Zahnschäden durch Säure und Überempfindlichkeit: Europastudie führt zu neuen Empfehlungen


Karies ist dabei immer noch relativ weit verbreitet, findet sich in starker Ausprägung in Mitteleuropa jedoch nur noch in bestimmten Bevölkerungsschichten wieder. Dennoch kann keine Entwarnung gegeben werden. Bei vielen Menschen wurde Karies durch vielfach geänderte Lebens- und Ernährungsgewohnheiten durch neue Zahnkrankheiten abgelöst.
Besonders häufig werden mittlerweile säurebedingte Zahnschäden beobachtet, die sich durch die häufig damit einhergehende Überempfindlichkeit der Zähne auch auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken können.
Eine Zahnüberempfindlichkeit tritt zumeist dann auf, wenn die schützende oberste Zahnschicht (Zahnschmelz) beschädigt wird. Ein Zahnfleischrückgang kann beispielsweise dazu führen, dass die dünne Schmelzschicht im Zahnhalsbereich frei gelegt und in der Folge – häufig durch zu hohen Druck beim Zähneputzen oder/und eine „horizontale Zahnputztechnik“ – geschädigt wird. Dann wirken Kälte oder sogenannte „osmotische Reize“ (Druck, der durch die Bewegung einer Flüssigkeit hervorgerufen wird) auf die freigelegten Dentinkanälchen ein. Letztere Reize führen dazu, dass die Flüssigkeit in den Kanälchen Reizsignale an die Nerven weitergibt, die sich in einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit äußern.
Weitere Probleme bestehen in dem Auftreten von Zahnerosionen, die durch den häufigen Genuss von säurehaltigen Getränken und auch durch säurehaltiges Obst entstehen können. Neben diesen „exogenen“ – von außen zugeführten Ursachen – können Säuren auch endogen – von innen ausgehend – bedingt sein und zu Zahnschäden führen. Solche endogen verursachten Säuren entstehen sehr häufig bei Menschen, die zu Erbrechen (Bulimie) neigen oder unter Sodbrennen leiden.
Säuren – egal welcher Herkunft – können Schmelzkristalle aus den obersten Zahnschmelzschichten herauslösen. Diese „angelöste“ Schmelzschicht geht jedoch i.d.R. nicht verloren, da der Speichel über die Wiedereinlagerung gelöster Kalziumbestandteile zu einer so genannten „Remineralisation“ des geschädigten Zahnschmelzes beitragen kann. Daher war und besteht noch immer die allgemein vorherrschende Ansicht, dass man grundsätzlich nach dem Essen und insbesondere nach dem Genuss säurehaltiger Nahrungsmittel mindestens 30 Minuten warten solle, bis man sich die Zähne putzt. Diese Empfehlung entstand aus der Sorge heraus, dass der Speichelwirkung nicht ausreichend Zeit zur Remineralisierung gegeben wird und dass die angelösten Schmelzschichten durch das Zähneputzen unwiderruflich entfernt werden könnten. Laut Prof. Lussi von der Universität Bern ist diese Empfehlung nun hinfällig. Längere Wartezeiten führen bei Genuss insbesondere säurehaltiger Speisen zu deutlich mehr Erosionen im Zahnschmelzbereich. Zähneputzen unmittelbar nach dem Essen ist insofern sinnvoll und notwendig. Eine Ausnahme besteht bei der Schädigung des Zahnschmelzes durch endogene Säuren bei häufigem Erbrechen. In diesen Fällen empfiehlt der Präventionsexperte Prof. Lussi, dass nur der Mund ausgespült werden sollte.

Quelle:
Europastudie zu Überempfindlichkeit und Säureschäden, Prof. Dr. Adrian Lussi, Dr. Thiago S. Carvalho, Dr. Barbara Cvikl?, ConsEuro 2015:

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 01 November 2015