Diskussions-Forum Zahnimplantate und Zahnersatz

 


Pro und contra Keramik-Implantate

  • Ersteller
    Thema
  • #313606 Antworten
    pipverlag
    Teilnehmer

    Pro Keramik-Implantate:

    Der Keramikwerkstoff Zirkonoxidiumdioxid ist dem gewachsenen Zahn vergleichbar und hinsichtlich der Biokompatibilität den Metallen klar vorzuziehen – dazu braucht man kein Wünschelrutengeher oder Metall-Phobiker
    zu sein. Und in ästhetischer Hinsicht ist sein Vorzug sicherlich inzwischen unbestritten.
    Bei dünner Mukosa führen Titan-Implantate zu Verfärbungen, und bei späteren Rezessionen des Weichgewebes, mit denen wir es bei Implantatpatienten häufig zu tun haben, sticht ein exponiertes Keramik-Abutment längst nicht so markant hervor wie Titan.
    Die Titan-Befürworter betonen immer das mangelnde allergene Potential des Werkstoffes, verschweigen aber, dass keine Allergie noch lange nicht keine Unverträglichkeit heißt. Verschiedene Umweltmediziner haben bereits nachgewiesen, dass Titan längst nicht so biokompatibel ist wie oft behauptet, und es nach Oxidation von Titanpartikeln im Körper bei manchen, offenbar genetisch oder durch Umwelteinflüsse vorbelasteten Patienten zu Entzündungsreaktionen kommt, die weit über die direkte Umgebung des Implantates hinausgehen. Wer weiß, wie viele unerklärliche Knochenabbau-Prozesse und Implantatlockerungen, die wir in der Praxis beobachten, auf solche Einflüsse zurückzuführen sind?
    Oft sind für den Patienten leidige chronische Erkrankungen auf Zahnprobleme zurückzuführen. Im Sinne einer ganzheitlichen Medizin sind Metallschrauben im Kopf geradezu aberwitzig. Im Frontzahnbereich, bei ausreichendem Platzangebot, hoher Lachlinie und dünner Mukosa empfehlen sich in jedem Fall Keramikimplantate, wenigstens aber Keramik-Abutments. Wobei es dank Zirkonoxid eben sogar endlich möglich ist, dass Implantate und Suprastrukturen eine materialtechnische Einheit bilden. Die tatsächlich noch dünne Studienlage ändert sich soeben, daneben darf man dann fragen, wie es denn streng wissenschaftlich mit der Studienlage zu vielen Titanimplantaten aussieht? Da werden zum Teil fröhlich alte Studienergebnisse auf völlig neue Designs übertragen.
    Die nötige offene Einheilung bei den einteiligen Systemen war tatsächlich mit einigen Nachteilen behaftet, und auch prothetisch gab es deswegen einige Limitationen, aber dank der neueren zweiteiligen Systeme sind diese Einschränkungen auch vom Tisch. Bei den einteiligen Systemen lagen die Verluste oft nicht im Material, sondern in Fehlindikationen, Frühbelastungen, zeitgleichen Augmentationen oder fehlerhaften Sofortversorgungen begründet  alles Gründe, die auch bei einem Titanimplantat zu Versagen geführt hätten.
    Zirkonoxid ist nicht nur grundsätzlich gewebefreundlicher, sondern auch die Plaque-Anlagerungen, die letztlich zu Weichgewebsrezessionen und späterem Knochenrückgang führen, sind auf dem Material deutlich verringert. Vielleicht liegt hier die Antwort auf die Periimplantitis-Problematik?
    Das Wichtigste zum Schluß: Unser Patient fordert das Material. Er möchte lieber Biomaterialien als Metallegierungen im Mund, er will verträgliche Werkstoffe. Und er will transluzenten, natürlich wirkenden Zahnersatz, vor allem im Frontzahnbereich. Mit Zirkonoxid kann ich ihm all das geben.

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  • #313607 Antworten
    pipverlag
    Teilnehmer

    Contra Keramik-Implantate:

