Parodontitis kann schwere Erkrankungen begünstigen - 20 Jahre volluniversitäre Zahnheilkunde in Dresden

Seit 1992 wird in Dresden die Zahnmedizin volluniversitär gelehrt - das

heißt in Klinik und Vorklinik. Nach Abwehr der drohenden Schließung 1993

haben sich die Dresdner mittlerweile einen Spitzenplatz erarbeitet. Mit

einer Festveranstaltung am Mittwoch, dem 4. Juli 2012, dankt die

Universitäts ZahnMedizin dem Freistaat Sachsen für das entgegengebrachte

Vertrauen und die Unterstützung und wagt anhand der bisherigen

Leistungen einen Ausblick in die Zukunft auf den Gebieten Forschung,

Lehre und Patientenversorgung. Von ganz besonderer Bedeutung sind dabei

die enge Zusammenarbeit mit den Fachgebieten der Medizin sowie den

Forschungsgebieten der TU Dresden und die internationalen Kooperationen.

 

Im Rahmen der Festveranstaltung zum 20-jährigen Jubiläum präsentieren

die Dresdner Universitäts-Zahnmediziner aktuelle wissenschaftliche

Projekte. Unter anderem konnten Dresdner Forscher belegen, dass

unbehandelte Parodontitis das Risiko für schwere Allgemeinerkrankungen

wie Herzerkrankungen und Diabetes zu erhöhen vermag. Ein weiteres Thema

der Dresdner Zahnmedizin sind Nanomaterialien:

Oberflächenbeschichtungen, die eine bakterielle Besiedelung von Zähnen

und Füllungsmaterialien verhindern können, werden die präventive

Zahnmedizin revolutionieren.


Studium wird immer internationaler

Die heute ausgebildeten Studenten sind noch im Jahr 2050 tätig. Der

zukünftige Absolvent wird – bereits jetzt beginnend – neben der

klassischen oralen Diagnostik, Prävention und Therapie ein weitaus

höheres Maß an systemischer Diagnostik und Früherkennung zu bewältigen

haben. Etwa ein Drittel der Studierenden haben in der Klinik die

Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes durch internationalen

Studentenaustausch mit Europa und Übersee. So besteht ein

Austauschprogramm mit der University of Alberta (Kanada) mit Klinischer

Ausbildung und dem Alleinstellungsmerkmal der Behandlungsmöglichkeit in

Nordamerika. Das Kanada-Programm hat Ausstrahlung über die Zahnmedizin

hinaus und zu einer Regionalpartnerschaft zwischen Sachsen und Alberta

geführt.


Im Jahr 2005 sprach der Wissenschaftsrat Empfehlungen zur Entwicklung

der Zahnmedizin aus. In diesen Empfehlungen wird die Notwendigkeit, den

Fächerkanon neu zu definieren, Standortprofile herauszubilden, lieb

gewonnene, jedoch alte Zöpfe abzuschneiden und Innovationen den Weg zu

bahnen, sehr klar erkannt und formuliert. Hierüber wird sich ebenfalls

der Wettbewerb zwischen den universitären Standorten definieren und

nicht zuletzt die Entscheidung fallen, zur bloßen Ausbildungseinrichtung

abqualifiziert zu werden oder aber vollwertig zu forschen, zu lehren

und Patienten zu betreuen.


Eine solche Neuorientierung bedeutet darüber hinaus neben der

Integration elektronischer Medien in die Lehre auch neue Wege in der

Vermittlung praktischer Fähigkeiten in der Lehre (Practice Based

Learning – PBL) zu beschreiten. Gleiches trifft für das Generieren von

Forschungsergebnissen (Practice Based Research – PBR) zu. Die

Einbeziehung der zahnärztlichen Praxis als Lehrpraxis – analog der

Entwicklung in der Medizin – aber auch als Forschungspraxis wird ein

Kriterium der Zukunftsfähigkeit von Ausbildungsstandorten sein. Diese

Qualität der Kooperation und Kommunikation mit der Praxis erhält darüber

hinaus im kommunikativen Transfer aktueller Forschungsergebnisse in

die Bevölkerung (Public Understanding of Science – PUS) als Basis guter

Patientenakquise eine weitere Bedeutung.


Schwieriger Anfang, gute Entwicklung

Vor 20 Jahren, am 14. Februar 1992, wurde die zahnärztliche Vorklinik

mit einem zentralen Laborraum, der 60 Studentenarbeitsplätze sowie

weitere Funktionsräume beherbergte, nach knapp halbjähriger Bau- und

Ausrüstungsphase ihrer Bestimmung übergeben. Damit war der Grundstein

für die volluniversitäre zahnmedizinische Lehre in Dresden gelegt, die

Einheit von Vorklinik und Klinik am Standort gesichert.


