Studie: Keine Entwicklungsstörungen von Kindern durch Amalgam-Füllungen


Amalgamfüllungen bei Kindern erhöhen die Quecksilberausscheidung im Urin, was eine systemische Exposition des Körpers beweist. In zwei Studien, die jetzt im US-amerikanischen Ärzteblatt publiziert wurden, waren jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder nachzuweisen.

Amalgam ist seit mehr als 150 Jahren ein beliebtes Füllmaterial in der Zahnmedizin. Es ist preisgünstig, leicht modellierbar und auch langlebiger als Kunstharzfüllungen. Doch Amalgam besteht etwa zu 40 bis 50 Prozent aus Quecksilber. Lange Zeit gingen die Wissenschaftler davon aus, dass das Quecksilber nur für kurze Zeit nach der zahnärztlichen Behandlung aus dem Amalgam freigesetzt wird. In den 70er- und 80er-Jahren wurden die Nachweismethoden jedoch verfeinert. Seither ist bekannt, dass kleine Mengen Quecksilber kontinuierlich in die Mundhöhle ausdampfen und über Lunge und Mundschleimhaut vom Körper resorbiert werden.

Seither gibt es Bedenken, dass die Träger von Amalgam-Plomben chronisch mit dem flüssigen Metall vergiftet werden – und dass Quecksilber giftig ist, hat sich seit der Minamata-Katastrophe, einer Massenvergiftung tausender Fischer in einem japanischen Dorf in den 50er-Jahren fest in das kollektive Gedächtnis eingeprägt. Quecksilber schädigt vor allem das Gehirn und die Nieren. Eine chronische Vergiftung mit Quecksilber in geringer Konzentration kann zu vermehrter Irritabilität, Gedächtnisstörungen, Tremor, Koordinationsstörungen, Schlaflosigkeit, Nierenversagen und Anorexie führen. Ob diese Symptome, vielleicht in abgeschwächter Form, durch Amalgam ausgelöst werden, lässt sich nicht allein aus dem Nachweis von Quecksilber im Urin herleiten. Das US-National Institute of Dental and Craniofacial Research hat deshalb seit 1996 zwei Studien gefördert, welche die toxische Wirkung bei Kindern untersuchte, bei denen wegen der noch nicht abgeschlossenen Hirnentwicklung am ehesten mit Schäden zu rechnen ist.

Eine Studie wurde unter Leitung von David Bellinger vom Children's Hospital in Boston in sechs Zentren in Massachusetts durchgeführt (JAMA 2006; 295: 1775-1783). 534 Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren mit Karies an zwei oder mehr hinteren Zähnen wurden entweder mit Amalgam- oder Kunststofffüllungen versorgt. Die andere Studie wurde in Lissabon in Portugal durchgeführt (JAMA 2006; 295: 1784-1792). Dort wurden 507 Kinder mit kariösen Läsionen randomisiert. Die Kinder der US-Studie werden seit nunmehr fünf Jahren, die Kinder der portugiesischen Studie seit 7 Jahren nachbeobachtet. Bei den US-Kindern wurden im Durchschnitt 15 Zahnoberflächen restauriert, davon 11,5 mit Amalgam. Bei den portugiesischen Kindern wurden im Mittel 18,7 Zahnläsionen behandelt. Der Zahnstatus war also schlecht und die potenzielle Exposition mit Quecksilber erheblich.

Amalgam ist jedoch nicht die einzige Quelle für eine Quecksilber-Belastung. Dies zeigten die Harnuntersuchungen vor Beginn der Studie. Die Quecksilberkonzentration im Urin der portugiesischen Kinder betrug 1,8µg/g Kreatinin, obwohl nur Kinder an der Studie teilnahmen, die keine einzige Amalgamfüllung hatten. Bei den Kindern der US-Studie wurde das Schwermetall in Spuren auch in den Haaren nachgewiesen. In beiden Studien erhöhte die Amalgamfüllung die Exposition mit Quecksilber. In der US-Studie stieg die Konzentration im Urin um 0,1 bis 5,7 µg/g (gegenüber einem Anstieg um 0,1-2,9µg/g in der Kontrollgruppe). Bei den portugiesischen Kindern, über die Timothy DeRouen von der Universität Seattle berichtet, waren die Quecksilberwerte im Urin 1,0-1,5 µg/g höher als in der Vergleichsgruppe.

Diese höhere Quecksilberbelastung führte jedoch in keiner der beiden Studien zu schlechteren Ergebnissen in zahlreichen Tests zur kognitiven Entwicklung der Kinder. Bellinger und DeRouen fanden keine Hinweise auf eine niedrigere Intelligenz oder schlechtere Gedächtnisleistungen. Auch die visuellmotorischen Fähigkeiten waren nicht beeinträchtigt. Erkrankungen wie Allergien oder Migräne, die gelegentlich mit Amalgamfüllungen in Verbindung gebracht werden, traten nicht gehäuft auf. Auch für Störungen der Nierenfunktion fanden sich keine Hinweise.

Quelle: Ärzteblatt

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999