HIV: Beschwerden im Mund können auf Herzprobleme hinweisen


Mit der Entwicklung moderner Therapien, die das HI-Virus in Schach
halten, sterben immer weniger HIV-Infizierte an AIDS. Dadurch gewinnen
Folgeerkrankungen der Immunschwäche zunehmend an Bedeutung. So
untersucht die „HIV-Herz-Studie“ des Kompetenznetzes Herzinsuffizienz in
Zusammenarbeit mit dem Kompetenznetz HIV/AIDS das erhöhte Risiko
HIV-infizierter Patienten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Uns war
schnell klar, dass die Fragestellungen dieser Studie vielfältige
Verbindungen zur Mund- und Zahngesundheit besitzen; auch Letztere ist
bei Trägern des HI-Virus stark beeinträchtigt“, berichtet die Leipziger
Zahnärztin Dr. med. dent. Bianca Gelbrich. Sie initiierte eine
Befragung, bei der die Teilnehmer der HIV-Herz-Studie Angaben darüber
machten, wie häufig sie unter Error! Post not found for word:zahn- und Zahnfleischschmerzen litten,
wunde Stellen im Mund hatten oder von Mundtrockenheit, Mundgeruch und
ähnlichen Problemen geplagt wurden.

Wie die Auswertung der Daten von 372 Patienten ergab, hatten die
HIV-Infizierten fast doppelt so häufig Beschwerden im Mundbereich wie
die Normalbevölkerung. Sehr beeindruckend war der in den Analysen
gefundene Zusammenhang zwischen Mund- und Herzgesundheit. Von den
Patienten mit starker Belastung durch Probleme mit Zähnen, Zahnfleisch
und Mundschleimhaut hatten 47 Prozent einen auffälligen
Herz-Kreislauf-Befund; bei Patienten ohne Beschwerden waren dies nur 11
Prozent. Besonders interessant war die Gruppe der Teilnehmer, bei denen
noch nie eine Herz- oder Gefäßkrankheit diagnostiziert worden war und
die auch keine Symptome einer solchen Erkrankung hatten: Hier fanden die
Ärzte bei 31 Prozent der Patienten mit stark beeinträchtigter
Mundgesundheit im Herzultraschall erste Anzeichen von Krankheiten des
Herzmuskels und der Herzkranzgefäße. Bei den Patienten mit guter
Mundgesundheit waren dies nur sieben Prozent. Die Beobachtungen konnten
nicht dadurch erklärt werden, dass Einflussfaktoren wie etwa das Alter
oder Rauchen das Risiko vieler Erkrankungen erhöhen. Der Zusammenhang
zwischen Herz- und Mundgesundheit war jedoch bei jenen Patienten am
deutlichsten, die bereits schwere Phasen der Immunschwäche durchlebt
hatten.

„Die Symptome an Zähnen oder Zahnfleisch erwiesen sich als Indikatoren
für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko“, kommentiert Dr. Gelbrich das
Ergebnis ihrer Untersuchung. Darüber, wie genau Mund- und
Herzerkrankungen zusammenhängen, können die Wissenschaftler bislang nur
spekulieren. Chronische Entzündungen, etwa bei einer schweren
Zahnfleischentzündung (Parodontitis), sind – auch bei
Nicht-HIV-Infizierten – Risikofaktoren für die Entstehung einer
Herz-Kreislauf-Erkrankung. Wissenschaftler gehen davon aus, dass
Entzündungsbotenstoffe und Bakterien, die aus dem Mund über die Blutbahn
in den Körper gelangen, die Gefäßwände schädigen und so Schlaganfall
und Herzinfarkt mit verursachen können. Möglicherweise sei dieser
Mechanismus bei einer HIV-Infektion stärker ausgeprägt, vermuten die
Wissenschaftler. Es sei aber auch denkbar, dass der schlechte
Immunstatus unabhängig voneinander Mund, Herz und Gefäße,
beeinträchtige, erklärt Gelbrich.

Für ihre Arbeit wurde die Leipziger Zahnmedizinerin von der Deutschen
Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) mit dem 1. Platz in der Kategorie
Poster des DGZ-Jahresbestpreises geehrt, der mit 3.000 Euro dotiert ist.
Besondere Beachtung findet die Arbeit auch aufgrund der
fächerübergreifenden Leistung: „Die Zusammenarbeit dreier Disziplinen
HIV-Medizin, Kardiologie und Zahnheilkunde ist einzigartig und
beispielgebend“, sagt Professor Dr. med. dent. Karl-Heinz Dannhauer,
Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum
Leipzig.

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 10 September 2011