Knochen verlängern – nicht die Zähne: 15. Fortbildungsabend des DGI-Landesverbandes Berlin-Brandenburg
Die biologische Uhr zurückstellen – mit Augmentation
Was Referent Professor Terheyden in eindrucksvollen Bildern vorstellte, war „vertikale Augmentation“ als hilfreiche kieferchirurgische Vorleistung für Prothetik bei atrophiertem Kiefer. „Wir können die biologische Uhr zurückstellen. Zahnverlust ist eine beherrschbare Krankheit“, sagte der DGI-Präsident und demonstrierte, wie mit ausgefeilter chirurgischer Taktik ein höherer Kiefer geschaffen werden kann – nicht durch Aufbau oder Anlagerung, sondern durch einen horizontalen Knochenspalt, der mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt wird. Die vertikale Erhöhung wird wie bei der Distraktionsosteogenese mit Halterungen gestützt, bis sich neuer Knochen gebildet hat und das biologische System sich selbst überlassen werden kann: „Anders als Beckenknochentransplantate ist diese vertikale Augmentation nicht so resorptionsgefährdet – und verträgt sich mit den meisten der alterstypischen Erkrankungen.“ Neu sei die Technik allerdings nicht: Schon 1975 sei sie als ‚Sandwich-Osteotomie’ bekannt gewesen. Er habe, so Terheyden, in seiner Klinik diese Form der Geweberegeneration vielfältig weiterentwickelt und könne heute Patienten mit extrem atrophiertem Kiefer stabiles Gewebe zurückgeben. „Mit 65 ist man heute kein altes Eisen mehr“, sagte der Kasseler Klinikchef, Menschen in diesem Alter zeigten ungebremste Aktivität und wünschten sich zuverlässigen fest sitzenden Zahnersatz: „Auch nach vielen Jahren der Zahnlosigkeit können wir wieder einen fast jugendlichen Kiefer schaffen!“ Das verloren gegangene Gewebe müsse „nicht durch Eisen oder Kunststoff ergänzt werden“, sondern man könne „den Knochen dazu bringen, sich den verlorenen Raum zurück zu erobern.“ Zudem sei das vorgestellte Verfahren vergleichsweise minimalinvasiv: Auf die Entnahme von Becken-Knochenblöcken mit den einschränkenden Folgen für den Patienten könne in den meisten Fällen verzichtet werden.
Vierte Zähne ohne Zahnverlängerung
Vehement wandte sich Professor Terheyden gegen die Meinung, in höherem Alter lohne sich eine Implantation nicht mehr: „Frauen werden im Durchschnitt 82 Jahre, und Männer, die heute 70 sind, haben eine Lebenserwartung von über 90 Jahren – da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir diesen Patienten viele Jahre Lebensqualität erhalten!“ In der Zahnmedizin gehe es zunehmend um die 4. Zähne: „Jetzt ist diese Patientin hier 80“, zeigte er an einem Fallbild, „mit 60 hat sie ihre Implantate bekommen, nun müssen sie erneuert werden. Die 4. Zähne sind eine neue Runde der implantatgetragenen Prothetik.“ Da ein atrophischer Kiefer eine enorme Herausforderung sei, empfahl er seinen Kollegen: „Wer nicht wirklich richtig gut ist in Chirurgie und Augmentation, sollte die Finger davon lassen und an eine Klinik überweisen. Erinnern Sie sich an diese Möglichkeit, wenn ein solcher Patienten-Fall auftritt.“ Dieser in seiner Klinik hoch erfolgreiche Eingriff verbessere Lebensqualität und Vitalität, nicht zuletzt auch die optische Wirkung der Patienten bis hin zu ihrer Lippenbeweglichkeit außerordentlich. Der Eingriff sei die biologische Antwort auf ungünstige Prothetik: „Gleichen Sie verloren gegangene Höhe nicht mit langen Zähnen aus – augmentieren Sie oder lassen Sie augmentieren.“
1000 Jahre Erhalt gesunder Strukturen
Wie sehr moderne Verfahren wie die vertikale Augmentation alte zahnmedizinische Werte untermauert, hatte Dr. Michael Dreyer, Fortbildungsreferent der Zahnärztekammer Berlin, in seinem Grußwort anklingen lassen: Schon vor rund 1000 Jahren habe der Wissenschaftler Abu al-Quasim, Cordoba, gesagt: „Die Erhaltung von gesunden Strukturen ist die oberste zahnärztliche Aufgabe.“ In unseren Zeiten, in denen sich die Altersentwicklung „von einer Pyramide zu einem Döner“ wandle, käme der Berufsstand nicht umhin, sich auch Gedanken um die Lebensqualität in sehr hohem Alter zu machen – und sich hier regelmäßig fortzubilden. Der DGI-Landesverband unter Leitung von Professor Strunz liefere hierzu hochqualifizierte Angebote, die Zahnärztekammer begrüße die Zusammenarbeit und empfehle nicht zuletzt auch das von Prof. Strunz entwickelte sehr gute Implantologie-Curriculum im Paff, dem Fortbildungsinstitut der Zahnärztekammern Berlin und Land Brandenburg.
BU-Vorschlag:
Hohe biologische Relevanz für Lebensqualität: DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden referierte beim Berlin-Brandenburger Landesverband unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Volker Strunz zu besonderen Verfahren in der vertikalen Augmentation.