Wissenschaftsrat empfiehlt umfassende Reformen für die Zahnmedizin an den Universitäten
An den 31 universitären Standorten der Zahnmedizin in Deutschland wird
in den meisten Fällen nicht ausreichend geforscht. Das international
nur wenig sichtbare wissenschaftliche Leistungsspektrum muss jedoch
auch in Relation zu den für Forschung und Lehre zur Verfügung stehenden
Ressourcen gesehen werden. Viele Standorte haben keine
Forschungsflächen und viel zu wenig Betreuer für die Studierenden. Der
Wissenschaftsrat hat auf der Basis einer von ihm durchgeführten
Datenerhebung diverse Empfehlungen zu einer Stärkung von Forschung und
Lehre in der universitären Zahnmedizin erarbeitet.
Professor Karl Max Einhäupl, Vorsitzender des Wissenschaftsrates,
erklärt hierzu: "Der Wissenschaftsrat wird in fünf Jahren prüfen, ob
seine Empfehlungen aufgegriffen wurden und forschungs- und
lehrförderliche Strukturen entstanden sind. Sollte er im Rahmen dieser
Überprüfung feststellen, dass keine substanziellen Fortschritte an den
Medizinischen Fakultäten erreicht worden sind, wird er gegebenenfalls
Empfehlungen zur Schließung einzelner zahnmedizinischer
Ausbildungsstätten aussprechen."
Forschung
Um das wissenschaftliche Leistungsvermögen zu steigern, muss nach
Auffassung des Wissenschaftsrates nicht nur der Anteil des
wissenschaftlichen Personals und der Forschungsressourcen erhöht
werden, sondern zugleich die mangelhafte Interaktion zwischen Zahn- und
Humanmedizinern innerhalb der Medizinischen Fakultäten überwunden
werden. Über den Aufbau einer Programmförderung sollten zudem
Leistungszentren der zahnmedizinischen Forschung etabliert und
entsprechende Netzwerke initiiert werden.
Lehre und Ausbildung
Die aktuelle Prüfungsordnung (Approbationsordnung von 1955) für
Zahnärzte trägt weder der fachlichen Weiterentwicklung noch den
Anforderungen an eine moderne und interdisziplinär ausgerichtete Lehre
Rechnung. Der Wissenschaftsrat empfiehlt daher eine grundlegende
Neugewichtung der Ausbildungsinhalte. Der Umfang der gesetzlichen
Regelungen muss deutlich reduziert werden, um den Fakultäten die
Entwicklung neuer Lehrpläne mit modernen Unterrichtskonzepten zu
ermöglichen. Alle Studierenden sollten eine wissenschaftliche
Abschlussarbeit vorlegen. Auch in der Zahnmedizin sollten
bundeseinheitliche Prüfungen durchgeführt werden, wie sie in der
Humanmedizin seit langem etabliert sind. Derzeit haben die Dozenten in
der Zahnmedizin deutlich höhere Lehrleistungen zu erbringen als ihre
Kollegen in der Humanmedizin. Eine Angleichung der
Betreuungsverhältnisse sollte daher angestrebt werden.
Krankenversorgung
Obwohl die Kliniken der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde einen
erheblichen Krankenversorgungsauftrag wahrnehmen, wird ihnen von den
Kostenträgern eine kostendeckende Vergütung verweigert. Der
Wissenschaftsrat appelliert an die Krankenkassen, die
Versorgungsleistungen der universitären Zahnmedizin ohne
ungerechtfertigte Abstriche anzuerkennen.
Darüber hinaus kritisiert der Wissenschaftsrat, dass in Deutschland zu
wenige Fachzahnärzte ausgebildet werden. Zusätzlich zu den bisher
bundesweit etablierten Weiterbildungen in Oralchirurgie und
Kieferorthopädie sollten deshalb weitere Spezialisierungen (zum
Beispiel in Parodontologie, Kinderzahnmedizin, Prothetik) nach
einheitlichen Standards eingeführt werden. Die Bundesärztekammer sollte
durch die Entwicklung neuer Musterweiterbildungsordnungen die
notwendige Voraussetzung dafür schaffen. Die Zahnärztekammern sollten
gemeinsam mit den Universitäten entsprechende Weiterbildungsangebote
ausarbeiten. Parallel dazu sollten die Universitäten kostenpflichtige
Masterstudiengänge ausrichten, in denen auch niedergelassene Zahnärzte
eine fachliche Spezialisierung erwerben können.
Quelle: Wissenschaftsrat