Lieber Herr Scholles,
so ein alter Hase bin ich gar nicht. Ein paar Jährchen sind es aber nun doch schon. Aber mich interessiert es tatsächlich, was Sie routinemäßig abfragen. Diese „alten“ Bögen listen eine Menge Dinge auf, die medizinisch gesehen völlig irrelevant sind. Das verwirrt Hausarzt und Patient und meist auch noch den Zahnarzt. Zumindest mein Bogen muß ein praxisferner Wissenschaftler ausgearbeitet haben, der mal zeigen wollte, welche Krankheiten er denn so kennt. Daher interessiert es mich tatsächlich, welche Untersuchungen Sie in der Praxis veranlassen. Bei jedem maximal? Was ist mit dem 30-jährigen, offenbar gesund – fast immer klappt es und selten eben nicht. Wer von den Fragebogenmachern beantwortet die wirklich spannenden Fragen:
1. Ab welchen Werten implantieren wir und wann nicht?
2. Was sagt mir denn als Beispiel ein kleines Blutbild? Operiere ich bei 120.000 Thrombozyten oder eben nicht? Geht es auch bei 7.000 Leukocyten oder 15.000? – Wir tappen da alle noch ein wenig im Dunkeln und wissenschaftlich gesehen kenne ich persönlich keine Studie, die Erfolg der Implantation mit irgendwelchen Meßwerten korreliert. Und am Ende wird es meistens ganz pragmatisch: Wir erklären das Risiko und der Patient entscheidet, ob er es eingehen möchte. Ich denke wir haben alle schon mal einen Raucher oder Diabetiker mit Implantaten behandelt (hat fast immer geklappt).
Das ist in meinen Augen eine rein forensische Medizin und das hilft auch nur, weil im Streitfall nur zählt, ob ich irgendetwas vorher gemacht habe, vollkommen losgelöst von medizinischer Relevanz.
Mich würden tatsächlich Grenzwerte interessieren und Marker, die uns eine Information über die Regenerationskraft des Patienten geben. Haben Sie da was? Wie können wir den Knochenstoffwechsel messen, damit wir nicht einen Sinuslift probieren, wo zur Zeit kein Aufbau stattfinden kann? Die immunologische Betrachtung hilft, ist aber als komplizierte Untersuchung als Routinecheck in jedem Fall zu aufwendig – auch wenn wir in der Praxis bereits erstaunliche Erfahrungen damit gesammelt haben.
Also, mein Fazit: Bisher kann kaum einer eine verläßliche Information vor der Implantation gewinnen, die über Erfolg oder Mißerfolg auf der biologischen Ebene Aufschluß gibt. Das ist der Punkt, an dem wir genauer hinsehen sollten. Die Regeneration des Patienten ist entscheidend, nicht einzelne Parameter. Doch wie messen wir die? Da sollten wir beim nächsten Kongreß mal die sogenannten Experten fragen – ich bin gespannt.
Bleibt noch: Haben Sie mit irgendeinem Protokoll, das sie standardmäßig einsetzen zur Diagnostik, gute Erfahrungen gemacht? Gibt Ihnen irgendein Vorgehen ein gutes Gefühl (Wissen wäre zuviel verlangt) vor der Implantation? Das wäre etwas, das mich interessieren würde. Ich werde mich freuen, wenn Sie Ihre Erfahrungen mit mir teilen.
Grüße nach Frankfurt
Jörg Brachwitz