Bundesverfassungsgericht erleichtert Honorarvereinbarungen nach GOZ über dem 3,5fachen Satz:
Die Handhabung des § 2 GOZ wird für die Zahnärzte nun deutlich
erleichtert. Honorarvereinbarungen und das Überschreiten des 3,5-fachen
Satzes sind auch ohne Ausnahmebegründung möglich. All das verdankt der
Berufsstand dem Engagement des BDIZ EDI für eines seiner Mitglieder in
einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). „Wir sind
sehr glücklich über dieses Urteil“, sagt dazu BDIZ EDI-Vorsitzender Dr.
Helmut B. Engels, „ und wir dürfen auch stolz sein: Unsere Auffassung
wurde im Urteil expressis verbis erwähnt – das zeigt uns, dass unsere
Position die volle Unterstützung der Richter fand. Damit haben wir für
unsere Kollegen nicht nur in diesem speziellen Fall zur Handhabung des
§ 2 GOZ etwas erreicht: Wir konnten auch die anstehenden Verhandlungen
für eine Novellierung der GOZ auf eine erheblich bessere Ausgangsbasis
zu setzen.“ Honorarvereinbarungen werden auch in Zukunft möglich sein.
Dazu heißt es in dem Urteil des BVerfG wörtlich: „Dem Beschwerdeführer
wie auch dem BDIZ ist darin Recht zu geben“.
Anders als die BZÄK ist der BDIZ EDI von dieser Entscheidung des
Gerichts nicht überrascht: „Wir haben mit einem positiven Ausgang
gerechnet und freuen wir uns natürlich sehr“, so BDIZ EDI-Justitiar Dr.
Thomas Ratajczak, „dass es nun so gekommen ist wie erwartet, auch für
unser Mitglied, der das Verfahren geführt und nun gewonnen hat.“
Hiermit hat das Gericht seine bekannte GOZ-Entscheidung aus dem Jahr
2001 präzisiert, erst einmal Honorarvereinbarungen abzuschließen und
alle Spielräume der GOZ zu nutzen. Der Bundesverband der Implantologen
war bestens vorbereitet mit überzeugenden Unterlagen – das
unterstreicht einmal mehr, betont auch Verbandsvorsitzender Dr. Engels,
wie wichtig juristische Expertise für die Zukunft der Ausübung des
zahnärztlichen Berufes ist.
Konsequenz für die Zahnärzte:
Um eine wirksame Honorarvereinbarung abzuschließen, musste man bisher nach Ansicht vieler Gerichte
1. musste individualisiert sein,
2. mit dem Patienten über Preis verhandeln,
3. durfte nur im Ausnahmefall eigentlich über 3,5-fach hinausgehen,
4. musste beweisen, dass man mit dem Patienten verhandelt hatte.
Jetzt reicht:
1. Individualisierung,
2. Unterzeichnung.
Dr. Engels: „Konsequenz für die Zahnärzte: § 2 GOZ ist wieder eine sicher handhabbare Option!“
*) siehe nachfolgenden Hintergrundbeitrag
Hintergrund:
Bundesverfassungsgericht erleichtert den Abschluss von Honorarvereinbarungen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02
– in einer sehr bedeutsamen Entscheidung der Verfassungsbeschwerde
eines Zahnarztes gegen ein gebührenrechtliches Urteil stattgegeben. Das
ist – soweit ersichtlich – das erste Mal, dass eine
Verfassungsbeschwerde aus dem Bereich der GOZ erfolgreich war. Der
BDIZ/EDI war vom BVerfG im Verfahren angehört worden und hat eine
umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Die Entscheidung war vom BDIZ/EDI
noch für dieses Jahr erwartet worden. Der Fall selbst hat schon Eingang
in das vor kurzem erschienene Abrechnungshandbuch Implantologie (S. 3)
gefunden.
Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen ein Urteil des
Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 29.05.2002. Sie wurde vom BVerfG nach
knapp 2 _ Jahren entschieden, was als recht schnell anzusehen ist. Der
Fall betraf eine sich über 3 Jahre erstreckende zahnärztliche
Versorgung mit Gesamtkosten von 118.102,21 DM (60.384,70 €). Der
Behandlung lag eine Honorarvereinbarung zugrunde, in der teilweise der
mehr als 8-fache Steigerungsfaktor vereinbart war. Der Zahnarzt machte
noch 16.372,13 DM Resthonorar geltend, die Patientin verlangte von ihm
widerklagend die Rückzahlung von 47.090,42 DM. Das OLG wies die Klage
ab und gab der Widerklage in Höhe von 8.252,80 € statt. Die
Klageforderung sei durch Aufrechnung erloschen. Der Zahnarzt sei um
insgesamt 16.600,73 € zu Unrecht erhaltenen Honorars ungerechtfertigt
bereichert; denn die Honorarvereinbarung verstoße gegen § 2 GOZ und sei
deshalb unwirksam, u.a. weil der Zahnarzt nicht bereit gewesen sei,
ernsthaft über ihren Inhalt zu verhandeln und ggf. auch ohne
Honorarvereinbarung die Patientin zu behandeln, dies jedenfalls nicht
beweisen könne. Dass inhaltlich gleichartige Honorarvereinbarungen des
Zahnarztes vor einem anderen OLG Bestand haben, focht das OLG Hamm
nicht an. Einen Grund, deshalb wenigstens die Revision zum
Bundesgerichtshof (BGH) zuzulassen, sah es darin nicht. Unstreitig
blieb immerhin, dass die fachliche Leistung des Zahnarztes über jeden
Zweifel erhaben war. Die Patientin ließ sich im
Verfassungsbeschwerdeverfahren dahin ein, dass gute Arbeit einen guten
Lohn verdiene, jedoch müsse dies unter klaren Bedingungen geschehen.
