6. Implantologische Schlosstage des MVZI: Wundheilungsbiologie bei Parodontitis-Therapie berücksichtigen

Dass der Austragungsort sogar einen Bezug zur Zahnmedizin hat, zeigte die Eröffnungsansprache vom Tagungsleiter PD Dr. med. Michael Fröhlich: Einer der Schlossherren war Karl August Lingner (1861 – 1916), Erfinder der ODOL-Mundpflege und engagierter Verfechter der Hygiene generell. Wie beim MVZI üblich, spielte der kollegiale Austausch auch diesmal wieder eine große Rolle, wobei das Schloss einen schönen passenden Rahmen und noblen Anlass zum gemeinsamen Feiern mit Regionalbezug bot: Der Galaabend wurde begleitet durch Hofnarr Frölich in sächsischer Mundart und mit Nasenflöte und Mundtrommel.

„Und am 6. Tag schuf er die Gingiva…“
Als Referent für komplexe Konzepte in der Implantologie konnte Prof. Dr. Markus Hürzeler aus München gewonnen werden. In seinem vielschichtigen Vortrag unter dem Titel "Und am 6. Tag schuf er die Gingiva… – Implantatchirurgie unter besonderer Berücksichtigung ästhetischer Belange" vermittelte er vielerlei eigene Erfahrungen zu den Schnittstellen von Parodontologie, Implantologie, Zahnerhaltung und Prothetik, aufgeteilt in die drei Bereiche eigenes mikrochirurgisches Konzept, Tunnelierungstechnik und anspruchsvolles Implantieren in der ästhetischen Zone. Als Hauptindikation seiner Behandlungsmaßnahmen sieht Prof. Hürzeler die „Heilung per primam“, die störungs- und infektionsfreie primäre Wundheilung. Bei Berücksichtigung entsprechender Instrumente und mikrochirurgischer Techniken unter Beachtung einer biologisch untermauerten Chirurgie erreicht der Referent nach eigener Aussage eine voraussagbare Erfolgsrate von 95 %. Voraussetzung sei allerdings auch der zur Therapie passende Patient, da auch die individuellen Wundheilungskapazitäten des Patienten, die systemischen und lokalen Faktoren, eine erhebliche Rolle bei der Therapie spielen. Es wurde deutlich, dass bei bestimmten Risikofaktoren die rekonstruktive Chirurgie keinen Erfolg haben wird. Auf Vorhersagbarkeit des Behandlungserfolges und Nachvollziehbarkeit des Vorgehens legte Professor Hürzeler großen Wert und forderte beides bei der Vorstellung neuer parodontologischer Techniken und Konzepte als zwingend ein.

Weichgewebe zwischen Tunnel und Rezession
Zu den Verfahren, die der Referent vorstellte, gehörte auch die Tunneltechnik, die derzeit in der Weichgewebe-Therapie geradezu eine Trend-Rolle spielt und von anderen Fachexperten durchaus auch kritisch betrachtet wird. Umso beeindruckender für die Teilnehmer der Schlosstage war Professor Hürzelers Präsentation seines eigenen Vorgehens, verbunden mit dem Hinweis auf statistisch gesicherte Erfolgsergebnisse von 96,6% +/-7,9 (p=0,0005) in der eigenen Praxis. Ein anderes, ebenfalls aktuelles Thema war die Sofortimplantation in der ästhetischen Zone. Dass diese Aufgabe eine hochanspruchsvolle Herausforderung ist, die deutliche fachliche Kompetenz des Operateurs ebenso verlangt wie die strenge Beachtung biologischer und wundregenerativer Gesichtspunkte wurde eindrucksvoll deutlich. Bei verzögerter Implantation nutzt der Referent GBR-Verfahren und sichert sie mit Membranen – wie unterschiedlich deren Eigenschaften sein können, wurde in einer Übersicht hilfreich dargestellt. Ein spezielles Lappendesign, die Verdickung des Op- Bereiches mit Bindegewebe aus verschiedenen Regionen der Mundhöhle und modifizierte Nahttechniken spielen im Therapiekonzept des Referenten eine gewichtige Rolle und wurden nachvollziehbar präsentiert.
Wiederholt und auch sehr deutlich mahnte Professor Hürzeler ein kritisches Hinterfragen heutiger Ergebnisevaluierungen in der Rezessionsdeckung an. Die Meßmethoden seien in ihrer Genauigkeit zu different, die verschiedenen Indices der Studien machten eine Vergleichbarkeit nicht eindeutig möglich. Hilfreicher sei die dreidimensionale Analyse, die an der Universität Zürich als digital unterstützte Meßmethode entwickelt wurde. Gescannte Situationsmodelle aus der Praxis werden projiziert und ermöglichen eine genaue dreidimensionale Vermessung. Eine solche dreidimensionale Analyse sei der entscheidende Erfolgs- und Qualitätsparameter seiner Therapie. Generell sah er drei Säulen der Evidenz als Voraussetzung für Behandlungserfolg an: 1. die externe Evidenz aus der Fachliteratur, 2. die interne Evidenz der fachlichen Kompetenz des Behandlers und als 3. Punkt die Compliance des Patienten. Professor Hürzeler ging nicht ohne Zukunftsvisionen aus seinem Vortrag und erwähnte seine Arbeit im Bereich der „Socket- Shield-Surgery.

Mit Dank an den Referenten für den exzellenten Vortrag, an das Auditorium für Disziplin und Ausdauer bei diesem anspruchsvollen Thema und an die Aussteller für die hilfreiche finanzielle Unterstützung und Präsenz vor Ort verabschiedete Dr. Barth die Kongressteilnehmer und gab ihnen die Einladung zum Jubiläumssymposium des MVZI im DGI e.V. im Jahr 2013 in Leipzig. Er hoffe, dass sich dort alle wiedersehen und den fachlichen und kollegialen Austausch weiterführen.

Letzte Aktualisierung am Montag, 15. Oktober 2012