Nur ein Jahr später – im Sommer 1993 – nachdem im Mai 1993 die Gründung

einer Medizinischen Fakultät an der Technischen Universität Dresden

beschlossen worden war, wurde ihre Existenz bereits wieder in Frage

gestellt. Dank gemeinsamer Aktivitäten Studierender und Lehrender

einschließlich des besonderen Engagements von Prof. Winfried Harzer

stimmte schließlich das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und

Kunst (SMWK) am 28. September 1993 – dem Vorabend der Fakultätsgründung

am 1. Oktober 1993 – der Etablierung der Studiengänge Medizin und

Zahnmedizin in Dresden zu.


971 Studenten schlossen inzwischen erfolgreich das Studium mit dem

Staatsexamen ab, über die Hälfte von ihnen konnte eine Dissertation

erfolgreich fertig stellen und verteidigen. Das Jahr 2010 darf mit

annähernd 100 Impact-Punkten für Publikationen in einschlägigen

Fachjournalen sowie 750.000 Euro an eingeworbenen Drittmitteln als das

in Sachen Forschung erfolgreichste in der 20jährigen Geschichte

bezeichnet werden. Aufgrund des altersbedingten Ausscheidens zweier

Professoren und der mit der Neubesetzung verbundenen Übergangsphase

sowie des Wegfalls einer Professur schloss das Jahr 2011 nicht

unmittelbar an die besonderen Erfolge des Jahres 2010 an. Unabhängig

davon ist die UniversitätsZahnMedizin Dresden mit einer Publikation im

Nature Nanotechnology (Zahnerhaltung, 2010), der Leitung des mit 1,35

Millionen Euro Förderung umfangreichsten DFG-Verbundprojekts der

Zahnmedizin überhaupt (Prothetik), der Beteiligung am Transregio 67

(MKG-Chirurgie), zweier BMBF-Projekte (Parodontologie) und EU

geförderter Kooperation mit Breslau und Warschau (Kieferorthopädie)

sowie der nunmehrigen vollständigen Besetzung ihrer Lehrstühle im Rücken

angetreten, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Dabei

gilt es unter Beachtung sowohl der demografischen Veränderungen in der

Gesellschaft als auch des Innovationsdrucks der Informationsgesellschaft

bei Verknappung der finanziellen Ressourcen gezielt Schwerpunkte zu

setzen, wie beispielsweise die Fortführung des Konzeptes des Technisch

Propädeutischen Kurses mit frühzeitiger Integration aller Fächer des

Hauses und dem Besuch von Kindereinrichtungen und Altenheimen als

Alleinstellungsmerkmal. Auch die Fortführung der interdisziplinären

Lehre im 5. Studienjahr und Ausweitung auf frühere Semester als

Alleinstellungsmerkmal sowie die Aufwertung der Hospitationspraxen zu

Lehrpraxen und deren Akkreditierung, wie mit der Landeszahnärztekammer

und dem Regierungspräsidium abgestimmt, sind von großer Bedeutung. Auch

der Ausbau der Kooperation mit der Jugendzahnklinik Dresden mit dem Ziel

der Kooperation in Lehre, Klinik (Reihenuntersuchungen) und Forschung

und das Vorantreiben der von Dresden ausgehenden Initiative zur

Schaffung wissenschaftlicher Exzellenz in der Zahnmedizin als

gemeinsames übergreifendes Projekt mit den Standorten Bonn, Greifswald,

Heidelberg, Kiel und München stehen auf der Agenda. Der Ausbau des

Forschungsprofils „ZahnMedizin 2050“ als interdisziplinäres Projekt der

UZM mit der Medizin und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen

in den Bereichen der Grundlagen-, translationalen, klinischen und

Versorgungsforschung bis hin zur daraus erwachsenden interdiziplinären

Patientenversorgung im Rahmen des Carus Consilium und der

interdisziplinären Lehre und die Profilierung des Kompetenzzentrums für

klinisch kontrollierte Studien in der Parodontologie zum

Kompetenzzentrum der UZM wird vorangetrieben. Das interdisziplinäre

Zentrum „Orale Prävention – Orale Rehabilitation“ unter besonderem

Aspekt der Implantatherapie, die Kooperation mit Medizin, TU Dresden und

außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen des DRESDEN

concept und der Abschluss eines Kooperationsvertrags mit der

Medizinischen Universität Breslau zur Lehr- und Forschungskooperation

sind Themen der nahen Zukunft.


