Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Zähne
eines Menschen und der Zusammensetzung der Mikroorganismen in der
Mundhöhle. Um die Entstehung von Parodontitis – einer Entzündung des
Zahnhalteapparates, die mit Knochenabbau einhergeht – zu verstehen, ist
es nötig, die Gemeinschaft der Mikroorganismen im Mund zu analysieren.
Nur einige wenige Bakterienarten zu untersuchen, wie bisher üblich, ist
nicht ausreichend. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der
Universitäten Münster und Bielefeld in einer neuen Studie, die nun in
der Online-Fachzeitschrift „PLoS ONE“ veröffentlicht ist.
Parodontitis führt unbehandelt dazu, dass die Zähne locker werden und
ausfallen. Sie ist weltweit eine der häufigsten Erkrankungen, von der
mehr als die Hälfte der über 40-Jährigen in den Industrieländern
betroffen sind. Zur Behandlung reinigt der Zahnarzt üblicherweise die
Zahntaschen, um bakterielle Beläge (Plaques) zu entfernen, welche die
Erkrankung auslösen. Häufig werden zu dieser professionellen
Zahnreinigung noch zusätzlich Antibiotika verschrieben, obwohl unklar
ist, wie effektiv sie wirken, so die Wissenschaftler.
Im menschlichen Mund leben bis zu 700 verschiedene Bakterienarten.
Bestimmte Kombinationen der Bakterienarten spielen eine zentrale Rolle
bei der Entstehung von Parodontitis, erklären die Forscher. Welche das
genau sind, sei bislang nicht im Detail bekannt. Ziel der Studie war es
daher, herauszufinden, wie die Bakteriengemeinschaft auf die
konventionelle Parodontitis- Behandlung reagiert. Dies sei der erste
Schritt, um zu verstehen, wie diese Methode wirkt, und um in Zukunft
Vorhersagen über den Verlauf der Erkrankung treffen zu können, betonen
die Wissenschaftler.
Den bisher üblichen Ansatz, ausgewählte Bakterienarten zu untersuchen,
hält Prof. Dr. Dag Harmsen von der Poliklinik für Parodontologie der
Universität Münster, Mitautor der neuen Studie, für uneffektiv.
„Parodontitis wird nicht von einzelnen Bakterienarten ausgelöst. Es ist
nötig, alle Mikroorganismen im Mundraum zu erfassen und zu beobachten,
wie diese Lebensgemeinschaft auf die Behandlung reagiert. Nur so kann
man verstehen, ob und weshalb eine Behandlung wirkt“, betont der
Mediziner. Das Team konnte erstmals zeigen, dass die professionelle
Zahnreinigung mit und ohne Antibiotikagabe zu einer Erhöhung der
Vielfalt und Gleichverteilung an Bakterienarten im Mund der Patienten
führt.
Dag Harmsens Ansatz, die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Mund zu
betrachten, ist ein sogenannter metagenomischer Ansatz, bei dem
bestimmte DNA-Fragmente – „Amplikons der ribosomalen DNA“ – untersucht
werden. Diese molekulargenetische Methode ermöglicht es, das Erbgut
aller im Mund vorkommenden Organismen durch eine DNA-Sequenzierung zu
erfassen und somit nachzuweisen, welche Arten von Mikroorganismen dort
leben. Das Forscherteam hat für diese Art von Untersuchung erstmals
einen „Ion PGM™“-Sequenzierer eingesetzt. Dieses Sequenziergerät
ermöglicht eine schnellere und günstigere metagenomische Analyse als
bisher, also eine Sequenzierung der „nächsten Generation“. „Die größte
Schwierigkeit dabei ist es, die großen Datenmengen, die dabei entstehen,
sinnvoll auszuwerten. Es war für uns eine Herausforderung, ein
automatisches Analysesystem für diese neue Technologie zu entwickeln“,
betont der Erstautor der Studie, Sebastian Jünemann vom Institut für
Bioinformatik am Zentrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld.
Dag Harmsen wirft einen Blick in die Zukunft: „Die Ergebnisse der Studie
müssen zunächst durch weitere Experimente mit einer größeren Stichprobe
bestätigt werden. Dann wird unser neuer Ansatz, Veränderungen in der
gesamten mikrobiellen Lebensgemeinschaft im Mund zu beobachten, den
Erfolg von Parodontitis-Behandlungen verbessern. Diese Methode wird
sicherlich bald routinemäßig in der Praxis eingesetzt“, prognostiziert
er.