ZÄK Berlin: Zum Tag der Zahngesundheit


Anlässlich des diesjährigen Tages der Zahngesundheit – am 25. September – hat die Zahnärztekammer Berlin ein Modellprojekt gestartet im Kiez Klausenerplatz, einem der sozial besonders schwachen Bereiche Berlins mit ausgeprägtem Migrationsanteil. „Bei sozial schwachen Familien ist es nicht mit einer Einmalaktion zu einem Tag der Zahngesundheit getan, wenn man die Mundgesundheit vor allem der Kinder wirklich verbessern will“, sagte Dr. Wolfgang Schmiedel, Präsident der Zahnärztekammer Berlin zu dem neuen Projekt, „sondern wir haben ein Programm mit Nachhaltigkeit entwickelt, das vorerst ein ganzes Jahr lang laufen und viele verschiedene Aspekte zum Thema Mundgesundheit aufgreifen wird.“ Derzeit baut sich ein Netzwerk im Kiez Klausenerplatz auf, das die Ziele des Modellprojektes unterstützt und die jeweils vorhandenen Kenntnisse und Kontakte einbringt. So hat sich der Kiosk neben der Nehring-Grundschule bereit erklärt, ab sofort neben den Süßwaren, die für manche Kinder der Frühstücksersatz sind, auch zahnfreundliche Süßwaren anzubieten. Dieser Kiosk ist der vermutlich erste „Schulkiosk“ in Deutschland, der den Kindern zahnfreundliche Alternativen gleichberechtigt neben den anderen Süßwaren anbietet.

Am Sonntag, 25. September und „Tag der Zahngesundheit“, gab es für die Jugendlichen im Kiez eine Info- und Beratungsveranstaltung mit Tests zum Thema „Schöne, gesunde und weiße Zähne – und Flirten ohne Mundgeruch“. Am 19. Oktober wird der Zahnärztliche Dienst zusammen mit türkisch/arabisch sprechenden Mitarbeitern aus den Falken-Apotheke im Kiez beim Kinder-Second-Hand-Laden „NANETTI“ Mütter über die Verhüten von Zahnschäden informieren und über den richtigen Gebrauch von Nuckelflaschen aufklären. Das Konzept wächst und verbindet im Lauf des Jahres viele zentrale Stellen im Kiez und viele zahngesundheitliche Themen – und das in vielen Sprachen.

Jedes Jahr 15.000 Kleinkinderzähne

„Unser Modellprojekt darf und soll kopiert werden“, sagte Dr. Schmiedel bei der Pressekonferenz am 23. September im Kiezbüro, „denn wir müssen alle etwas tun, um die wieder schlechter werdende Zahngesundheit der Kleinkinder zu stoppen und den Trend wieder umzukehren. Dazu müssen wir die Familien aufsuchen und dort hin gehen, wo ihr Alltag ist, wenn sie nicht zu uns kommen können oder wollen.“

Jedes Jahr werden in Berlin rund 30.000 Kinder geboren – und jedes Jahr gehen in Berlin rund 15.000 Kleinkinderzähne verloren oder sind zerstört, weil die Eltern nicht wissen, was sie tun oder lassen sollen, um dies zu verhindern. Dr. Schmiedel: „Wir haben uns daher nicht für einen Tag der Zahngesundheit, sondern für eine Langzeitaktion entschieden, um wirklich etwas zu verändern. Ob wir das schaffen, werden wir sehen. Die Charité will das Projekt wissenschaftlich begleiten.“

DETAILS

Vor einem Jahr bereits haben sich unter Leitung der Zahnärztekammer Berlin vielfältige Akteure aus dem Kiez auf dem Marktplatz getroffen und der Bevölkerung Tipps und Empfehlungen zur Verbesserung der Mundgesundheit vermittelt – auch in Türkisch und anderen Sprachen, um eine Brücke zu bauen zu dem Wissen der Experten. Der große Erfolg der Veranstaltung hat alle Beteiligten ermutigt, ein spezielles Netzzwerk-Programm zu entwickeln, dass die Idee der Brücke verbindet mit einer Förderung des Wissens um Mundgesundheit bei den Kiezbewohnern. „Eine Mutter leidet mit ihrem Kind, das Zahnweh hat – ob sie zu Hause nun deutsch oder türkisch oder russisch sprechen. Und wer Probleme damit hat, dass er nicht mehr richtig essen kann, den interessiert nur nachrangig, ob er in Ankara, in Berlin oder in Beirut geboren ist“, so Dr. Schmiedel, „Mundgesundheit eignet sich daher gut als Brücke über alle Kulturen und Bildungsebenen.“

