Mundgeruch ist zumeist harmlos, kann sich aber im Privat- und
Geschäftsleben zum belastenden Störfaktor entwickeln. Zwar hat jeder ab
und zu einmal Mundgeruch – beispielsweise nach dem Genuss bestimmter
Lebensmittel oder morgens nach dem Aufwachen – doch ein Viertel der
westlichen Bevölkerung leidet unter dauerhaft schlechtem Atem.
Betroffene merken das bisweilen erst daran, dass sich die Mitmenschen
von ihnen abwenden, denn offen angesprochen wird dieses Thema kaum.
"Dabei wird Mundgeruch in den seltensten Fällen durch mangelnde
Mundhygiene verursacht", erklärt Dr. Jürgen Oberbeckmann, Leiter der
Zahnklinik am Elisabeth-Krankenhaus Essen. "Wir machen vielmehr die
Erfahrung, dass Mundgeruchpatienten sich sehr häufig die Zähne putzen,
um das unangenehme Problem in den Griff zu bekommen. Mit der Zahnbürste
allein bekämpft man Mundgeruch aber nur bedingt."
Krankhafte Ursachen?
Mundgeruch selbst ist nicht als Krankheit einzustufen, aber schlechter
Atem kann ein Indiz für eine Reihe von möglichen Erkrankungen sein:
Kranke Zähne, defekte Zahnfüllungen oder entzündetes Zahnfleisch sind
einige davon. Seltener sind Halsentzündung, Entzündungen der Atemwege
oder Magen-Darmprobleme die Ursache. Auch ein schlecht eingestellter
Diabetes mellitus oder schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen
können zu Mundgeruch führen. "Wer Mundgeruch an sich bemerkt, sollte
zunächst mit seinem Zahnarzt sprechen", so Oberbeckmann. "Liegt die
Ursache nicht in der Mundhöhle, muss eine fachärztliche Abklärung
entsprechend dem diagnostizierten Krankheitsbild erfolgen. Die Prognose
hängt von der Grunderkrankung ab – kann diese behandelt werden, so wird
auch der Mundgeruch behoben."
Bewohner der Mundflora
Als Nummer eins der Ursachen für Mundgeruch ist allerdings keine
Erkrankung, sondern eine Gruppe von Bakterien zu nennen, die in der
Mundhöhle leben. Diese Mikroorganismen sind ein Teil der natürlichen
Mundflora und keinesfalls schädlich und infektiös. Darum kann und darf
man sie nicht einfach völlig aus dem Mundbereich entfernen. Die
Bakterien sind Helfer beim Verdauen von Eiweiß, das sie sowohl in
Nahrungsmitteln als auch in Sekreten, Schleim oder auch abgestorbener
Mundschleimhaut finden. "Eiweiß besteht aus Aminosäuren. Einige dieser
Aminosäuren enthalten sehr viel Schwefelmoleküle", erklärt der Zahnarzt
aus Essen. "Durch das Aufspalten des Eiweißes setzen die Mundmikroben
den Schwefel frei, der dann leicht flüchtige Verbindungen eingeht. Der
so entstehende Schwefelwasserstoff riecht – das wissen die meisten noch
aus dem Chemieunterricht – wie faule Eier und ist damit im wesentlichen
für schlechten Atem verantwortlich." Die eiweißspaltenden Bakterien
gehören zur Klasse der Anaerobier, das heißt, sie fühlen sich dort am
wohlsten, wo es wenig Sauerstoff gibt. Deshalb leben sie überwiegend im
hinteren Teil der Zunge zwischen den Papillen – den feinen Fasern der
Zunge. "Aber keine Angst, schlechter Atem ist nicht ansteckend, nicht
einmal beim Küssen", so Oberbeckmann. "Alle Menschen haben diese
Mikroorganismen im Mund. Aus bisher unbekannten Gründen wird bei
manchen allerdings eine höhere Anzahl gefunden. Bei den Betroffenen
werden entsprechend mehr Aminosäuren in der Mundhöhle aufgespalten und
Schwefelverbindungen freigesetzt."
