Knochenersatzmaterial: synthetisch, vom Rind oder Knochenzüchtung?

Künstlicher Knochen

Knochenersatzmaterialien erweitern schon seit langem das Spektrum der Möglichkeiten, fehlendes Knochenvolumen z.B. für eine Implantatbehandlung zu regenerieren. Wenn auch die Verwendung von Eigenknochen, das aus entsprechenden Regionen des Kiefers oder sogar des Hüftknochens gewonnen werden kann, als Goldstandard für einen Knochenaufbau gilt, stehen Aufwand und Möglichkeiten bei der Gewinnung mitunter nicht immer in einem idealen Verhältnis. Ersatzknochen ist dann eine leicht verfügbare Alternative. Das Konzept hierbei ist, dass durch die in die Defekte eingebrachten Knochenaufbaumaterialien der  Knochen eine stabile Leitstruktur (Osteokonduktion) bekommt um hereinzuwachsen. Nach und nach ersetzt der neugebildeten Knochen das Ersatzmaterial, das sogar sogar die Knochenbildung anzuregen (Osteoinduktion) vermag.

Partikuläres Knochenersatzmaterial: Tricalciumphosphat (ß-TCP)

Man unterscheidet bei den Knochenersatzmaterialien nach Herkunft

  • allogen (homolog), Knochen von einem menschlichen Spender
  • xenogen (heterolog), aus tierischem oder pflanzlichem Gewebe gewonnen oder
  • synthetisch (alloplastisch), künstlich hergestellt


und nach Material/Struktur

  • aufbereiteter Fremdknochen (FDBA, DFDBA) als Knochenblock
  • Hydroxylapatit (synthetisch oder xenogen)
  • Trikalziumphosphat (zurzeit nur in Kombination mit Hydroxylapatit)
  • Kalziumsulfat (in Zellulosematrix)
  • Glaskeramik
  • Polymere

Allogen: Fremdknochen

Zur Anwendung kommen demineralisierter gefriergetrockneter Knochen (DFDBA, Demineralized Freeze-Dried Bone Allograft, neuerdings auch DBM für Demineralized Bone Matrix gennannt) oder auch die nicht demineralisiert Form (FDBA), die aus Leichenspenderknochen gewonnen werden. In den USA erfüllt DFDB seit langem die strengen Zulassungskriterien der FDA (vergleichbar dem Bundesministerium f. Gesundheit, BMG) und wird dort routinemäßig insbesondere in der Orthopädie eingesetzt. Ein Restrisiko, der in kontrollierten Organbanken in den USA gewonnenen Materialien, besteht in der Übertragung von Erkrankungen (sehr geringes Risiko, z.B. HIV niedriger als 1:1 Million) oder durch mögliche Immunreaktionen. Tatsächliche Fälle von Übertragungen in den letzten Jahren sind allerdings nicht bekannt. In Deutschland gibt es zur Zeit nur einen Hersteller/Vertrieb.

Der Vorteil von allogenem Knochen besteht in der idealen Leitstruktur des Materials für das Einwachsen des eigenen Knochens (Osteokonduktion). Durch noch vorhandene Proteine (BMP´s) wirkt DBFB sogar osteoinduktiv (Knochenbildung-anregend). Ein weiterer Vorteil besteht in der sicheren Volumenstabilität bei Verwendung von Knochenblöcken. Negativmeldung hat es kaum gegeben und sind seit Verwendung neuester Aufbereitungs- und Testmethoden nicht mehr dokumentiert worden.

Vorteile

  • Osteoinduktiv (regt die Knochenneubildung an)
  • Osteokonduktiv (Leitschiene für Knochenneubildung)
  • Volumenstabil (Knochenblock)
  • Auch für größere Defekte einsetzbar
  • Schnellere Knochenbildung als bei den synthetischen oder xenogenen Ersatzmaterialien

Nachteile

  • geringes Restrisiko für Krankheitsübertragungen oder Immunreaktionen nicht auszuschliessen
  • höhere Kosten

Xenogene Materialien:  Rind, Schwein oder Algen

Hierzu gehört als bekanntester Vertreter, das aus bovinem Knochen gewonnene Bio-Oss®, dann das equine Bio-Gen®, sowie das aus Algen hergestellte Algipore®,. Allesamt haben sie Hydroxylapatit als Grundbaustein. Bio-Oss® gilt als das am besten dokumentierte Knochenersatzmaterial überhaupt, besitzt eine komplexere dreidimensionale Struktur, ermöglicht eine verbesserte Osteokonduktivität und erzielt eine verlässliche Knochendurchbauung. Durch die Gewinnung aus Rinderknochen war es in der Diskussion (BSE). Das Herstellungsverfahren (Proteine werden sicher eliminiert) wird wissenschaftlich jedoch als absolut sicher eingestuft.

