondern auch mental spürbar und unterscheidet sich grundlegend von normaler Müdigkeit.
Frühsymptome:
- Chronische Müdigkeit und Schwäche
- Hypotonie (niedriger Blutdruck)
- Schwindel und Kreislaufprobleme
- Übelkeit und Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust
Fortgeschrittene Symptome:
- Ausgeprägte Hyperpigmentierung auch der Haut
- Salzverlangen (durch Aldosteronmangel)
- Hypoglykämie (niedrige Blutzuckerwerte)
- Elektrolytstörungen (Hyponatriämie, Hyperkaliämie)
Addison-Krise – der medizinische Notfall:
Bei zusätzlichem Stress (Infekt, Operation, Trauma) kann es zur lebensbedrohlichen Addison-Krise kommen:
- Plötzlicher Kreislaufkollaps
- Erbrechen und Dehydratation
- Verwirrtheit bis Koma
- Schock mit möglichem Todesausgang
Diagnose des Morbus Addison: niedriger Cortisolspiegel beweisend
Hormonbestimmungen:
- Kortisol im Serum (erniedrigt, besonders morgens)
- ACTH-Spiegel (stark erhöht bei primärer Nebennierenrindeninsuffizienz)
- ACTH-Stimulationstest (fehlende Kortisolantwort)
- Aldosteron und Renin (Aldosteron erniedrigt, Renin erhöht)
Bildgebung:
- CT/MRT der Nebennieren zum Nachweis struktureller Veränderungen
- Autoantikörper gegen 21-Hydroxylase bei Verdacht auf Autoimmungenese
Differentialdiagnosen des Cortisol-Mangels bei Nebenierenrindeninsuffizienz
Erkrankung | Abgrenzungskriterien |
---|---|
Ethnische/physiologische Pigmentierung | Seit Geburt vorhanden, familiäre Häufung, symmetrisch |
Medikamentöse Hyperpigmentierung | Anamnese (Chloroquin, Zytostatika), oft reversibel |
Rauchermelanose | Raucheranamnese, bevorzugt Zahnfleisch |
Peutz-Jeghers-Syndrom | Perioral und labial, Darmpolypen, familiär |
Melanom/Nävus | Unregelmäßig, erhaben, asymmetrisch |
Behandlung der Nebenniereninsuffizienz: Substitution des Kortisol-Mangels
Hormonsubstitutionstherapie:
- Hydrocortison (10-30mg täglich) als Kortisolersatz
- Fludrocortison (0,05-0,2mg täglich) als Mineralkortikoidersatz
- Lebenslange Therapie erforderlich
Dosisanpassung:
- Stresssituationen: Dosissteigerung um das 2-3fache
- Erkrankungen mit Fieber: Sofortige Dosiserhöhung
- Operative Eingriffe: Perioperative Kortisolsubstitution
Notfallbehandlung der Addison-Krise:
- Sofortige Hydrocortisongabe (100-200mg i.v.)
- Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution
- Intensivmedizinische Überwachung
Prognose:
Bei konsequenter Hormonsubstitution ist die Lebenserwartung normal. Unbehandelt führt eine Nebennierenrindeninsuffizienz unweigerlich zum Tod. Die oralen Pigmentierungen bleiben unter Therapie meist bestehen, neue Verfärbungen treten jedoch nicht auf.
Empfehlungen für Patienten
- Notfallausweis immer mitführen
- Stress vermeiden oder bei unvermeidbarem Stress (Infekte, OPs) sofort Arzt kontaktieren
- Regelmäßige Kontrollen der Hormonwerte
- Medikamente nie absetzen – auch bei Unwohlsein weiter einnehmen
- Bei Erbrechen sofort Arzt aufsuchen (Tabletten können nicht bei Behalten werden)
- Salzreiche Ernährung ist oft hilfreich
implantate.com-Fazit
Morbus Addison beschreibt die Unterfunktion der Nebennieren mit fehlender Produktion des lebenswichtigen Kortisols. Im Mund kann er sich durch braune Flecken der Schleimhaut (Hyperpigmentierung) in Erscheinung treten, die sich bereits Monate vor allgemeinen, mitunter lebensbedrohlichen Symptomen als Frühwarnzeichen ankündigen. Bei rechtzeitiger Diagnose ist die Prognose durch Ersatzgabe des Kortisons gut – Betroffene können durchaus ein normales Leben führen.
IMPLANTAT-SPEZIALISTEN IN IHRER NÄHE
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