In Sachsen schon ab Oktober kein Geld mehr für Zahnersatz


Dresden. Der Patient, der schon seit längerem über eine Krone in seinem Gebiss nachdenkt, staunte in der Dresdner Zahnarztpraxis Lode nicht schlecht, als ihm seine behandelnde Zahnärztin verkündete, dass ab September nichts mehr zu machen sei. Erst im nächsten Jahr könne er wieder vorbei schauen. Der Grund: Ab 1. Oktober erhalten sächsische Zahnärzte für Leistungen im Bereich Zahnersatz nur noch 40 Prozent ihres Honorars. Lediglich Reparaturen sollen uneingeschränkt möglich sein.

Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen (KZVS) hat die Notbremse gezogen. "Das Geld, welches die Kassen zur Verfügung stellen, ist alle", erklärt Sprecher Thomas Breyer, der selbst als Zahnarzt tätig ist. Vorläufige Berechnungen ergaben, dass das Budget im 1. Quartal 2004 im Vergleich zum Vorjahr um rund neun Millionen Euro überschritten wurde. Bis Ende des Jahres rechnet man mit 30 Millionen Euro Mehrausgaben. Das ist nach KZVS-Angaben das Dreifache gegenüber 2003.

Sollte die Abrechnung des 2. Quartals ähnlich dramatisch ausfallen, wie zum Jahresanfang, kündigt die KZVS Honorarkürzungen für alle zahnärztlichen Leistungen an. Wird dann auch der Schmerzpatient wieder nach Hause geschickt mit der Aussicht, sein Loch im Zahn bis 2005 sorgsam zu pflegen? Kein Grund zur Panik, betont Breyer. "Alles medizinisch Notwendige ist abgesichert." Schuld an der finanziellen Schieflage sei die große Verunsicherung der Menschen durch die Gesundheitsreform. Da sie nicht wüssten, ob Zahnersatz nächstes Jahr noch bezahlt werde, stürmen sie die Praxen. Nach DNN-Informationen haben viele Zahnärzte sogar ihren Urlaub abgesagt, um der Auftragsflut Herr zu werden.

Die Versorgung mit Zahnersatz ist auch 2005 über die gesetzlichen Krankenkassen gewährleistet, betont Barmer-Sprecher Dirk Bunzel. Der Versicherte muss allerdings dafür einen eigenen monatlichen Beitrag leisten. Die Höhe soll im Oktober einheitlich für alle gesetzlichen Kassen festliegen.

Bunzel sieht keine Qualitätsverschlechterung auf Patienten zukommen. "Erstmals werden nächstes Jahr auch Implantate anteilig von den Kassen bezahlt", nennt er einen Vorteil der neuen Regelungen. Für das Signal an die Zahnärzte, nur noch Leistungen zu erbringen, die auch honoriert werden, hat die Barmer Verständnis. Ähnlich sieht es auch die AOK Sachsen. Die so genannten Vorzieheffekte, sprich der Ansturm auf Zahnarztpraxen, führen zwangsläufig zur Überziehung, so Geschäftsbereichsleiter Rainer Striebel. Zu ernsthaften Einschränkungen der Versorgung dürfe es aber nicht kommen. Die AOK werde das 4. Quartal genau beobachten und notfalls auf Lösungen dringen, sagt Striebel. "Wir sind gespannt, wie die Zahnärzte reagieren."

Es bestehe ja kein Verbot, Zahnersatz anzufertigen. Gerade hier setzt die Kritik von Jens Richter an. "Die Kasse genehmigt den Heil- und Kostenplan. Und wenn der Zahnarzt dann danach behandelt, wird ihm 60 Prozent seines Honorars abgezogen." Richter ist kein Zahnarzt. Er arbeitet als Zahntechniker in Rochlitz und hat mit Kollegen eine Unterschriftensammlung gegen die Maßnahmen der KZVS initiiert, die dem sächsischen Sozialministerium vorgelegt werden soll. Die Branche der Zahntechniker fürchte um ihren Fortbestand, wenn Zahnersatz künftig im Ausland besorgt wird. An der Unterschriftenaktion beteilige sich unter anderm auch die Dresdner DeguDent GmbH, so Richter. Angesprochen seien ebenso Zahnärzte und Patienten. Erstere würden von der KZVS kritisiert, weil sie bestrebt sind, ihre Patienten innerhalb eines Quartals zu behandeln und somit nur einmal Praxisgebühr kassieren. Letztere müssten 2005 mit Sicherheit mehr für ihren Zahnersatz ausgeben, glaubt Richter

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999