Ausgehend von der Tatsache, dass der medizinisch-technische Fortschritt
und neue wissenschaftliche Erkenntnisse die zahnmedizinische Versorgung
und damit das zahnärztliche Berufsbild in den vergangenen 20 Jahren
gründlich in Richtung Prävention verändert haben, ist es notwendig,
diesen Fortschritt den Patienten auch unter den Bedingungen eines
solidarischen Krankenversicherungssystems zukommen zu lassen.
Ziel ist es, das Erstattungssystem so umzugestalten, dass der Patient
individuell aus allen möglichen Therapiealternativen frei wählen kann,
ohne seinen Anspruch auf den Zuschuss aus der solidarischen
Versicherung zu verlieren.
Das bisherige prozentuale Erstattungssystem beim Zahnersatz ist zum
einen wenig präventiv orientiert und zum anderen ungerecht, weil er
denjenigen bevorteilt, der von sich aus in der Lage ist, eine
finanziell aufwendigere und damit hochwertigere Versorgung zu
finanzieren.
Jeder, der bereits von einer Zahnersatzlösung betroffen war, hat
festgestellt, dass es für eine Situation in der Zahnmedizin oftmals
mehrere Lösungsmöglichkeiten gibt. Die bisherige prozentuale Regelung
macht es möglich, dass derjenige, der sich hochwertigeren Zahnersatz
selbst leisten kann, auch höhere Zuschüsse aus der gesetzlichen
Krankenversicherung erhält. Im Sinne des Solidargedankens ist diese
Regelung sicherlich nicht gerecht, so dass hier Änderungsbedarf
besteht. Die derzeitige Situation ist auch davon gekennzeichnet, dass
der Patient für bestimmte Zahnersatzformen Zuschüsse von seiner
Krankenkasse erhält, aber auch gleichzeitig erlebt, dass, insbesondere
bei sehr aufwendigen und hochwertigen Versorgungen mit Zahnersatz,
(z.B. bei Implantaten) keinerlei Zuschüsse der Krankenkassen beim
gleichen Befund erstattet werden.
Das von der Zahnärzteschaft eingebrachte befundorientierte
Festzuschussmodell basiert auf der Tatsache, dass die moderne Error! Post not found for word:zahn-,
Mund- und Kieferheilkunde meist verschiedene wissenschaftlich
anerkannte Therapieoptionen für ein und denselben Befund bietet. Ein
solches Modell orientiert sich nicht mehr an dem Therapiemittel, also
an der Zahnersatzlösung, sondern am Befund, d.h. am Zerstörungszustand
der Zähne bzw. an der Anzahl und Lage der fehlenden Zähne.
Beim befundorientierten Festzuschussmodell erhält der Patient
unabhängig vom gewählten Therapiemittel einen fixen befundbasierten
Festzuschuss von der Krankenversicherung.
Therapievielfalt am Beispiel „Einzelzahnlücke“
Dieses befundbezogene Finanzierungsmodell lässt sich am Beispiel des
Befunds „Einzelzahnlücke“ anschaulich darstellen (s. Abb.). Der
zahnmedizinische Befund „Einzelzahnlücke“ bietet mehrere
Therapiealternativen, die sich hinsichtlich Art, Umfang und Kosten
voneinander unterscheiden, z.B. Prothese, Brücke, Klebebrücke,
Implantat. Bei dem befundbezogenen Festzuschussmodell erhält der
Patient einen Festzuschuss für den Befund „Einzelzahnlücke“ unabhängig
davon, für welches zahnmedizinische Therapiemittel er sich entscheidet.
Dieses Erstattungsmodell ist sozial ausgewogen, da es zu keiner
Therapieausgrenzung führt: Ob Brücke oder Implantat, die gezahlte Summe
bleibt dieselbe und wird solidarisch finanziert (Abb.: horizontale
Linie).
Bisher zahlen die gesetzlichen Krankenkassen einen prozentualen
Zuschuss in Höhe von 50 bis 65 Prozent für das Therapiemittel,
ausgenommen Klebebrücke(Ausnahme im Alter von 14-20 Jahren) und
Implantat. Eine prozentuale Bezuschussung bedeutet, dass der
Versicherte, der statt einer einfachen eine teurere Versorgung wählt,
z.B. Brücke statt Prothese, einen höheren Betrag von der Krankenkasse
erhält. Für eine noch aufwendigere Versorgung außerhalb des
Leistungsrahmens der GKV (Klebebrücke, Implantat) verliert der Patient
den Zuschuss ganz (Therapieausgrenzung), obwohl diese Alternativen eine
ursachengerechte, minimalinvasive und präventionsorientierte
Intervention darstellen (Abb.: vertikale Linie).