Der Zahnarzt legte Verfassungsbeschwerde ein und begründete sich
selbst. Das ist rechtlich zulässig, aber nur im Ausnahmefall zu
empfehlen. Er griff die in seinem Fall besonders wankelmütige
Rechtsprechung zur Honorarvereinbarung an und führte u.a. aus, er könne
immer nur so viele Gebührenvereinbarungen treffen, wie er dann auch vor
Gericht verteidigen könne. Er empfinde diesen Zustand „geradezu als
pervers und in jeglicher Hinsicht außerordentlich belastend“.
Das BVerfG hörte u.a. den BDIZ/EDI im Verfahren an. In der
Stellungnahme des Justitiars Dr. Thomas Ratajczak wurde dem Gericht
eingehend die sich immer mehr verschärfende Rechtsprechung zu den
Wirksamkeitsanforderungen an den Abschluss von Honorarvereinbarungen
dargelegt, die mit ihrer extrem engen Auslegung des § 2 GOZ einerseits
keine Möglichkeit mehr lasse, als mit Formularen zu arbeiten, daraus
aber andererseits dann die Schlussfolgerung ziehe, es handele sich
dabei um Formularverträge nach dem Gesetz zur Regelung der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGBG), weshalb die Vereinbarungen unwirksam
seien. Damit würde die Möglichkeit zum Abschluss wirksamer
Honorarvereinbarungen systematisch vereitelt.
Das BVerfG greift diesen Gedankengang auf. Es hält daran fest, dass die
Einschränkung der freien Honorarvereinbarung nach der Gebührenordnung
durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Zwar stehe
„für überdurchschnittliche Fälle nur der Rahmen zwischen 2,4 und 3,5
zur Verfügung, weil ein Absinken unter die Honorierung, die auch die
gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung stelle (nämlich den
2,3-fachen Satz), wohl kaum noch als angemessen zu bezeichnen“ sei. Die
im Regelfall nur schmale Marge schade jedoch nicht, „weil der Zahnarzt
gemäß § 2 GOZ eine abweichende Vereinbarung treffen“ könne. Damit
bestätigt das Gericht seine Linie, die es schon in der vieldiskutierten
Entscheidung vom 13.02.2001 – 1 BvR 2311/00 – eingenommen hatte. Es
hält auch die Anwendung des AGBG auf Honorarvereinbarungen für
zulässig, wendet sich aber gegen die Art und Weise, in der das AGBG auf
(zahn)ärztliche Honorarvereinbarungen angewendet wird. Dabei stellt das
BVerfG bedeutsame neue Grundsätze auf:
1. Nach den Vorgaben des § 2 Abs. 2 GOZ ist der Inhalt der
Individualvereinbarung auf die in Betracht kommenden Gebührenziffern
und auf die für sie jeweils vereinbarten Gebührensätze beschränkt. Alle
anderen Teile müssen für sämtliche Verträge identisch sein.
2. Inhalte der Honorarvereinbarung, die rechtlich vorgeschrieben sind,
können nicht als Indiz für allgemeine Geschäftsbedingungen herangezogen
werden.
3. Eine Individualabrede liegt jedenfalls vor, wenn in dem
vorformulierten Text auf der Grundlage eines zuvor individuell
erstellten Heil- und Kostenplans die zwei wesentlichen individuellen
Parameter eingetragen werden – die individuelle Leistung,
gekennzeichnet durch die Gebührenziffer, deren Inhalt sich durch eine
Anlage erschließt, und ein vorher nicht abstrakt definierter
Gebührensatz, der je nach Gebührenziffer variiert.
4. Das Vorliegen einer Individualvereinbarung erfordert nicht, dass über den Preis verhandelt wird.
Damit hat das BVerfG dem Abschluss von Honorarvereinbarungen wieder
einen praktikablen Rahmen gegeben. Eines seiner Hauptargumente lautet:
Den Patienten steht es frei, die Leistung eines anderen Anbieters
"einzukaufen", wenn ihnen der Preis zu hoch erscheint. Die
Gebührenordnung geht – wie jede typisierende Regelung – von einem
mittleren Standard bei der Leistungsqualität aus. Soweit Leistungen von
außergewöhnlicher Qualität in Anspruch genommen werden, besteht kein
schützenswertes Interesse daran, diese Leistung nur in dem vom
Normgeber vorgegebenen "üblichen" Rahmen zu vergüten.
