Die gesetzliche Krankenkasse soll einer durch Parodontose zahnlos gewordenen Patientin die Kosten für eine Implantatversorgung erstatten. Das entschied das Sozialgericht Hannover, obwohl die Behandlungsrichtlinien für die Bezuschussung von Zahnersatz eine Kostenübernahme nicht vorsehen.
Kostenübernahme von Implantaten durch GKV selten
Grundsätzlich werden die Kosten für Zahnmplantate von der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) nicht übernommen. Es sei denn, es handelt sich um sogenannte Ausnahmeindikationen. Die Richtlinien für diese Ausnahmen wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt und sind streng geregelt.
Nur wenn eine Ausnahmeindikation vorliegt, zum Beispiel bei größeren Kieferdefekten nach Tumor-Operationen, kommt die Krankenkasse für die Kosten von Zahnimplantaten inklusive des aufgesetzten Zahnersatzes auf.
„Zahnlosigkeit durch Parodontose“ = Vollprothese
Geklagt hatte eine 54-Jährige, die unter einer wackeligen Unterkieferprothese litt. Aufgrund von Parodontitis mussten ihr sowohl im Ober-, als auch im Unterkiefer sämtliche Zähne gezogen werden. Die Kasse kam der Regelverorgung entsprechend für die Kosten einer Vollprothese auf.
Patientin unzufrieden mit Regelversorgung
Während der Sitz der Oberkieferprothese nicht zu beanstanden war, fand die Unterkieferprothese keinen Halt. Das bestätigte auch ein Gutachter. Der Kieferknochen hatte sich durch die Abwesenheit von Zähnen zu stark abgebaut (Atrophie). Ein wackelfreier Sitz der Prothese war nicht zu bewerkstelligen.
Überraschendes Urteil entgegen der G-BA Richtlinien
Das Gericht kam zu der Einschätzung, dass Zahnlosigkeit einen „regelwidrigen“ Körperzustand darstellt und die Notwendigkeit einer funktionalen Versorgung besteht. Auch wenn es sich beim vorliegenden Fall nicht um eine Ausnahmeindikation handelt, muss die Krankenkasse für die Implantatversorgung aufkommen.
Festzuschuss für Zahnlücken, auch bei Implantaten
Zahnimplantate werden von der GKV zwar nicht bezuschusst, ein Zuschuss zur Versorgung mit Zahnimplantaten gibt es aber dennoch. Bezuschusst wird der aufgesetzte Zahnersatz nach Richtlinien der Regelversorgung. Der Zuschuss ist unabhängig von dem tatsächlich eingesetzten Zahnersatz. Bei einer Einzelzahnlücke gibt es den Festzuschuss für eine Brücke. Damit die gesetzliche Krankenkasse eine Zuzahlung leistet, muss vorab ein Heil- und Kostenplan (HKP) eingereicht werden.
Da die Kosten für eine Versorgung mit Zahnimplantaten höher sind, als die Kosten für eine Zahnbrücke, ist der Eigenanteil für den Patienten auch nach Abzug des Zuschusses hoch.
implantate.com-Kommentar
Wenn die Vollprothese wackelt, soll nun die Kasse Implantate bezahlen. Das könnte ein Dammbruch im Solidarsystem der Krankenkasse bedeuten. Höhere Instanzen werden sich sicherlich noch dieser Fragestellung widmen.
Quelle: SG Hannover, 12.04.2019 – S 89 KR 434/18