5. Internationale Frühjahrstagung der DGÄZ beim Quintessenz-Jubiläumskongress: Stress, orale Folgen und ästhetische Rehabilitation
Besonders perfekt abgestimmt war unter anderem das
Drei-Vorträge-Konzept im Prothetik-Programm, das Prof. Dr. Dr. h.c.
Georg Meyer/Greifwald mit einem Einstieg in interdisziplinäre Ansätze
der modernen Zahnheilkunde eröffnete. Prof. Dr. Wolfgang
Freesmeyer/Berlin nahm diesen Faden auf und zeigte anhand des
Stichwortes „Stress“, ab wann sich Belastungen in der Mundhöhle
ergeben. Ein auf- und abschwellendes niedriges Stress-Level kompensiere
der Körper, so Prof. Freesmeyer. Erst wenn Stress zu einer dauerhaft
hohen Belastung führe, zeigten sich als Folge der
Schwellenwert-Überschreitung auch Craniomandibuläre Dysfunktionen
(CMD). Bei Knirschen und Pressen sei die ausgeübte Kaukraft 10- bis
20-fach höher als bei Normalzustand. Der Kaudruck liefere einen
Vergleichswert zu der physikalischen Belastbarkeit beispielsweise von
Zirkonoxid-Kronen und damit eine wichtige Information, um Materialbruch
zu vermeiden. Immerhin 30 % aller CMD-Erkrankten litten unter
psychischem Stress. Als eine von mehreren Facetten zur Verbesserung der
psychischen Situation des knirschenden Patienten gab Prof. Freesmeyer
mit auf den Weg: „Ihr Patient sollte Erfolg haben! Betaendorphine bauen
Stress ab.“
Reusch: Knirschen ist natürlich – Rehabilitation darauf ausrichten
Im nachfolgenden Vortrag von Dr. Diether Reusch, Präsident der DGÄZ,
stand die Aufgabe, die „normale und wichtige Funktion des Körpers,
Pressen und Knirschen, bei der Planung der Rehabilitation angemessen zu
berücksichtigen.“ So verständlich die Haltung mancher Kollegen sei,
Parafunktionen als „Angriff auf unsere Konstruktionen“ zu
verstehen: Menschen hätten ein Recht auf das Knirschen – und die
Zahnärzte die Pflicht, eine funktionsgerechte und ästhetische Lösung zu
entwickeln. Klare okklusale Konzepte seien oft nicht realisierbar: „Was
wir planen, richtet sich zumeist nach therapeutischen
Ordnungsprinzipien allein aus zahnärztlicher Sicht, aber nicht aus
Sicht der Natur.“ Eine der wichtigsten Zielsetzungen sei die
Defensivtauglichkeit der Versorgung in der Parafunktion. Da
Stressverarbeitung neben funktionellen auch zu ästhetischen Problemen
führe, sei das Miteinander von Funktion&Ästhetik in der Planung der
Ausgangspunkt für eine nachhaltig stabile Lösung, die der Patient auch
adaptiere. Dr. Reusch zeigte verschiedene Wege zur Rekonstruktion bei
durch parafunktionionelle Aktivität attritierten Frontzähnen („Auch
wenn ihr Zahntechniker Sie wegen dieser Fitzelaufgabe beschimpft…“).
Der Verlust der Schneidekanten habe Folgen für das gesamte System – mit
den von ihm als minimalinvasive Lösung vorgestellten Chips werde die
Frontzahnführung wiederhergestellt. Zu beachten sei, dass keineswegs
alle Parafunktionen im Artikulator darstellbar seien, hilfreich sei
daher der Weg über ein diagnostisches Wax-up sowie ein Mock-up als Test
für die Patienten, ob sie mit der geplanten Versorgung zurechtkommen:
„So tun wir den Zähnen wenig an und können sowohl die Funktion als auch
die Ästhetik korrigieren.“ Für die Parafunktion seien „Fissuren als
Fluchtwege einzuplanen – eine ureigene zahnärztliche Aufgabe bei der
Präparation, das kann Ihnen kein Zahntechniker abnehmen.“ Er empfahl
einen Vergleich der Eckzahnspuren und der Disklussion im Artikulator
und am Patienten bei muskulärer Aktivität. Bei Differenzen zwischen
Artikulator und Patient werden, so Dr. Reusch, die Kronen im
Artikulator aus einem Spezialwachs (ReFu-Wachs) hergestellt und am
Patienten bei parafunktionellen Bewegungen korrigiert.
Sein Resümee: Auch für Knirscher seien Porzellan-Teilkronen
realisierbar – wenn sie funktional-stimmig geplant seien. Und auch eine
preiswertere Lösung konnte Dr. Reusch anbieten, die keine erhöhten
Ästhetik-, aber doch funktionalen Ansprüchen gerecht wird: Preßkramik
auf Metallkappen oder Zirkon.