Bakterien sind für die Zahnfleischerkrankung Parodontitis zuständig.
Sie sammeln sich in Zahntaschen, entzünden das Zahnfleisch und können
sogar zu Herzkrankheiten führen. Welche Vorgänge dabei ablaufen, ist
noch immer weitgehend unbekannt. Ein soeben vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung ins Leben gerufener Forschungsverbund soll die
Erkrankung und ihren Verlauf untersuchen. Beteiligt sind neben mehreren
deutschen Universitäts- und Industriepartnern auch die Mikrobiologen
vom Universitätsklinikum Rostock. Sie untersuchen mit einem speziellen
Verfahren die Parodontitis-Bakterien, um Aufschlüsse über die
Entwicklung der Zahnfleischkrankheit zu erhalten und neue
Behandlungsverfahren zu testen. „Die Parodonditis ist eine der
chronischen Volkserkrankungen Deutschlands. Es gibt praktisch keinen
45-jährigen oder älteren in Deutschland, der nicht zumindest
vorübergehend an einem oder mehreren seiner Zähne parodontitische
Veränderungen aufweist“, sagt Professor Dr. Andreas Podbielski,
Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und
Hygiene am Universitätsklinikum Rostock. Wenn diese nicht sachgerecht
behandelt und die Zähne inklusive der Zahnzwischenräume ordentlich
geputzt werden, drohe der Verlust der befallenen Zähne und als
besondere Komplikation sogar eine Infektion der Herzinnenhaut, so
Professor Podbielski weiter. Ausgelöst wird die Parodontitis durch eine
krankhaft veränderte Bakterienflora in vertieften Zahntaschen. „Es ist
bekannt, dass Rauchen zu diesem Prozess beiträgt, die genauen Ursachen
der Floraveränderung sind aber weiter unbekannt“, sagt der Rostocker
Mikrobiologe.
Die zahnärztliche Behandlung der Parodontitis besteht maßgeblich in der
mechanischen Entfernung der Bakterienflora. Dies kann, muss aber nicht
den Prozess zum Stehen bringen. Da auch andere chronische Erkrankungen
durch eine Mischung vieler Bakterienarten ausgelöst werden können, hat
das Bundesministerium für Bildung und Forschung wegen des
herausragenden Beispiels der Parodontitis ein Verbundprojekt zur
Erforschung des multibakteriellen Hintergrunds dieser Erkrankung
ausgeschrieben. Das Ministerium legte Wert darauf, dass modernste
technologische Untersuchungsmethoden z.B. zur zeitgleichen Untersuchung
der gesamten Genexpression mehrerer Bakterienarten zur Anwendung kommen
sollen. In einer ausgeprägten Konkurrenzsituation exzellenter
Forschergruppen aus praktisch allen deutschen Universitäten bekam ein
Forschungsverbund aus pharmakologischen Biologen und Phytobiologen der
Universität Münster und Mitarbeitern der Abteilung für Medizinische
Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universitätsklinik Rostock den
Zuschlag für die nächsten drei Jahre.
Die Rostocker Forscher konnten dabei mit ihrer Expertise in der Kultur
und Untersuchung von so genannten Mischbiofilmen, d.h. dünnen
Oberflächen-Überzügen aus verschiedenen Bakterienarten, punkten. Die
Technik ist besonders anspruchsvoll, weil insbesondere solche Bakterien
kultiviert werden, die nur unter Ausschluss von Luftsauerstoff wachsen.
Die Rostocker Forscher werden nun beobachten, inwieweit sich die
Bakterien typischer Parodontitis-Biofilme in ihrer Genexpression
gegenseitig beeinflussen, umso die Grundlagen der Entwicklung der
Parodontitis besser zu verstehen. Ferner werden sie das Verfahren
nutzen, um alternative Behandlungsmethoden zur Parodontitis zu testen.
Dazu gehören Naturstoffe, die die Münsteraner Kollegen isolieren,
Mund-Antiseptika eines führenden deutschen Herstellers und als gänzlich
neuartiger Ansatz Probiotika-Präparate der zwei diesbezüglich größten
deutschen Pharmazeutikaproduzenten. Die dafür vom BMBF und den Firmen
zur Verfügung gestellten Mittel finanzieren den erheblichen Sachaufwand
und die Stellen von zwei Wissenschaftlerinnen.
Kontakt
Prof. Dr. Dr. Andreas Podbielski
Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene Universitätsklinikum Rostock
Schillingallee 70
18057 Rostock
Tel. 0381 – 494 5900
Fax: 0381 – 494 5902
e-mail: andreas.podbielski at med.uni-rostock.de
Der Parodontitis auf der Spur – Rostocker Mikrobiologen erforschen Volkskrankheit
Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 30 November 1999