Zähne in einer Stunde – Stellungnahme von implantate.com zum Medienspektakel


Die in Stern-TV und anderen Fernsehsendungen angepriesene, neue Methode
„teeth in an hour“ -mit Hilfe des NobelGuide-Systems der Fa. Nobel
Biocare-muss differenziert betrachtet werden.
Die Sofortbelastung und das Einbringen von Implantaten ohne
Aufschneiden des Zahnfleischs (Stanzverfahren) sind bereits seit langem
etablierte Techniken in der Implantologie.
Die Sofortbelastung zeigt unter der Voraussetzung, dass eine
Überlastung des Implantats in der Einheilphase verhindert wird, gute
Erfolgsquoten. Dieses wird im zahnlosen Kiefer durch die sogenannte
primäre Verblockung der einzelnen Implantate durch den direkt
aufgesetzten Zahnersatz erreicht, der die Einzelbelastung der
Implantate minimiert. Ein erhöhtes Risiko des Frühverlusts gegenüber
der unbelasteten Einheilung ist dennoch vorhanden.
Das Stanzverfahren ist eine minimalinvasive Technik, bei der der Zugang
für das Implantateinbringen durch das kreisrunde Stanzen des
Zahnfleischs erzielt wird. Bei der herkömmlichen Technik wird das
Zahnfleisch dagegen mehr oder weniger weit aufgeklappt, um den
Kieferknochen für die Implantatbehandlung klar erkennen zu können.
Das Stanzverfahren mildert das operative Trauma am Zahnfleisch ab,
Schwellungen und Blutergüsse sind deutlich geringer. Auch der
postoperative Wundschmerz ist geringer ausgeprägt, wobei auch bei
herkömmlichen Verfahren die Wundschmerzproblematik nach Implantaten
(bei normalem Verlauf) eher unbedeutend ist. Die Stanzung benötigt
sichere Kenntnis über die Breite des Kieferknochens, da sonst das
Risiko einer Implantatperforation durch den Knochen nach aussen (mit
nachfolgendem Implantatverlust) sehr hoch ist. Das Verfahren ist immer
mit einer offenen Einheilung verbunden. Knochenaufbaumaßnahmen sind
nicht möglich.
Da die alleinige Untersuchung des Kieferknochens selten in der Lage
ist, sichere Kenntnise über die Breite des Knochens zu liefern, muss in
der Regel eine 3D-Aufnahme (NewTom, Computertomografie (CT))
angefertigt werden.
Der präzise Einsatz des vorfgefertigten Zahnersatzes ist allerdings
eine neue, beeindruckende Entwicklung durch CAD-Zahntechnik durch das
NobelGuide-Verfahren des Implantathersteller Nobelbiocare. Durch die
Simulation sowohl der Implantatpositionen in einem 3D-Programm als auch
der damit relativ präzise zu bestimmenden Implantataufbauten, kann auch
das passende Zahnersatzgerüst nach CAD gefertigt werden. Minimale
Ungenauigkeiten können durch spezielle Aufbauten ausgeglichen werden.
So technisch beeindruckend dieses Verfahren auch ist, wirft es doch
einige Fragen auf. Wer trägt das Risiko und die Kosten, falls
Implantate nicht einheilen? Dann kann unter Umständen nämich eine
Neuanfertigung des Zahnersatzes notwendig werden.
Welche Möglichkeiten der ästhetischen Gestaltung hat man, ohne präzise
Anproben gemacht zu haben und ohne Kenntnis des Zahnfleischverlaufs
nach der Einheilphase? Ist es hiernach überhaupt möglich ein optimales
Ergebnis zu erzielen?

Fazit: Ein technisch beeindruckendes Verfahren, dass aber aufgrund der notwendigen Voraussetzungen:
• ausreichendes Knochenangebot in Breite und Höhe, kein Knochenaufbau notwendig
• keine Entzündungsherde im Knochen
und der Risiken
• ästhetisch nicht exakt planbar
• theor. Implantatverlustquote erhöht
• erhöhte Strahlenbelastung
und nicht zuletzt der gesteigerten Kosten in der beworbenen Form nur
für einen verschwindend kleinen Anteil der Implantatpatienten in Frage
kommen wird.
Ein sofort fest sitzender Zahnersatz bei einer Implantatbehandlung wird
übrigens auch durch den Einsatz von Kurzzeitimplantaten
(Interimsimplantaten) ermöglicht

Zu dieser Medienkampagne kann man die Fa. Nobel Biocare eigentlich nur
beglückwünschen, ist es ihnen doch gelungen, einen Bedarf zu schaffen,
den es eigentlich gar nicht gibt.

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999