Im Zusammenhang mit dem vom OLG Hamm geforderten Aushandeln der Gebührensätze formuliert das BVerfG:
Dem Beschwerdeführer wie auch dem BDIZ ist darin Recht zu geben, dass
dann – anders formuliert – die Verwendung vorformulierter Schriftsätze,
in die einzelne, individuell vereinbarte Leistungspositionen
entsprechend der geplanten Behandlung eingetragen werden, nur noch
erlaubt ist, wenn um die jeweils zu veranschlagenden Gebührensätze
gefeilscht wird. Dabei darf der Vorgang des Feilschens allerdings nicht
im Vertrag selbst schriftlich festgehalten werden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz
2 GOZ sowie die einschlägige, dies restriktiv auslegende Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs, BGHZ 144, 59). Der Vorgang des Aushandelns
müsste vor Zeugen geschehen.
Dies stellt eine gravierende Einschränkung des von der
Berufsausübungsfreiheit umfassten Preisbestimmungsrechts dar, höhlt es
faktisch aus. Es ist nicht mehr gewährleistet, dass dem
Beschwerdeführer überhaupt noch Raum für individuelle Vereinbarungen
bleibt.
Die Leistungsqualität beim 2,3-fachen Steigerungsfaktor bezeichnet das
Gericht als „mittleren Standard“. Damit akzeptiert es den im
Gesundheitswesen sonst tabuisierten Zusammenhang zwischen Vergütung und
Qualität. Es stellt klar, dass „für überdurchschnittliche Fälle nur der
Rahmen zwischen 2,4 und 3,5 zur Verfügung“ steht, „weil ein Absinken
unter die Honorierung, die auch die gesetzliche Krankenversicherung zur
Verfügung stellt (nämlich den 2,3-fachen Satz), wohl kaum noch als
angemessen zu bezeichnen ist.“ Damit ist auch die immer wieder kehrende
leidige Diskussion um den sog. Regelhöchstsatz erledigt.
Das Gericht geht aber noch einen Schritt weiter. Es ist der Auffassung,
dass als Korrektiv zu den Beschränkungen des Gebührenrahmens auf den
3,5-fachen Steigerungsfaktor Honorarvereinbarungen zugelassen werden
müssen, womit sich auch die Diskussion um die vor allem von den PKVen
geforderte Streichung des § 2 GOZ erledigt hat. Es sieht einen
verfassungsrechtlich relevanten Verstoß, würde einem Zahnarzt
gebührenrechtlich zugemutet, für die „Erbringung überdurchschnittlich
qualifizierter und zeitaufwändiger Leistungen unterhalb der Grenze
einer angemessenen Vergütung zu arbeiten oder seine Leistung dem
vorgegebenen Rahmen 1 bis 3,5 anzupassen.“
Damit gilt nun folgendes:
1. Eine Honorarvereinbarung nach § 2 GOZ kann wie folgt aussehen (s. Abrechnungshandbuch Implantologie, S. 132):
Zwischen
____________________________________________________________________________
(Patient/Zahlungspflichtiger)
und
____________________________________________________________________________
(Zahnarzt/Zahnärztin)
Der o. g. Patient/Zahlungspflichtige und der o.g. Zahnarzt/die o.g.
Zahnärztin vereinbaren nach § 2 Absatz 1 und 2 GOZ die Höhe der
Vergütung für die nachfolgend aufgeführten Leistungen aus dem
Leistungsverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wie folgt:
Geb.-Nr. Leistung (Kurztext) Anzahl Faktor Betrag
Gesamt: __________________ €
Hinweis: Eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen ist möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet.
_______________________, den _____________________
_______________________________ ___________________________________
(Unterschrift des Zahlungspflichtigen) (Unterschrift des/der Zahnarztes/Zahnärztin
Wenn man will, kann man sie dadurch weiter individualisieren, dass man
auf einen in der Anlage beigefügten Behandlungsplan Bezug nimmt. Der
Text kann dann wie folgt lauten:
Der o. g. Patient/Zahlungspflichtige und der o.g. Zahnarzt/die o.g.
Zahnärztin vereinbaren für die aus dem als Anlage beigefügten Plan
ersichtliche Behandlung nach § 2 Absatz 1 und 2 GOZ die Höhe der
Vergütung für die nachfolgend aufgeführten Leistungen aus dem
Leistungsverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wie folgt:
2. Verhandeln kann man über die Steigerungsfaktoren und die Leistungen,
für die mehr als 3,5-fach verlangt werden soll. Man muss dies aber
nicht. Aber die Honorarvereinbarung muss weiterhin auf den
individuellen Behandlungsfall abgestellt sein. Das heißt zum Beispiel,
dass einheitliche Steigerungsfaktoren über alle Leistungen nicht
zulässig sind (s. Abrechnungshandbuch Implantologie, S. 38).
3. Der Zahnarzt hat einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf
eine leistungsangemessene Vergütung. Auch die neue GOZ muss deshalb den
Abschluss von Honorarvereinbarungen zulassen.