Implantathersteller-Aktien: Durststrecke hält weiter an

Die Kursziele für Nobel Biocare und Straumann wären ein Versprechen:
Helvea sieht für die Nobel-Aktie ein Potenzial von rund 50 Prozent. Für
die teurere Straumann-Aktie auch noch rund 15 Prozent. Diese
Einschätzung wird nicht überall geteilt.

Zunächst sind die Aktien noch immer nicht billig: Für 2010 handelt
Nobel bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 21, Straummann bei gut
23. Erst die für beide deutlich höheren Gewinnschätzungen für 2011 –
rund 40 Prozent im Vergleich zum laufenden Jahr – lassen die Aktien
günstiger erscheinen.

Was nützt das Marktpotenzial, wenn die Zahlungsbereitschaft fehlt?

Ob aber 2011 den Aufschwung bringt – einzelne Analysten rechnen
bereits wieder mit einer zweistelligen Marktwachstum – ist unsicher. In
den USA kehrt das Konsumentenvertrauen nur zögerlich zurück, der Zugang
zu Privatkrediten bleibt schwierig. In Europa werden die Massnahmen
gegen die Schuldenkrise dem Dentalimplantate-Markt nicht nützen.

Und Krankenkassen werden sich zurzeit hüten, ihren Leistungskatalog
auszubauen. Der Haupttreiber in diesem teuren Geschäft, die tiefe
Durchdringungsrate, ist in diesem Umfeld nicht mehr das Killer-Argument.

Dagegen gewinnt das Preis-Argument an Relevanz: Günstigere Anbieter
haben sich in den vergangenen Jahren erfolgreich etabliert.
Billig-Implantate kosten rund 200 Franken, die Premium-Produkte der
Schweizer Marktführer bis zu 900 Franken. Sowohl Nobel-CEO Domenico
Scala als auch Straumann-Chef Beat Spalinger spielen diesen
Wettbewerbsfaktor immer wieder herunter.

Billig-Anbieter konnten die Marktschwäche nicht ausnützen

Das Preis-Argument hinkt tatsächlich: Erstens macht das Implantat
nur etwa 20 Prozent am gesamten Kostenblock eines Eingriffs aus.
Zweitens haben die Billig-Anbieter ihren Vorteil in der Rezession nicht
wie erhofft ausspielen können. «Dies unterstützt die Ansicht, dass in
diesem Markt Faktoren wie klinische Daten, Reputation und Kundenservice
die Auswahl eines Implantats mehr bestimmen als der Preis», sagt Lisa
Clive, Analystin bei Bernstein. Sie zieht Straumann gegenüber Nobel
Biocare vor.

Der Schock des Umsatzrückgangs von Nobel im ersten Quartal sitzt den
Investoren noch immer tief, zumal im vierten Quartal 2009 noch alle
Zeichen auf Erholung standen. Nobel Biocare verliert aber weiter
Marktanteile und Analysten fürchten nun, dass sich die Firma über
aggressiveres Pricing zurückkämpft.

Fragezeichen: Scalas Strategie mit Procera

«Rabatte wären ein Weg, um die Marktanteile zurückzugewinnen», sagt
Grégoire Biollaz von der Credit Suisse. «Das wäre aber für alle
Premium-Dentalimplantat-Hersteller riskant, da höhere Preise später
umso schwerer durchzusetzen wären.»

Kommt hinzu, dass die Diversifizierungsstrategie von Nobel Biocare
mit dem Prothetik- und Scannergeschäft Procera am Ort tritt.
Bernstein-Analystin Clive beurteilt das Geschäftsmodell mit Procera
ohnehin skeptisch – übrigens auch das von Straumann mit seiner
Plattform Etkon. Der Grund: Die Plattformen, welche eine digital
gestützte Herstellung von Zahnimplanteten bis zu Prothesen ermöglichen,
fesseln die Zahntechniker und Labors an ihre Lieferanten.

Scala verwendet zu viel Ressourcen für einen Bereich, der Nobel nur
15 Prozent Umsatz bringt und seit Jahren nicht vom Fleck kommt. Folge:
Im Implantatemarkt, wo Nobel die Marktführerschaft hat, geht Terrain
verloren. Während bei Straumann ein Investment zum jetzigen Zeitpunkt
«nur» wegen externer Unsicherheiten ein Vabanque-Spiel ist, bleibt
Nobel Biocare auch wegen strategischer Fragezeichen ein unsicheres
Investment. Ein Einstieg ist erst zu empfehlen, wenn der Umsatz wieder
steigt.

Quelle: www.cash.ch/news/topnews/zahnimplantateaktien_noch_viel_geduld_noetig

Letzte Aktualisierung am Mittwoch, 16. Juni 2010