BBI-Tagung: Natur und Biologie sind Leitfaktoren der modernen Implantologie
Am 13. Dezember 2006 fand der 10. Fortbildungsabend des Landesverbandes Berlin-Brandenburg der DGI (BBI) u.a. mit mit Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden (Kiel)statt – zwei Stunden hochkarätige Informationen mit zugleich praktischem Nutzen für die Implantologie in der Praxis. Die hohe Teilnehmerquote zeigte, dass das Interesse der Implantologen an modernen Konzepten und Positionierungen selbst dann noch enorm ist, wenn die Vorweihnachtszeit eigentlich andere Bedürfnisse als Fortbildung weckt. „Wir waren selbst nicht so sicher, ob das ein guter Termin war,“ meinte BBI-Vorsitzender Prof. Dr. Dr. Volker Strunz, „aber wir wollten unbedingt dieses Thema und diesen Referenten dazu und mussten uns dem Terminkalender beugen. Der volle Saal im Klinikum war beeindruckend – und das zeigt, dass unsere Überlegungen richtig waren: Natur und Biologie sind derzeit das Thema in der Implantolgie derzeit überhaupt und Professor Terheyden einer der besten Dolmetscher für die Kollegen in den Praxen!“
Wandel in der Extraktionstechnik
Auf dem Programm standen gleich 2 Themen: Zum einen ging es um „Konzepte der Alveolenversorgung“, zum anderen um „Biotechnologie in der Implantologie“. In seinem ersten Vortrag, nach anatomischen Grundlagen der Alveolarfortsatzatrophie, zeigte Prof. Dr. Hendrik Therheyden/Kiel in einer Gegenüberstellung die Extraktionstechnik im Wandel der Zeit: Wurden 1990 das Periotom genutzt, die Luxation des Zahnes, transalveoläre Aufklappungen, die Kompression der Wunde mit nachfolgender offener bzw. Spontanheilung bzw. eine sekundäre Defektversorgung durchgeführt, so sind rund 15 Jahre später schon Veränderungen bei so ‚profanen’ Maßnahmen wie der Extraktion zu erkennen, Beispiele hier sind die Verwendung eines grazilen Skalpells zur Lösung des dentogingivalen Verschlusses, axiale Extraktion, intraalveoläre Zahnentfernung unter Schonung der Alveolenwände, Verzicht auf eine Kompression der Alveole, Deckung der Alveole und Koagulumstabilisierung sowie primärer Defektversorgung. Ziel ist inzwischen neben der Entfernung des Zahnes der Erhalt der biologischen Strukturen des Alveolarfortsatzes. Prof. Dr. Dr. Terheyden legte eindringlich nahe, schon vor der Extraktion die spätere prothetische Versorgung zu planen, um die Biologie entsprechend einbeziehen zu können.
Alveolarenversorgung: Langzeitprovisorium spielt wichtige Rolle
BBI-Vorstandsmitglied OA Dr. Frank Peter Strietzel, der die Veranstaltung aus dem Blickwinkel der Praktiker verfolgte, fasste die wichtigsten Lern-Aspekte des ersten Vortrages zu Empfehlungen für die Implantologen in der Praxis zusammen: „Da eine Sofortimplantation nicht vor einer marginalen Alveolarfortsatzresorption schützt, ist deren Einsatz kritisch im Einzelfall abzuwägen und erforderlichenfalls zunächst eine primäre Defektversorgung anzustreben. Voraussetzung: keine akuten Infektionen im Bereich der Alveole, abgeschlossene Maßnahmen zur Initialbehandlung. Zum Alveolenverschluss eignen sich – je nach Defektausmaß – Kollagenmembranen, Kollagenschwämme sowie kleine Schleimhauttransplantate. Eine wichtige Rolle bei dem Erhalt der Alveolarstrukturen spielt die Auswahl des Langzeitprovisoriums, das auch der entsprechend präparierte extrahierte Zahn selbst sein kann.“ Je nach Alveolardefektkonfiguration wurden verschiedene Differentialindikationen von einfachen koagulumstabilisierenden Maßnahmen über den Einsatz der GBR bis hin zur Verwendung autogener Knochenblocktransplantate und palatinal arteriell gestielter Lappen zum Weichgewebeverschluss demonstriert. Die rege Diskussion zu diesem Thema zeigte, dass viele praktische Aspekte angesprochen wurden, die von den Fortbildungsteilnehmern dankbar als Anregung aufgenommen wurden. Dr. Strietzel: „Invasive und präparatorisch anspruchsvolle chirurgische Maßnahmen wie die Bildung palatinaler gefäßgestielter Lappen sollten jedoch – mit kritischer Abwägung der Risiken insbesondere im Kontext mit Besonderheiten der allgemeinen Anamnese – in spezialisierten Behandlungszentren vorgenommen werden, um bei Komplikationen rasch und adäquat helfen zu können.“
Biotechnologie: Breites Aufgabengebiet und hoffnungsvoll stimmende Resultate
Der zweite Teil des Vortragsabends war den Einsatzmöglichkeiten von Biotechnologien in der Implantologie gewidmet. Die Herausforderungen sind: Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit / Beschleunigung der Osseointegration, Verbesserung der Knochenqualität bei zunehmend älteren, insbesondere unter medikamentösem Einfluss stehenden Patienten / bei Osteoporose durch Einsatz von Wachstums- und Differenzierungsfaktoren, der Wunsch der Patienten nach weniger invasiven Augmentationstechniken unter Vermeidung größerer Entnahmen autogener Knochentransplantate.
Den präsentierten Überblick über die derzeit – auch international – bestehenden Projekte und den aktuellen Stand fasst Dr. Strietzel so zusammen: „Während bioaktive Proteine als Wachstums- und Differenzierungsfaktoren in vitro bei sparsamem Einsatz sehr gute Ergebnisse zeigen, ist bei der Anwendung am Menschen – sofern die Produkte hierzu zugelassen sind – eine wesentlich höhere Dosierung erforderlich. Die Aufklärungspflicht vor ihrer Anwendung ist sehr umfassend, die Kosten sind vergleichsweise sehr hoch.“ Die Datenlage zur Anwendung von Bone Morphogenetic Proteins (BMPs) wurde als akzeptabel eingeschätzt. Die Behandlung von Implantatoberflächen mit BMPs zeigte in Experimenten eine verstärkte und frühere Knochenbildung. Auch der Einsatz von Differenzierungsfaktoren (GDF-5) in Experimenten zeigte hoffnungsvoll stimmende Resultate. Dr. Strietzel: „Derzeit werden an einigen wenigen klinischen Zentren hierzu prospektive Studien im Zusammenhang mit der Sinusbodenelevation und –augmentation durchgeführt.“