Eine Parodontitis verstärkt möglicherweise rheumatische Erkrankungen


Bei rheumatischen Systemerkrankungen hat sich herausgestellt, dass Patienten mit einer ankylosierenden Spondyloarthritis ein 6,8-fach erhohtes Risiko fur eine Parodontitis aufweisen [5]. Auch bei Rheuma im Kindes- und Jugendalter besteht eine erhohte Gefahr, eine Parodontitis zu entwickeln [6]. Seit einigen Jahren werden diese Zusammenhange unter dem Begriff .parodontale Medizin untersucht.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Parodontitis und rheumatoide Arthritis (RA) haben eine wesentliche Gemeinsamkeit: Eine Entzündung liegt vor. Einmal betrifft es den Zahnhalteapparat, das sogenannte Parodontium, im anderen Fall die Gelenke, wobei von einer RA auch andere Organsysteme betroffen sein konnen. Bei der RA entzündet sich die sogenannte Synovialmembran, die die Innenauskleidung der Gelenke bildet. Im entzündeten Zustand kann sie den Abbau von Knochen und Knorpelgewebe im Gelenk verursachen. Viele Faktoren bedingen die Entwicklung der RA, darunter Alter und Geschlecht, genetische Voraussetzungen, Rauchen aber auch Infektionen, die zum Beispiel durch Bakterien entstehen. Eine bakterielle Infektion ist auch Hauptursache der Parodontitis. Dabei bildet sich ein mikrobieller Biofilm auf der Zahnoberfläche, der durch die Bakterien direkte und durch eine uberschiesende Immunantwort indirekte Schädigungen hervorruft, die zum schleichenden Abbau des Zahnhalteapparates und schlieslich zu Zahnverlust führen können.

Vergleichbare Entzundungsmuster bei RA und Parodontitis

Bei beiden Erkrankungen scheint die Reaktion auf den jeweiligen Entzündungsreiz unverhaltnismässig stark zu sein, und in den Krankheitsverlaufen verursachen chronisch-entzündliche Prozesse, dass Bindegewebe und Knochenmatrix zerstört werden. Bei der RA fuhren insbesondere entzündungsfordernde Zytokine, Botenstoffe wie IL-1, IL-6 und TNF- α sowie Bindegewebszellen der Synovialmembran dazu, dass strukturschadigende Substanzen wie PGE2s und MMPs freigesetzt werden. Prostaglandin E2 (PGE2) ist eines der wichtigsten Gewebehormone, das in das Entzundungsgeschehen involviert ist. Es erhöht die Durchlässigkeit der Gefässse, wodurch Schwellungen entstehen, verursacht Rötungen und verstärkt Schmerzen. Matrix zerstörende Kollagenasen und Elastasen (MMPs) sind Enzyme, die unter anderem Peptidverbindungen spalten. Es wurde bereits gezeigt, dass dieses Zytokinmuster sich bei der Parodontitis sehr ähnlich darstellt wie bei der RA [3, 4]. So sind bei der Parodontitis ebenfalls hohe Anteile der entzundungsfordernden Zytokine IL-1, IL-6 und TNF-α messbar und wahrend aktiver Phasen finden sich hohe Konzentrationen von PGE2 und MMPs im parodontalen Gewebe.

Unterstützen Bakterien der Parodontitis den Krankheitsverlauf einer RA?

Ein Bakterium, das beim Entstehen und Fortschreiten einer Parodontitis eine wesentliche Rolle spielt, heist Porphyromonas gingivalis. Uber eine Reaktionskette wirkt es sich scheinbar direkt auch auf die RA aus. Es verfugt uber zahlreiche krankheitsauslösende Faktoren und ist der bisher einzige Keim, von dem bekannt ist, dass er das Enzym Peptidylarginindeiminase (PAD) abgibt [7, 8]. Die PAD ist ein wichtiger Krankheitsfaktor fur eine RA, denn ihre Aktivitat verandert Argininreste, wodurch wiederum Peptidyl-Citrullinreste entstehen. Letztere fordern die Bildung von Auto-Antikorpern ACPA. Kann ACPA im Korper nachgewiesen werden, bedeutet dies mit groser Wahrscheinlichkeit, dass eine RA vorliegt [9]. Diesem Ablauf zufolge konnen Gewebeschädigungen von RA-Patienten durch Bakterien der Parodontitis verursacht werden.

Kann sorgfaltige Mundpflege eine RA eindämmen?

In einer kurzlich erschienenen Studie wurden insgesamt 40 RA-Patienten in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt eine nicht-chirurgische Behandlung des Zahnfleisches mit Pflegeanleitungen, die andere Gruppe diente als Kontrollgruppe ohne parodontale Therapie und ohne Hygieneinstruktionen. Die Untersuchungen bei den Studienteilnehmern mit zahnarztlicher Behandlung zeigten, dass die RA weniger aktiv war: Es ergaben sich deutliche Verringerungen im Funktionsbogen DAS28, in der Blutsenkungsgeschwindigkeit sowie im Serum-TNF-Éø-Nachweis. Wie oben erwahnt, befindet sich bei einer RA ein erhohter Anteil von TNF-α-Botenstoffen im Korper.

Ganzheitlicher medizinischer Ansatz bei Rheuma

Auf Basis der genannten Studien und bekannten molekularen Muster gibt es viele weiterführende Fragen dazu, wie Bakterien rheumatische Erkrankungen beeinflussen. Insbesondere die Erforschung pathogenetischer Zusammenhange ist ein Gebiet, dem sich Wissenschaftler an der Charite in Berlin-Mitte widmen wollen. Langfristig haben sie sich zum Ziel gesetzt, mogliche Therapieansatze zu finden, um den bakteriellen Einfluss auf entzündlich-rheumatische Erkrankungen zu vermindern. Bisher steht die Forderung der Mundhygiene und . sofern notwendig . eine Sanierung des Zahnhalteapparates bei Rheuma-Patienten mit Parodontitis an erster Stelle. Es zeigt sich an diesem .kleinen Forschungsgebiet, dass der Erhalt der ganzheitlichen Gesundheit bei rheumatischen Patienten durch eine interdisziplinare Vernetzung vieler Fachgebiete zunehmend im Vordergrund stehen wird.

Kontakt: PD Dr. med. Jacqueline Detert
Medizinische Klinik III,
Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie
Charite Universitatsmedizin Berlin Campus Mitte
Chariteplatz 1
10117 Berlin
jacqueline.detert@charite.de
Parodontitis & rheumatoide Arthritis

Uber die Halfte der Patienten mit RA haben eine Parodontitis, so das
Ergebnis einer von Dr. Codrina Ancuta aus Lasi in Rumanien beim
Rheuma-Kongress vorgestellten Untersuchung. RA-Patienten mit
Parodontitis haben eine signifikant hohrere Krankheitsaktivitat als
RA-Patienten ohne. Dr. Jerry Molitor aus Minneapolis, USA, fand heraus,
dass eine Parodontitis auch bei Nichtrauchern das Risiko fur eine RA um
das 2,6-fache erhoht.

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 19 Oktober 2009