Zahnpasta kann Zähne reparieren


Forscher des Max-Planck-Institutes haben eine Zahnpasta entwickelt, die kleinere Schäden an den Zähnen bereits beim Zähneputzen reparieren kann. Die Entwicklung basiert auf Erkenntnissen, wie Zähne und Knochen im menschlichen Körper nachwachsen. So kann diese neu entwickelte Zahnpaste frei liegende Zahnhälse und schmerzende Zahnkanäle bereits beim Putzen versiegeln und wertvolle Vorarbeit leisten. Die Entdeckung hat Bedeutung weit über die Zahnmedizin hinaus.

Derartige, kleine Blessuren am Zahn sind z.B. verantwortlich für die unangenehme Temperaturempfindlichkeit der Zähne, die ein erster Indikator für Schädigungen der äußeren Zahnschichten ist. Bleiben diese Schäden über einen längeren Zeitraum unbehandelt, entwickeln sich schwere Karies – und Paradontoseschäden

Rüdiger Kniep vom Dresdner Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe ist Leiter des Forschungsbereichs Anorganische Chemie in Dresden, und er beschäftigt sich seit rund fünfzehn Jahren mit dem Thema Biomineralisation.

In dem Fachgebiet geht es darum herauszufinden, wie Lebewesen es fertigbringen, harte, anorganische Substanzen wie Knochen, Schneckenhäuser und Muschelschalen zu produzieren. Diesen natürlichen Prozess konnten Kniep und seine Arbeitsgruppe weitgehend aufdecken und sogar nachahmen.

So fanden sie einen Weg, frei liegende Zahnhälse zu versiegeln. Dabei verschließen winzige Kristalle die schmerzleitenden feinen Kanäle im Zahn. Techniker würden sie als Verbundmaterial beschreiben: organische Eiweißmoleküle, die einen magnetischen Dipol darstellen, um den herum sich in geordneter Weise Moleküle des anorganischen Minerals Apatit anordnen.

Die Entdeckungen der Forscher haben immense Bedeutung über die Zahnmedizin hinaus. Weitere Anwendungsgebiete sehen die sächsischen Forscher etwa in der Chirurgie, bei der Heilung und dem Aufbau von Knochen in der Unfallchirurgie. „Unsere Studien erklären, warum ein von außen angelegtes elektrisches Feld die Heilung eines Knochenbruchs unterstützt“, sagt Kniep. Das Feld richtet die Protein-Dipole parallel aus, sodass sie sich leichter aneinanderlagern.

Jetzt wurde auch klar, warum körperliche Belastung den Knochenaufbau fördert. „Knochen erzeugen bei Be- und Entlastung ebenfalls aus sich selbst heraus ein elektrisches Feld“, sagt Kniep. Mit dem sogenannten Piezoeffekt bauen Knochen bei Be- und Entlastung ein elektrisches Feld auf, dessen Stärke proportional mit der Stärke der Belastung zu- oder abnimmt. Die Felder beeinflussen ihrerseits die Anlagerung der Proteinmoleküle und stärken den Knochen.

Bei quantitativen Untersuchungen des im Reagenzglas gezüchteten Apatits erlebten die Sachsen die zweite große Überraschung: Die Kristalle wiesen das gleiche Mischungsverhältnis von Gelatine zu Kalziumkarbonat auf wie Zahnschmelz, was die Entwicklung einer Zahnpasta vorzeichnete. „Unsere Apatit-Gelatine-Mischung beschleunigt die Bildung von neuem, naturidentischem Zahnmaterial“, sagt Kniep. Das naturidentische Material der Dresdner könnte auch der Unfall-, Gesichts- und Kieferchirurgie neue Impulse geben.

Unfall- und Gesichtschirurgen suchen schon lange nach einer Substanz, mit der sie Knochengewebe ersetzen können. Die bislang verwendeten Metallplatten und Knochenersatzmassen haben den großen Nachteil, dass sie nicht wachsen und nach einiger Zeit wieder operativ entfernt werden müssen. Neben den Möglichkeiten, Zähne und Knochen aufzubauen, sehen die Dresdner Wissenschaftler auch Auswirkungen auf andere Gebiete der Medizin. „Nicht immer sind Biominerale von Nutzen“, sagt Kniep. Auch Nieren-, Blasen- und Gallensteine bestehen aus Apatit. Hier könnte weitere Forschung neue Möglichkeiten der Behandlung oder Vorbeugung eröffnen.

Mit dem Wissen über Biomineralisation erfolgte die Ausgründung einer Firma aus dem Institut. Und die Zusammenarbeit mit einer Düsseldorfer Chemiefirma ließ aus den Laborexperimenten in nur fünf Jahren eine Zahnpasta entstehen, die inzwischen auf dem Markt ist. „Die ersten Tester der neuen Zahnpasta waren Mitarbeiter meines Instituts“, sagt Kniep. „Mit denen hätte ich mächtig Ärger bekommen, wenn unser Produkt nicht gehalten hätte, was ich versprach.“

Quelle: dcrs-online.de

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999