Leitlinien für die Implantologie: DGI will den sicheren Therapiekorridor beschreiben
„Leitlinien sind entgegen mancher Befürchtungen keine Vorschriften, die ein bestimmtes therapeutisches Vorgehen starr vorgeben“, sagt Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Kassel. „Vielmehr definieren sie einen Behandlungs-Korridor, in dem sich Kolleginnen und Kollegen bei ihrer Therapieentscheidung auf solider Grundlage sicher bewegen können. Leitlinien erzeugen daher therapeutische Freiheit und keine Einengung.“ So beschreibt der DGI-Präsident und Initiator des ersten Leitlinienprozesses der DGI das Vorhaben.
Mit der Einleitung des Leitlinienprozesses setzt Professor Terheyden das Motto seiner Amtszeit um: „Die wissenschaftliche Basis der Implantologie für die Praxis stärken.“ Angesichts der rasanten Entwicklung der Implantologie profitieren Zahnärztinnen und Zahnärzte davon, wenn neue Verfahren in einem strukturierten Prozess auf den Prüfstand kommen und ihr Stellenwert und ihre Bedeutung kritisch bewertet werden. Darum veranstaltet die DGI zusammen mit 15 relevanten anderen Fachgesellschaften und Verbänden inklusive Bundeszahnärztekammer wissenschaftliche Konsensuskonferenzen.
„Wir wollen bei den jetzt ausgewählten Themen grundsätzlich prüfen, inwieweit der Nutzen der jeweiligen Maßnahme von der wissenschaftlichen Literatur gut untermauert ist, ob es Grauzonen gibt und in welchen Fällen der Nutzen eines Verfahrens noch nicht ausreichend belegt ist“, beschreibt Professor Terheyden die allgemeine Zielvorgabe. Konkret geht es um Antworten auf vier Fragen: Welche Knochenersatzmaterialien sind in welchen Einsatzgebieten in der Implantologie wissenschaftlich belegt? Ist eine herausnehmbare Versorgung auf Implantaten im zahnlosen Oberkiefer besser als festsitzender Zahnersatz? Wann ist eine 3D-Diagnostik und eine navigierte Implantatinsertion sinnvoll? Sind Maßnahmen zum Strukturerhalt des Kieferkammes nach Zahnextraktion vor einer Implantatversorgung effektiv ? Denn wahrscheinlich ist, dass die einzelnen Maßnahmen in vielen Fällen gerechtfertig, in manchen aber vielleicht nicht erforderlich sind. „Dazwischen gibt es einen Korridor, den wir für unsere Kolleginnen und Kollegen definieren und offen halten müssen“, sagt Professor Terheyden, „damit bei der individuellen Therapieentscheidung die vorhandenen Spielräume auch ausgenutzt werden können.“
Ende September werden die beteiligten Gesellschaften und Verbände die ersten Entwürfe der Leitlinien diskutieren. Die Aktivitäten werden von der DGZMK als wissenschaftliche Muttergesellschaft der DGI innerhalb der Zahnheilkunde organisiert. Die DGI finanziert das Vorhaben. Überwacht wird der Prozess von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF), nach deren Regelwerk die Leitlinien erstellt werden.
Dieses Regelwerk sorgt für einen strukturierten Konsensusprozess und verhindert, dass Einzelmeinungen die Ergebnisse dominieren. Durch ein formalisiertes Einladungsverfahren wird sichergestellt, dass das Gremium repräsentativ ist. „Das Vorgehen stellt beispielsweise sicher, dass alle Organisationen, die zu einem Thema etwas zu sagen haben, eingeladen werden und vertreten sind“, erläutert Terheyden. Ebenso gehört dazu eine systematische Auswertung der wissenschaftlichen Literatur durch unabhängige Dritte. Den Abschluss bildet eine externe Begutachtung.
Von implantologischen Leitlinien können Patienten, Zahnärzte und die kostenerstattenden Stellen gleichermaßen profitieren. Beispielsweise kommt es immer wieder zu Verzögerungen einer Behandlung durch Diskussionen zur der Frage der Kostenerstattung von Knochenersatzmaterialien. Darum wollen die Experten prüfen, in welchen Indikationen diese Materialien indiziert sind und welche qualitativen Eigenschaften diese Materialien haben müssen, um klinisch effektiv und damit erstattungsfähig zu sein. Damit wird versucht für alle Beteiligten Klarheit zu schaffen, so dass die Therapie und deren Abrechnungsbewertung erleichtert wird.
Damit das Spektrum der Therapieoptionen auch für Patienten transparent wird, gehört eine abschließende Maßnahme zur Leitlinien-Entwicklung dazu: Stets wird am Ende auch eine Patientenversion erstellt.
Auf einen Blick: Die Leitlinien-Themen
1. In welchen implantologischen Indikationen ist die Anwendung von Knochenersatzmaterialen experimentell und klinisch wissenschaftlich belegt?
2. Klinische Wertigkeit und Differentialindikationen für die festsitzende bzw. herausnehmbare Versorgung auf Zahnimplantaten im zahnlosen Oberkiefer?
3. Indikation für radiologische 3D Diagnostik und navigierte Implantatinsertion?
4. Indikationen von Maßnahmen zum Strukturerhalt der Alveolarkammgewebe bei Zahnextraktionen vor geplanter Implantattherapie.
Auf einen Blick: Die beteiligten Gesellschaften und Verbände
AWMF · Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
AGKi · Arbeitsgemeinschaft für Kieferchirurgie der DGZMK
A RÖ · Arbeitsgemeinschaft für Röntgenologie der DGZMK
BDO · Berufsverband der Oralchirurgen
BZÄK · Bundeszahnärztekammer
DGÄZ · Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde e. V.
DGCZ · Deutsche Gesellschaft für Computergestützte Zahnheilkunde e. V.
DGI · Deutsche Gesellschaft für Implantologie e.V.
DGMKG · Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V.
DGP · Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e. V.
DGZI · Deutschen Gesellschaft für Zahnärzliche Implantologie e.V.
DGZPW · Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde eV.
DGFDT · Deutsche Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und Therapie in der DGZMK
KZBV · Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung
ZZQ · Zahnärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung