Das „Vollkaskoimplantat“: Volltreffer oder Mogelpackung?

Zurzeit wird mit ganzseitigen Annoncen in der Tagespresse ein
"Vollkaskoimplantat" beworben, welches eine Garantie über 10 Jahre
bereits inklusive haben soll. Hierdurch würde man -so Clinical House-
dem
Wunsch der Patienten nach Garantien bei Zahnimplantaten nachkommen, die
man erkannt und gemessen(!) habe. Natürlich werden im gleichen Artikel
genau die Zahnarztpraxen beworben, die ein solches "Vollkaskoimplantat"
im Programm haben. Sehr zur Freude der Praxen, die in der Annonce
potentiellen Implantatpatienten ins Gesicht lächeln dürfen, und zum
Verdruss derer, die als Praxis nebenan sich mal wieder nur aufs
Implantieren konzentriert haben.

Für Patient und Behandler sind weitergehende Garantieleistungen
durch den Hersteller natürlich absolut wünschenswert, und eine
Initiative dieser Art könnte sicherlich positive Implulse für den
Implantatmarkt auslösen.
Der Ansatzpunkt für diese Garantie liegt im Bereich Kostensicherheit, welche durch die Absicherung der bei einem Implantatverlust
entstehenden Kosten (über eine Versicherungspolice) erzielt werden soll. Dass
Implantate weit mehr als 10 Jahre halten können, steht mittlerweile
nicht mehr zur Debatte. Das könnte auch für das beworbene
Implantatsystem gelten. Allerdings konnte eine Literaturrecherche
keinerlei Studien finden, die dies tatsächlich belegen. Es ist nämlich
noch ein recht junges System. Also eine mutige Versicherung, die bei
dieser Risikokalkulation eingestiegen ist und im Verlustfall Implantat
und Aufbauteile ersetzt, sowie ein gedeckeltes Honorar für die
Neuimplantation zur Verfügung stellt. Während viele Implantathersteller
im Verlustfall bereits Material kulant ersetzen, ist die Übernahme von
Honoraranteilen tatsächlich neu und sicherlich eine Werbebotschaft
wert. Aufgrund nicht immer positiver Erfahrungen, was die Seriosität und Nachhaltigkeit von Werbeverbotschaften der Dentalbranche angeht, ist es aber sicherlich geboten, dass implantate.com die selbstbewussten Versprechen dieser Kampagne etwas genauer beleuchtet.

Für Implantologen ist klar:

  • Die {lex}Einheilzeit{/lex} ist im Grunde die kritische Phase, was
    den Implantatverlust angeht. Aber gerade ein solcher Frühverlust ist
    nicht mitversichert, denn die Versicherung greift erst nach einer{lex}Einheilzeit{/lex} von 6 Monaten.

  • Die
    Kosten der Implantatversorgung werden in den meisten Fällen ganz
    wesentlich vom aufgesetzten Zahnersatz ({lex}Suprakonstruktion{/lex})
    geprägt. Weder die Kosten für die Erneuerung des Zahnersatz
    (Laborleistung noch Honorar für den Behandler) sind von der
    Versicherung abgedeckt. Gerade wenn bei einer festsitzenden Brücke
    durch den Verlust eines Implantats die gesamte Zahnersatzkonstruktion
    erneuert werden muss, kommt man mit der Erstattung des
    Implantatmaterials und anteiligen Honorars für die Reimplantation nicht
    weit. Genau an der Stelle ist man auch, wenn gar nicht das Implantat
    verloren geht, sondern die Suprakonstruktion erneuerungsbedürftig wird,
    was viel häufiger der Fall ist.

  • Nach einem Implantatverlust reicht das Knochenlager für eine
    einfache Reimplantation oftmals nicht aus. Die Implantatbehandlung wird
    schwieriger, ein Knochenaufbau notwendig. Das Mehrhonorar für erhöhte
    Schwierigkeit und den{lex}Knochenaufbau{/lex} (samt Material) sind aber ebenfalls kein Teil der Versicherungsleistung.

Weitere Ausschlüsse und Einschränkungen bei der Versicherungsleistung wollen wir hier gar nicht erst aufgreifen.

Fazit:

Die genannten Garantieleistungen mit dem Begriff "Vollkasko" zu
bewerben, muss unter diesen Umständen als stark irreführend eingestuft
werden. Was würde wohl das Amt für Verbraucherschutz dazu sagen? Aber sicherlich wäre die korrekte Botschaft "unter Umständen Teilkasko mit hoher Selbstbeteiligung"
nicht dazu geeignet, einen wesentlichen Werbeeffekt für das Produkt zu
generieren, und darum geht es hier nun mal: lächelnde Praxisinhaber,
die durch die Kampagne Patienten in die Praxis gespült bekommen, ein
lächelnder Hersteller, der sein Produkt vermarktet hat und ein
lächelnder Patient, der glaubt rundum abgesichert zu sein. So schön
kann Werbung sein, wenn sie die Initialen DG trägt.

Zur Info: Die Implantatversicherung
ist nicht neu. Sie wurde vor einigen Jahren schon einmal
(herstellerunabhängig) von einer Versicherung angeboten und war schnell
vom Markt verschwunden, als die ersten Schäden beglichen werden
mussten.

Aktuelle Ergänzung 6.3.09:

Die über die Ruhrnachrichten verbreitete Information über die
Schliessung von Clinical House betrifft nach neuesten Informationen die
Implantat-Abteilung nicht.

Red. implantate.com

Letzte Aktualisierung am Dienstag, 03. Februar 2009