Was sind die wesentlichen Vorteile des befundorientierten Festzuschusssystems für den Patienten ?
– Uneingeschränkte Teilnahme am wissenschaftlichen und technischen
Fortschritt in der Zahnmedizin ohne den Anspruch auf eine solidarische
Mitfinanzierung zu verzichten.
– Auch neue wissenschaftlich anerkannte Therapiealternativen können jederzeit integriert werden.
– Förderung der Eigenverantwortung des Patienten ohne
Therapieausgrenzung und gleichzeitig höhere Transparenz von Leistung
und Kosten;
– Das befundorientierte Festzuschusssystem ist im Sinne des Solidargedankens gerechter.
– Auf Grund seines Befundes kann die Höhe des Festzuschusses klar
definiert werden, und die mögliche Kostenbelastung für den Patienten
ist klar zu ersehen.
Welche Veränderungen wurden durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) zum Thema Zahnersatz eingeführt?
Der Gesetzgeber hat mit dem GMG festgelegt, dass Zahnersatz als
Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten bleibt. Diese
Regelungen gelten ebenso für das Bonusheft, die Härtefallregelungen
sowie die Familienmitversicherung.
Der Zahnersatz ist ab dem 1.1.2005 durch alle Mitglieder der
gesetzlichen Krankenkassen gesondert zu versichern. Die Versicherten
haben hierfür einen eigenen monatlichen Beitrag zu entrichten, wobei
der bisher übliche Zuschuss des Arbeitgebers entfällt. Alle
Versicherten erhalten die Wahlmöglichkeit, den Zahnersatz bei einer
gesetzlichen oder privaten Krankenkasse abzusichern.
Nach derzeit unterschiedlichen Berechnungen der gesetzlichen
Krankenkassen wird die Höhe des Beitrages zwischen 05.00.- und 10.00€
monatlich liegen. Den endgültigen Betrag müssen die Krankenkassen
gemeinsam bis zum 1. Oktober 2004 festlegen.
Auch die privaten Krankenkassen werden ihre neuen Tarife zum Zahnersatz
im Laufe des Jahres bestimmen, wobei diese mehr Leistungen als die
gesetzlichen Krankenkassen anbieten können.
Wie sind die befundorientierten Festzuschüsse im GMG geregelt?
Ab dem 1. Januar 2005 werden von den gesetzlichen Krankenkassen bei der
Versorgung mit Zahnersatz statt der bisherigen prozentualen Anteile der
Kosten für Zahnersatz befundbezogene Festzuschüsse gezahlt. Grundlage
für die Höhe der Zuzahlung der Krankenkasse ist somit nicht mehr das
gewählte Therapiemittel, sondern der individuelle Befund, d.h. der Grad
der Zerstörung der Zähne bzw. die Anzahl und Lage der fehlenden Zähne,
abhängig von der üblicherweise bei diesem Befund eingesetzten
Versorgung (sogenannte Regelversorgung).
Der Gemeinsame Bundesausschuss, ein Gremium paritätisch von Zahnärzten
und Krankenkassen, einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren
unparteiischen Mitgliedern, besetzt, hat bis zum 30. Juni 2004 die
Befunde zu bestimmen, für die Festzuschüsse gewährt werden. Diese
Befunde werden dann den prothetischen Regelversorgungen zugeordnet. Die
Bestimmung der Befunde erfolgt auf der Grundlage einer international
anerkannten Klassifikation des Lückengebisses.
Ferner sind Regelungen zu treffen, bei denen der Versicherte
Festzuschüsse auch bei der Wahl bei einem über die Regelversorgung
hinausgehenden gleichartigen oder andersartigen Zahnersatz erhält.
Damit wird für den Versicherten mehr Wahlfreiheit geschaffen, ohne
seinen Anspruch auf die Festzuschüsse zu verlieren.
(Weitere Informationen zu den Änderungen ab 2005 erhalten Sie auch auf
der Website der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung:
www.kzbv.de/m32.htm)
Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer