Kinderzahnärzte diskutieren Kindesvernachlässigung


Auf der 15. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde DGK, die vom 26. – 27. September 2008 in Dresden stattfindet, nehmen sich ca. 500 Kinderzahnärzte einer breiten Themenpalette an. Zum einen sind fachbezogene Themen Gegenstand der Diskussion. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Versorgung des zahnärztlichen Notfalls, der mit Zahnschmerzen, aber auch mit Zahnverletzungen überraschend in der Praxis vorstellig wird. Hier geht es darum, rasch die geeigneten Maßnahmen zur Behebung der akuten Symptomatik zu treffen.

Ein weiterer Tagungsschwerpunkt liegt in der Fortbildung über die aktuellen Möglichkeiten der Kariesprävention. In einer Zeit, in der bei Kindern und Jugendlichen ein deutlicher Rückgang der einstigen „Volksseuche“ Karies registriert wird, fällt umso mehr auf, dass dieser Rückgang nicht gleichermaßen alle Kinder betrifft. Vielmehr ist ein Teil der Kinder in unverändert hohem Ausmaß von Karies befallen. Hierzu wird referiert werden, inwiefern der Zuckeraustauschstoff Xylit eine Verbesserung erbringen mag. Aber auch die Bedeutung der Fissurenversiegelung sowie der Fluoridanwendung werden durch anerkannte Experten dargestellt werden.

Es ist zu konstatieren, dass auch bei bester Kenntnis der kariespräventiven Maßnahmen ein Teil der Kinder und Jugendlichen hiervon nur weniger profitieren wird, da die betreffenden Familien die Präventionsangebote nur unzureichend in Anspruch nehmen. Hier sind gesellschaftliche Lösungsansätze einzufordern, die über die fachlichen Fähigkeiten des Berufsstandes hinausgehen.

So wie die Zahnärzte für die weitreichende Umsetzung der Präventionsmaßnahmen die Unterstützung der Gesellschaft benötigen, so können die Kinderzahnärzte im Gegenzug jedoch wertvolle Hilfe bei der Bewältigung des gesellschaftlichen Problems der Kindesvernachlässigung oder des Kindesmissbrauchs geben. Ein Haupanliegen der Tagung widmet sich dieser Thematik.

Auch hierzu werden eine Reihe renommierter nationaler und internationaler Experten zu den Zahnärzten sprechen. Damit greifen die Kinderzahnärzte ein Thema auf, das in unserer Gesellschaft zunehmende Aufmerksamkeit erfährt. Die besonderen Möglichkeiten der Kinderzahnheilkunde liegen darin, dass viele der betroffenen Kinder schließlich dem Zahnarzt, ob wegen Schmerzen, Verletzungen oder Schwellungen im Gesichtsbereich, vorgestellt werden. 60% aller Verletzungen nach Kindesmisshandlung zeigen sich im Kopf- und Halsbereich. Es ist ein Ziel der Tagung, die Kenntnis eindeutiger Symptome von Vernachlässigung oder Missbrauch zu schärfen, um dann die erforderlichen Maßnahmen einleiten zu können. So kann der Kinderzahnarzt eine wichtige Aufgabe bei der Früherkennung von Symptomen der Kindesmisshandlung oder –vernachlässigung übernehmen.

Zeichen der Kindesvernachlässigung können körperlicher Art sein. Hierzu zählt auch die fehlende Sorge um die Gesundheit der Kinder, und an den Zähnen kann sich dies als frühzeitiges Abfaulen der Milchzähne zeigen. In vielen spezialisierten Praxen und Universitätszahnkliniken ist eine Zunahme dieser Fälle der so genannten „Frühkindlichen Karies“ festzustellen.

Eine besondere Problematik liegt darin, dass die teilweise außerordentlich schweren Zahnschäden schon bei sehr kleinen Kindern nur durch eine Behandlung unter Narkose therapiert werden können. Diese Sanierung ist sehr aufwendig. Leider werden aber derzeit auch diese Möglichkeiten de facto weiter dadurch eingeschränkt, dass infolge von Honorarkürzungen für die Anästhesisten, die für eine Narkosebehandlung zwingend erforderlich sind, diese Therapieform aus der Kassenversorgung ausgegrenzt wird. Die Leidtragenden sind die Kinder, da sich viele Eltern in der Regel eine private Behandlung nicht leisten können.

Die DGK stellt mit ca. 1500 Mitgliedern die stärkste Gruppierung der Kinderzahnärzte dar. Als wissenschaftliche Gesellschaft ist sie dem Zugewinn, aber ebenso der Umsetzung wissenschaftlich begründeter Erkenntnisse verpflichtet. Mit ihrer Jahrestagung wird die DGK einen weiten Bogen von den täglichen fachlichen Herausforderungen in der kinderzahnärztlichen Behandlung bis zu gesellschaftlichen Berührungspunkten schlagen.
Prof. Dr. Ulrich Schiffner
Präsident

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 29 September 2008