Beihilfe erstattet immer restriktiver bei Zahanarztbehandlungen



Es tut sich was in der Beihilfe. Immer mehr Beihilfestellen verweigern die Erstattung von mehr als dem 2,3-fachen Steigerungsfaktor und berufen sich dabei auf Entscheidungen u.a. des VG Düsseldorf vom 13.12.2016 – 26 K 4790/15 –.

Ausgangspunkt des VG Düsseldorf ist folgender Punkt: „Wird eine Schwellenwertüberschreitung mit einem überdurchschnittlichen Aufwand begründet, ist dies für einen medizinischen Laien aber nur dann nachvollziehbar, wenn der Aufwand der erbrachten Leistung in Verhältnis gesetzt wird zum durchschnittlichen Aufwand vergleichbarer Leistungen. Diesen minimalen Begründungsaufwand muss die Rechnungsbegründung
leisten, um die Fälligkeit einer mit einem oberhalb des Schwellenwertes abgerechneten Leistung auszulösen.“ (Rz. 34)
Um diesen „minimalen“ Begründungsaufwand zu leisten, verlangt das VG Düsseldorf: „dass die Verhältnisse des konkret zu beurteilenden Falles mit den Verhältnissen der vom Gebührentatbestand erfassten (normalen)
Fälle verglichen werden (können).“ Dazu fordert es (unter Bezugnahme auf ein nicht veröffentlichtes
Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.12.1993 – 6 A 511/92 –)

 

  • eine Darlegung des behandelnden Zahnarztes, welchen zeitlichen
    Rahmen (vom einfachen Fall bis hin zu den schwierigsten
    Fällen) der vorgenommene Eingriff in der zahnärztlichen
    Praxis in Anspruch nimmt und
  • inwieweit sich der Fall des konkreten Patienten unter Berücksichtigung der Schwierigkeit sowie der Umstände bei der Ausführung von einem normalen Fall unterscheidet,
  • ferner eine Darstellung, wie sich der konkrete Fall im Vergleich mit anderen
  • Fällen verhält und
  • wieso er sich deutlich vom Durchschnitt unterscheidet und abhebt (Rz. 35).


Weiter heißt es im Urteil:

„Jedenfalls ist es durchaus möglich, dass der Spagat zwischen einer Begründung, an die zum einen keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden, die aber zum anderen für einen medizinischen Laien verständlich und zugleich geeignet ist, eine Schwellenwertüberschreitung zu rechtfertigen, gelingt, indem etwa bei einer zeitaufwandsbezogenen Begründung zumindest stichwortartig der zeitliche Rahmen und der durchschnittliche Zeitaufwand der erbrachten Leistung in der Berufspraxis des behandelnden Zahnarztes einerseits und der konkrete Zeitaufwand der erbrachten Leistung im Einzelfall andererseits dargelegt werden, etwa nach folgendem beispielhaften Muster: ’Zeitlicher Rahmen für die erbrachte Leistung 30 min bis 120 min, durchschnittlicher Zeitaufwand 50 min, konkreter Zeitaufwand 90 min‘, wobei mit einer derartigen zeitlichen Darlegung die zumindest stichwortartige Benennung der den konkreten Zeitaufwand verursachenden individuellen Besonderheiten zu verbinden ist. Dabei liegen übersteigerte Anforderungen insbesondere auch nicht im dem Erfordernis begründet, überhaupt konkrete Zeitwerte zu benennen.“

(Rz. 43).

Und sonst geht’s gut?

Die Vorstellung, dass der Zahnarzt den konkreten Zeitaufwand in Relation zum durchschnittlichen Zeitaufwand stellen soll, verlangt Unmögliches. Zunächst müsste man wissen, welcher Zeitaufwand der  Gebührenkalkulation der GOZ bzw. der GOÄ zugrunde gelegt wurde.

1. Daten, die das nachvollziehen ließen, sind nicht vorhanden. Niemandem ist bekannt, auf welcher Zeitbasis die einzelnen Gebührenpositionen durch das BMG kalkuliert wurden. Jedenfalls gibt es dazu keine Veröffentlichungen. Der „zeitliche Rahmen“, der dem VG Düsseldorf vorschwebt, ist also auf Makroebene
nicht bekannt.

2. Es gibt keine plausible Methode, in der Einzelpraxis den Zeitaufwand darzustellen, sofern man nicht verlangt, dass die Behandlungszeiten der einzelnen Leistungen mit der Stoppuhr festgehalten werden. Das hat dann aber mit angewandter Statistik zunächst einmal gar nichts zu tun und ist von Objektivierbarkeit
weit entfernt.

3. Der Zeitaufwand hängt in aller Regel direkt vom Können des Behandlers ab.

4. Der vom VG Düsseldorf auch erwartete durchschnittliche Zeitaufwand berechnet sich aus der Gesamtzahl aller erfassten Leistungen, ändert sich also von Mal zu Mal, bis nach dem Gesetz der großen Zahl Änderungen keine Rolle mehr spielen.

5. Wie wird das Ganze eigentlich belegt? Das bekümmert die Beihilfebehörden derzeit nicht. Man wird sich also darauf einstellen müssen, dass es hier zu einer Prozesswelle kommt, bis dieser Unfug durch obergerichtliche Entscheidungen abgestellt wird. Ausführlich werde ich mich mit diesem Thema in einem Beitrag für BDIZ EDI konkret befassen. K

Aus PIP 1/2018, Prof. Ratajczak

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 29. März 2018