Unerklärliches Phänomen, ein Geist, die Stimme aus dem Jenseits oder einfach "Chopper" – so betitelte die Boulevardpresse den "Geist" der angeblich in einer Zahnarztpraxis in Neutraubling im Landkreis Regensburg sein Unwesen trieb. Mit Komplimenten und wüsten Beschimpfungen verunsicherte "Chopper" die Patienten und vorgeblich auch die Angestellten der Praxis.
Denn in Wirklichkeit nutzte eine Zahnarzthelferin die besondere Akustik der gekachelten Praxisräume und Hohlräume der Zwischenwände und erschuf so "Chopper", die Stimme aus dem Jenseits.
Nachdem deutsche Boulevardmedien "Chopper" für sich entdeckt hatten, genoss der Geist in der Praxis bald weltweite Aufmerksamkeit. Vor allem Esoterikanhänger und Parapsychologen witterten einen Beweis für eine Verbindung zum Jenseits. Die örtliche Polizeiinspektion war ratlos und ermittelte ein halbes Jahr ohne greifbares Ergebnis und auch die technischen Nachforschungen der Bundespost, die 1982 noch ein Staatsunternehmen war, blieben trotz großem Aufwand ohne Ergebnis.
Beleidigungen aus dem Spuknapf
Für die Boulevardmedien war "Chopper" ein gefundenes Fressen. Nahezu jeden Tag wurden neue Geschichten aus Neutraubling verbreitet. Mal war die quäkende Geisterstimme aus der Kloschüssel zu hören, beschimpfte Patienten aus dem Spuknapf mit "Machs Maul auf" und gestand der hübschen Zahnarzthelferin Claudia seine Zuneigung: "Ich liebe dich, mein Schatz". Die dunkelhaarige Auszubildende rückte immer mehr in den Mittelpunkt de Interesses. Einige "Experten" vermuteten in ihr sogar ein "Medium", das über "Chopper" Botschaften aus dem Jenseits empfing.
LKA entzaubert den Geist
Erst einem Team des Landeskriminalamtes (LKA) gelang es, die Zahnarzthelferin als Haupttäterin zu überführen. Aber auch der Zahnarzt und seine Frau waren quasi aushilfsweise als "Chopper" aufgetreten. Die Sonderkommission "Geist" besetzte mehrere Tage die Praxis und konnte so Claudia, den Zahnarzt und dessen Ehefrau als Urheber überführen. Sachbearbeiter Norbert Czerny von der SOKO "Geist" erinnert sich: "Am Anfang haben sie sich zurückgehalten, aber am zweiten Tag sind sie schon vorlauter geworden." Schließlich wurden die Verdächtigen am Abend des 3. März 1982 stundenlang vernommen. Danach war die Sache klar und Geist "Chopper" hatte sich verflüchtigt.
Nachspiel vor Gericht
Doch zu Ende war die "Chopper"-Geschichte damit noch nicht: Die drei "Chopper"-Stimmen mussten sich Ende 1983 vor Gericht verantworten. Zahnarzthelferin Claudia bekam eine Jugendstrafe und musste 1.500 Mark, umgerechnet rund 750 Euro Geldbuße zahlen. In der Urteilsbegründung unterstrich der Richter: "Sie hat sich eine Figur geschaffen, um von ihr bewundert zu werden." Weniger glimpflich kamen der Zahnarzt und seine Frau davon: Sie mussten wegen Vortäuschens einer Straftat und Beleidigung zusammen eine fünfstellige Geldstrafe zahlen. Außerdem schickte die Post dem Ehepaar eine Schadenersatzrechnung über 35.000 Mark, umgerechnet rund 17.800 Euro.
Auch außergerichtlich hatte "Chopper" unheilvolle Folgen für die Chopperriege: Azubi Claudia wurde von ihrem Chef gefeuert. Der Zahnarzt musste wenig später seine Praxis aufgeben und Neutraubling verlassen. Der Wirbel um Chopper und der Skandal seine Person hinterließ beim Zahnarzt Spuren: Er landete kurzzeitig in der Psychiatrie und musste sich behandeln lassen.
Quelle: BR-Korrespondenten