    In Sachen Festigkeit sind Metalle den Keramiken klar überlegen. Industriell gefertigte Keramikwerkstoffe sind nie völlig frei von winzigen Rissen oder Spalten, die natürlich unter Zug- und Biegebelastungen wachsen. Selbst unter rein statischer Belastung zeigen sich bei Keramiken Ermüdungserscheinungen, die sich schnell von einem noch unkritischen Risswachstum bis zur Fraktur des Implantates auswachsen können.
    Das Weiß von Zirkonoxid-Implantaten führt bei dünner Mukosa zu Verfärbungen. Je nach Ausgangslage kann die deutliche Aufhellung oder das Blueing der Gingiva vom Patienten als ästhetisch störend empfunden werden. Bisher sind die meisten Keramiksysteme einteilig und müssen während der offenen Einheilphase über 4-6 Monate vor Zungenbewegungen und Wangendruck geschützt werden. Die dafür nötigen Schienen und Interimsprothesen sind für die Patienten oft störend. Bei zu großem Wärmeeinfluss wandeln sich die Materialeigenschaften von Zirkonoxid, die Biegefestigkeit wird herabgesetzt. Die Implantation muss daher äußerst vorsichtig mit geringen Eindrehmomenten (max. 36 Ncm) und maximaler Kühlung erfolgen und in möglichst einer Sitzung vorgenommen werden. Auch beim Beschleifen muss immer die Wärmeentwicklung im Auge behalten werden. Ich bin mir nicht sicher, ob das Protokoll im Eifer des Gefechts immer so exakt eingehalten werden kann.
    Die wissenschaftliche Studienlage zu Zirkonoxidiumdioxid- Implantaten ist immer noch viel zu dünn. Die meisten Aussagen zu den Vorteilen von Keramik-Implantaten sind rein spekulativer Natur. Die wenigen vorhandenen Studien ergeben dabei vergleichsweise hohe Frühmisserfolgsraten verglichen mit Titanimplantaten. Zirkonoxid und Titan scheinen ein ähnliches osseointegratives Verhalten zu zeigen. Bei genauem Hinsehen wurde das Einwachsverhalten von Zirkonoxidiumoxid in den Knochen und die Morphologie des umgebenden Gewebes aber noch nicht schlüssig dargestellt, da die Studien verschiedene Implantat-Typen oder unterschiedliche Ausgangsmaterialien betreffen. Es fehlen grundlegende vergleichende Laborstudien von Titan- und Zirkonoxid-Implantaten und über biologische oder mechanische Komplikationen bei den verschiedenen Materialien und deren Langzeitverhalten.
    Wir sollten auch nicht vergessen, dass schon in den 80er Jahren einmal ein Keramiksystem  damals allerdings aus Alumniumoxid – breite Verwendung fand, welches nach hohen Frakturraten im 5-Jahresvergleich wieder vom Markt genommen wurde. Im Unterkieferknochen entspricht die Erfolgsrate von Keramikimplantaten dem Stand, den wir mit Titanimplantaten vor 20 Jahren hatten. Ich sehe Zirkonoxid nach wie vor im experimentellen Bereich und bin überrascht, wie oft es angesichts dieser Fakten schon in den Praxen angewendet wird. Wir sollten weiter auf Bewährtes setzen und die Entwicklung beobachten.

    #313608 Antworten
    jekebecker
    Teilnehmer

    Guten Tag,

    sehr vereinzelt liest man in Fachmagazinen Abhandlungen über neuartige „Keramikimplantate“. Der Werkstoff Zirkoniumdioxid erscheint vielversprechend, hat er sich bereits im dentalen klinischen Einsatz als Kronen- und Brückenwerkstoff sowie als Abutmentmaterial bewährt. Die wissenschaftliche Ableitung, dass er sich somit auch als Implantatkörper eignet, erscheint somit logisch. Osseointegration von Zirkoniumdioxid gilt als gesichert, lediglich die notwendigen Langzeituntersuchungen mit hohem Evidenzgrad stehen noch aus. Dieses erging den Titanimplantaten vor 40 Jahren jedoch nicht anders. Lediglich aus der Ermangelung von Alternativwerkstoffen zu diesem Zeitpunkt ist es zu verdanken, dass der Einsatz der Titanimplantate so reibungslos voranschreiten konnte.

    Keinesfalls soll hier eine Lanze für „Keramik“implantate gebrochen werden. Aber genau die Gegenüberstellung der Pro´s und Contra´s in PIP 2/2010 mit den zum Teil diametral auseinandergehenden Meinungen schafft das Spannungsfeld, in dem die Energien für eine weitere Forschung geboren werden können.
    Wenn die Zirkoniumdioxid-Implantate vergleichbare Daten zu den Titan-Implantaten zeigen werden, wird dieser Implantattyp seine Nische finden.

    Sehr störend sind allerdings Extremansichten in beiden Lagern. So wird das neue Material mit einem, zugegeben erfolglosem, Versuch in der Vergangenheit mit einem anderen „weißen“, aber eben unterschiedlichen Material, verglichen.