Vorteile

  • Verlässlichkeit sehr gut dokumentiert
  • hohe Osteokonduktivität
  • gute Verfügbarkeit

Nachteile

  • als Fremdmaterial aufklärungspflichtig

Synthetische Knochenersatz-Materialien

Am häufigsten finden ß-Tricalciumphosphate als künstlicher Knochen Verwendung. Sie werden in verschiedenen Partikelgrössen für verschiedene Indikationen hergestellt: 1-2000 µm für größere Volumendefekte z.B. den Sinuslift, ca. 500 µm für das Auffüllen kleinerer Defekte in der Implantologie und Parodontologie. Weitere Materialien sind Hydroxylapatit, Trikalziumphosphat (zurzeit nur in Kombination mit Hydroxylapatit), Kalziumsulfat (in Zellulosematrix), Glaskeramik und polymere Zucker bzw. Milchzucker. Synthetische Knochenersatzmaterialien sind in der Regel rein osteokonduktiv, eine Osteoinduktion ist nicht nachweisbar. Die klinischen Ergebnisse unterscheiden sich bei den verschieden Herstellern nicht signifikant, so dass die Verwendung des einen oder anderen Materials stark von den Vorlieben des Behandlers abhängt

Vorteile

  • osteokonduktiv
  • gut dokumentiert
  • gleichbleibende Qualität
  • synthetisch, risikofrei

Nachteil

  • im Vergleich möglicherweise wohl etwas längere Dauer bis zur Durchbauung

Knochenersatzmaterial wird am Knochen angelagert

Knochenzüchtung - Bone Engineering

Bei der Knochenzüchtung ist das Ziel, den Knochen an gewünschter Stelle und in gewünschter Menge mittels osteoinduktiver Substanzen und Moleküle, kontrolliert wachsen zu lassen. Als bekanntester Vertreter der osteoinduktiven Substanzen sind die BMP´s anzusehen.

BMP

Abkürzung von Bone Morphogenetic Proteins (engl.), spezielle Eiweißkörper, die der Körper als örtliche Botenstoffe für Knochenaufbau und Knochenheilung produziert. Einsatzgebiete von BMP's in der Medizin sind Knochenaufbau bei Defekten und gezielte Beschleunigung von Knochenheilungsvorgängen (Knochenbruchheilung, Implantateinheilung) am Anwendungsort. Verfügbarkeit und Dosierung sind im Augenblick im zahnärztlichen Bereich allerdings noch nicht ganz praxisreif. In Erprobung sind Knochenersatzmaterialien, die mit BMP's beschickt werden, um so eine schnelle Knochengenerierung im gewünschten Bereich zu erzielen. Auch sind Implantate in der Erprobung, deren Oberfläche mit BMP´s überzogen ist, um eine schnellere Einheilung zu erzielen. Die Kosten für eine Behandlung sind zurzeit noch sehr hoch, auch blieb der Nutzen in bisherigen Studien hinter den Erwartungen zurück, so dass von einer breiten Anwendung im Augenblick nicht auszugehen ist.

Als zusätzliches Verfahren ist die Anwendung von PRP (plättchenreiches Plasma) bzw. PRGF (Plasma Rich in Growth Factors,) für eine schnellere Wundheilung von Nutzen. Das Potential, neuen Knochen damit zu gewinnen, ist allerdings als sehr zweifelhaft anzusehen.

Tissue Engineering und Stammzellen

Das Prinzip der Knochenzüchtung außerhalb des Körpers ist ein besonders interessantes Thema. Technisches Vorgehen: Stammzellen werden aus dem Knochenmark (multipotente Zellen) oder bereits differenzierte Osteoblasten z.B. aus der Knochenhaut des Kiefers (Periost) bei einem Patienten entnommen (Biopsat). Diese werden in einem speziellen Brutkasten auf geeigneten Trägersubstanzen (spezielle Vliesse oder Hydroxylapatit-Gerüste) über Wochen kultiviert und wachsen dann zu re-implantierbare Zuchtknochen-Chips heran.

Vorteil

  • genetisch gesehen: Eigenknochen
  • Ersteingriff (Entnahme) gegenüber einem Knochenblock geringer

Nachteil

  • teuer
  • "Ertrag" zurzeit noch gering
  • Struktur des gezüchteten Knochens gegenüber Eigenknochen schwächer
  • Gesamtbehandlungsdauer eher verlängert

Kosten für künstlichen Knochen

Da der Knochenaufbau mit künstlichem Knochen ganz unterschiedliche Verfahren beinhaltet, haben die Preise je nach Verfahren eine Spanne von 50-1000€. Das Die geringsten Kosten hat die Knochenanlagerung mit Knochenersatzmaterial, am teuersten wird es mit Knochenzüchtung und transplantierten Knochenblöcken. Mehr zu den Kosten einen Kieferknochenaufbaus.

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Literatur

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Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 11. März 2021