Fähigkeiten und Kompetenzen im Netzwerk nutzen

Das deshalb „Mundgesundheit verbindet“ genannte und nun gestartete Modellprojekt fördert und nutzt die individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen der Menschen im Kiez Klausenerplatz, sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause. Dr. Schmiedel: „Das Motto des diesjährigen Tages der Zahngesundheit – ‚Gesund beginnt im Mund – und zwar zu Hause’ – war für uns Anregung, diesen Aspekt bei der Planung intensiver zu berücksichtigen und Wege zu entwickeln, mit unseren praktischen Empfehlungen die Familien zu erreichen und sie nachhaltig in das Thema Mundgesundheit einzubeziehen. So wird ein Netzwerk entstehen, das nicht den pädagogischen Zeigefinger hebt, sondern vom Miteinander und der Beachtung der Möglichkeiten aller Beteiligten lebt.“

Individuelle Fähigkeiten haben beispielsweise Mütter und Väter, die Vorbilder für ihre Kinder sind und ihren Alltag begleiten, aber auch Kinde rund Jugendliche, die mehr Zugang zu Informationen zu Zahngesundheit haben und die Ihren Eltern Anregungen vermitteln können. Individuelle Kompetenzen haben z.B. Hausärzte, die Zusammenhänge von chronischen Erkrankungen und Zahnschäden kennen, oder auch Apotheker, die im Rahmen allgemeiner Beratungsaufgaben auch über den richtigen Umgang mit Mundhygieneprodukten informieren.

Dr. Schmiedel: „Wir wollen vermitteln, dass Mundgesundheit nicht bedeutet, sich nach dem Frühstück rasch die Zähne zu putzen, sondern ein Thema ist, das den Alltag der Menschen begleitet. Schöne und gesunde Zähne spielen eine Rolle beim Bewerbungsgespräch, beim Flirt, beim Mittagessen, beim Arzt, beim Zahnarzt ohnehin oder auch beim beim Treffen mit Freunden, denn Zahnprobleme belasten viele Situationen im Alltag. Deshalb gehen wir vom Alltag der Menschen hier im Kiez aus – und verbinden diesen mit dem einen oder anderen Aspekt zum Thema Mundgesundheit und was man dazu selber tun kann.“ Einbezogen ist daher auch ein Kosmetiksalon, die Sportgruppe, und auch der Kiosk neben der Grundschule, der mit dem Start der Aktion erstmals auch zahnfreundliche Süßwaren anbietet und damit den Kindern, die häufig naschen statt zu frühstücken, eine Alternative aufzeigt.

Ziel des Projektes Ziel des Modellprojektes, das von der Charité wissenschaftlich begleitet werden soll, ist das Erkennen von Zusammenhängen und die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten, sowohl für die Gesundheit der eigenen Zähne zu sorgen als auch im persönlichen Umfeld andere bei der Verbesserung der Mundgesundheit zu unterstützen. „Mit dem Modellprojekt „Zahngesundheit verbindet“ wollen wir dazu anregen, eigene Schritte zur Änderung des Verhaltens zu gehen, und wir hoffen, nicht nur das zahngesunde Verhalten der Familien aus den vielfältigen Kulturen im Kiez zu verbessern, sondern auch ein bisschen die Verhältnisse“, so Dr. Schmiedel, „denn mit diesem Thema können wir eine Brücke bauen, die auch die Menschen einander näher bringt und damit auch solche Familien in Zahngesundheitsprogramme integrieren, die wir mit den klassischen Angeboten schlecht oder gar nicht erreichen. Wenn es so läuft wie wir uns das erhoffen, bieten wir unsere Erfahrungen für ähnliche Vorhaben an. Nachmachen ist von uns ausdrücklich erwünscht.“

Hintergrund:

Das Modell „Zahngesundheit verbindet“ ist eine Initiative der Zahnärztekammer Berlin. Sie wird tatkräftig unterstützt vom Kiezbündnis Klausenerplatz, der argus GmbH/Gebietskoordination Klausenerplatz, der Aktion zahnfreundlich und (Reihenfolge ohne Gewichtung) der Landesarbeitsgemeinschaft Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen (LAG), dem Zahnärztlichen Dienst Charlottenburg, der Charité, von Zahnärzten aus dem Kiez, Apothekern, Ärzten, Kosmetiksalon und vielen weiteren Einrichtungen; das Netzwerkprogramm entwickelt sich ständig weiter und bezieht immer weitere Akteure mit ein.

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999