    Andererseits, und dies muß einmal gesagt werden, mutet es nahezu demagogisch an, wenn das neue Material deshalb als besser körperverträglich dargestellt wird, weil es metallfrei sei. Schon vor den Abiturjahrgängen lernt man in Chemie das PSE (Periodensystem der Elemente). Bei genauem Hinsehen findet man man das Element Zirkon in der gleichen Nebengruppe wie das Titan (Nebengruppe IVa, Kemper-Fladt: Chemie, Klett Verlag Stuttgart 1985). Elemente werden deshalb in Gruppen unterteilt, weil sie gleichartige oder gleiche chemische Eigenschaften aufweisen. Wenn nun die Gegner der Titan-Implantate das Material Zirkon als metallfrei darstellen, reduzieren sie ihr eigenes wissenschaftliches Verständnis auf die Beurteilungsfähigkeit von Farben.
    Nebenbei enthalten auch alle Grundstoffe dentaler Keramiken Metalle. Selbst Silicium steht in einer Gruppe mit Blei oder Zinn, die allgemeingültig als Metalle wahrgenommen werden.

    Einfluss auf dieses Verhalten kommt sicher auch von Seiten vieler komplementärmedizinisch tätiger Kollegen. Die dort gemachten Einschränkungen zahnmedizinischer Therapieformen gehen teils soweit, dass letztendlich keine sinnvolle Lückenversorgung mit den heute zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Materialien durchgeführt werden kann. Aus eigener klinischer Erfahrung geht es zum Teil soweit, dass von komplementärmedizinischer Seite angeraten wurde, Lücken eben nicht zu versorgen.

    Ob Extrempositionen helfen, unseren Patienten eine angemessene und funktionierende Versorgung zukommen zu lassen, erscheint fraglich.

    „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist.“ (Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus, 1493-1541).

    Natürlich gibt es Studien, die eine Anreicherung von Titanoxid im Gesamtorganismus belegen. Es gibt auch Studien, nach denen bei zahnärztlichem Personal stark erhöhte Quecksilberkonzentrationen in fettreichen Geweben wie dem Gehirn nachgewiesen wurden, ohne dass zu Lebzeiten dieser Personen klinisch relevante körperliche Einschränkungen zu verzeichnen gewesen sind.
    In wie weit sich Zirkon im Organismus nachweisen läßt und welche Auswirkungen es haben könnte, ist noch völlig unklar.

    Hinsichtlich der Frühkomplikationen der Zirkonimplantate sind weitere Schritte gemacht worden. Zweiteilige Systeme erlauben nun eine unbelastete, gedeckte Einheilung (z.B. Z-System Fa. Ziterion; Zeramex Fa. Dentalpoint). Untersuchungen zu solchen Systemen laufen bereits. Sollten sich die bisherigen Frühverluste auf das Insertions- und Einheilungsprotokoll der einteilgen Systeme bezogen haben, müßten die Ergebnisse dieser Studien dies belegen.

    Aus der TCM (Traditionell Chinesischen Medizin) und Akupunktur heraus wissen wir, dass Titan eine Resonanz zur Milz hat. Dementsprechend kann auch bei der Notwendigkeit einer Implantation und der Verwendung von Titanimplantaten bei einem „besorgten“ Patienten mit z.B. Akupunktur oder Bachblüten unterstützt werden.

    Insgesamt erscheint es mir der ärztlichen Tätigkeit näherzukommen, wenn man im Sinne seiner Patienten jedesmal wieder individuell abwägt, als ausschließlich Extrempositionen zur alleinigen Wahrheit zu küren. Warum denn nicht akzeptieren, dass alles irgendwie ein Fremdkörper ist, was wir implantieren? Und sicherlich wird es auch aufgeschlossene Komplementärmediziner geben, die die Tatsache akzeptieren, dass Lücken versorgt werden sollten, weil nämlich auch funktionelle Defizite in der Mundhöhle funktionelle Defizite im Allgemeinorganismus bedingen können.

    In diesem Sinne erscheint es sinnvoll, das Althergebrachte, unstrittig funktionierende System als Basis für die eigene Implantologie anzusehen. Für unsere „besorgten“ Patienten kann das Neue, sicherlich zur Zeit noch als Nischenprodukt, nach entsprechend umfangreicher und vollständiger Aufklärung des Patienten über die geringe klinische Erfahrung mit den Zirkonimplantaten jedoch durchaus Verwendung finden.

    #313609 Antworten
    Dr. Armin Nedjat
    Teilnehmer

    Die Frage darf erlaubt sein: Was würde man selbst bei sich einsetzen?! Also ich würde mir zur Zeit auf keinen Fall ein Zirkon- Implantat einsetzen lassen, da es ein ganz schlechtes Elastizitätsmodul hat und evtl. doch nach ein paar Jahren (im Knochen!!) bricht, so wie viele Tübinger Implantate auch! Auch darf man nicht vergessen, dass z.Z. keine Kompression auf die Keramikimplantate während der Insertion selbst gegeben werden darf, d.h. sie sind zunächst nicht primärstabil! Wollen wir das? Zu welchem Preis? Ich würde mir immer selbst ein Grad IV Titan setzen lassen, unabhängig des Systems! Lieben Gruss!

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Antwort auf: Antwort #313608 in Pro und contra Keramik-Implantate
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