Gute Voraussetzungen für schlechten Atem
Natürlich begünstigen vor allem eiweißhaltige Nahrungsmittel wie Milch,
Fleisch oder Fisch den Mundgeruch. Eine willkommene Mahlzeit für die
anaeroben Bakterien ist auch der Schleim, der bei einer Erkältung oder
Allergie am Rachen entlang läuft und die hintere Zunge bedeckt. Auch
Kaffee und andere säurehaltigen Nahrungsmittel mögen die
Mikroorganismen, denn in saurem Milieu können sie sich schneller
vermehren. Besonders am Morgen nach dem Aufwachen hat man oft fauligen
Mundgeruch. Grund dafür: Der Körper produziert im Schlaf weniger
Speichel als im wachen Zustand. Durch Schnarchen oder Schlafen mit
offenem Mund trocknet der Mund zusätzlich aus. "Ein Klima, in dem sich
die Bakterien wohl fühlen", erklärt Oberbeckmann. "Denn Speichel spült
nicht nur die Mundmikroben mitsamt ihren Ausscheidungen die Speiseröhre
herunter, er enthält auch Sauerstoff, den sie nicht mögen." Weitere
Ursachen für einen trockenen Mund und somit für schlechten Atem können
auch bestimmte Medikamente – insbesondere Nasentropfen – oder
Spirituosen sowie alkoholhaltige Mundwässer sein.
Riechen Sie doch bitte mal
Viele Menschen glauben, sie können den eigenen Atem riechen, indem sie
die Hände über Mund und Nase legen und ausatmen. "Dem ist nicht so",
weiß der Essener Zahnarzt. "Unser Geruchssinn ist so eingerichtet, dass
wir den eigenen Körpergeruch nicht wahrnehmen. Es gibt aber einige
körperliche Anzeichen, die auf möglichen Mundgeruch hinweisen:
Beispielsweise Beläge auf der Zunge, weiße kleine Punkte auf den
Rachenmandeln, dickflüssiger Speichel, ein dauernder Reiz, sich zu
räuspern sowie ein ständig saurer oder metallischer Geschmack im Mund.
Wer allerdings sicher wissen will, ob er aus dem Mund riecht, sollte
mutig sein und ehrliche Mitmenschen befragen." Heute sind auch
zahlreiche instrumentelle Messungen des Atems möglich. Die
entsprechenden Geräte erkennen die Konzentration von Schwefelmolekülen
in der Atemluft und im Speichel.
Verwandte im Zaum halten
Natürlich ist eine gute Mundhygiene die Voraussetzung, um schlechten
Atem zu bekämpfen, denn so entzieht man den Mikroorganismen das
Nährstoffangebot. Oberbeckmann: "Putzen Sie sich nach jeder Mahlzeit
die Zähne und reinigen Sie herausnehmbaren Zahnersatz unter fließendem
Wasser. Verwenden Sie täglich Zahnseide für die Zahnzwischenräume.
Falls die Zunge belegt ist, reinigen Sie diese mit einer weichen Bürste
oder einem Schaber. Um die Mundhöhle feucht zu halten, trinken Sie viel
Wasser. Kaugummikauen kann zusätzlich die Speichelbildung anregen. Die
meisten Mundwässer überdecken bestenfalls die üblen Gerüche, lösen aber
nicht das Problem. Der Geschmack von Pfefferminz und anderen Aromen
macht unserem Gehirn weiß, dass der Atem frisch sei. Man kann aber
einen starken Minzegeschmack im Mund haben und der Geruch, der bei den
Mitmenschen ankommt, kann trotzdem schwefelhaltig sein. Alkoholhaltige
Mundwässer führen zudem zu einer Verschlechterung des Atems. Dagegen
sind Präparate mit Aktivsauerstoff zu empfehlen, da sie schwefelhaltige
Stoffe binden. Bei Anwendung einer dreiprozentigen Mundspülung aus
Wasserstoffperoxyd kommt es so zu einer deutlichen Reduktion der leicht
flüchtigen Schwefelverbindungen – und die Wirkdauer hält zwölf Stunden
und länger vor."
Obwohl er viel Eiweiß enthält, kann auch Naturjoghurt bei Mundgeruch
helfen. Japanische Forscher fanden heraus, dass sich die
Joghurtkulturen positiv auf die Zusammensetzung der Mikroorganismen in
der Mundflora auswirken. "Die aktiven Bakterienkulturen des Joghurts
halten ihre ‚Verwandten’ im Zaum, die den Mundraum besiedeln. Dies
führt zu einer entscheidenden Reduktion der schwefelproduzierenden
Bakterien", so Oberbeckmann. "Wer reichlich Joghurt isst, dessen Atem
enthält einen deutlich geringeren Anteil an Schwefelverbindungen.
Insbesondere die Konzentration von Schwefelwasserstoff sinkt um bis zu
80 Prozent. Voraussetzung ist allerdings, dass man Joghurt mit lebenden
Kulturen löffelt. Positiver Nebeneffekt des Joghurtverzehrs: Auch
Zahnfleischentzündungen und Zahnbeläge gehen zurück."