Erkrankungen der Zähne und des Halteapparates gefährlich für gesamten Organismus

Zahnfleischentzündung und Parodontitis zählen zu den häufigsten

Infektionskrankheiten in der Mundhöhle und werden durch Bakterien aus

dem Zahnbelag ausgelöst. Die Parodontitis ist bei Erwachsenen eine der

Hauptursachen von Zahnverlust mit all seinen Konsequenzen. Der Beginn

und die Schwere des Erkrankungsverlaufs werden durch verschiedene, die

Abwehrreaktionen beeinflussende individuelle Faktoren, wie unzureichende

Mundhygiene, Rauchen, Stress, aber auch Allgemeinerkrankungen,

bestimmt. Neuere Untersuchungen zeigten allerdings auch, dass eine

unbehandelte Parodontitis das Risiko für schwere Allgemeinerkrankungen

wie Herzerkrankungen und Diabetes erhöhen kann.


Wie die Ergebnisse der 4. Deutschen Mundgesundheitsstudie aus dem Jahr

2006 zeigen, fällt die Anzahl verbliebener natürlicher Zähne der

Erwachsenen und auch der Senioren höher aus als das noch 1999 Fall war.

Dieses „Mehr“ an Zahnerhalt bedeutet aber auch ein „Mehr“ an

Zahnfleisch- und Zahnbetterkrankungen, Karies und

Kariesfolgeerkrankungen und damit verbunden die Notwendigkeit komplexer

Rehabilitation in der Einheit parodontischer, restaurativer,

prothetischer und implantologischer Therapiemaßnahmen nach sich.

Internationale Untersuchungsergebnisse und auch die Daten der Dresdner

Parodontologie weisen darauf hin, dass Zusammenhänge zwischen der

parodontalen-oralen und der systemischen Gesundheit existieren. Für

Zahnbetterkrankungen sind Risikofaktoren aus dem Umweltbereich

(Rauchen), der Genetik und Allgemeinerkrankungen (Diabetes mellitus)

beschrieben. Andererseits fungiert die chronische Entzündung

„Parodontitis“, im Volksmund als „Parodontose“ bezeichnet, als Risiko

für chronisch ischämische Herzkreislauferkrankungen, Atherosklerose,

Diabetes mellitus oder niedergewichtige Frühgeburten, werden

Wechselwirkungen zwischen den Erkrankungen (Parodontitis/Diabetes

mellitus) und pathogenetische Gemeinsamkeiten

(Parodontitis/Rheumatoidarthritis) diskutiert.


Es deutet sich ein ursächlicher Trend an: Grundsätzlich werden die

zukünftigen Veränderungen, die sowohl Praxis als auch Hochschule

betreffen, durch den demografischen Wandel in Deutschland – mit steter

Zunahme der Seniorenpopulation – geprägt sein. Hieraus resultiert mehr

Bedarf an Implantattherapie, Behandlung von Tumorerkrankungen und

Traumata bei alten Patienten, zahnärztliche Behandlung von allgemein

medizinisch kompromittierten Patienten. Die Bedeutung der

Interdisziplinarität in präklinischer und klinischer Lehre steigt, die

Integration der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

(Bisphosphonattherapie mit dem Risiko der Kiefernekrose,

Antikoagulanzientherapie mit dem Blutungsrisiko, immunsuppressive

Therapie und der Medizin sind ebenso essentiell wie eine noch stärkere

Bewegung in der Ausbildung weg von der ZahnTechnik hin zur ZahnMedizin

mit der dringenden Notwendigkeit das zahnärztliche Curriculum bzw. die

Approbationsordnung komplett zu überarbeiten. Das bedeutet, dass

Frühstadien eben jener Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, anderer

Stoffwechselstörungen, Herzkreislauferkrankungen etc. aber auch

kognitiver Einbußen und der Demenz und letztlich tumoröser Haut- bzw.

Schleimhautveränderungen im Kopf-Hals-Bereich durch den Zahnarzt, bei

dem der Patient nach dem Hausarzt am Zweithäufigsten erscheint, erkannt

und einer Therapie zugeführt sowie Anteile der Nachsorge übernommen

werden müssen. Damit zählen zahnärztliche Diagnostik, Prävention und

Therapie zu medizinisch wichtigen Aufgaben, was die ärztliche Rolle und

Verantwortung des Zahnmediziners einmal mehr unterstreicht. Der

notwendige Weg führt ausschließlich über eine enge Integration der

Zahnmedizin in die Medizin und dies in allen Bereichen, in der

Forschung, in der Lehre und in der Patientenbetreuung.


Biomimetische Nanomaterialien – eine Innovation für die präventive Zahnmedizin?

Karies ist nach wie vor die weltweit am weitesten verbreitete

Infektionskrankheit mit erheblichen ökonomischen Auswirkungen. Ursache

ist adhärenter bakterieller Zahnbelag (Biofilm) auf sich nicht

erneuernden Oberflächen, den Zähnen. Dieser Biofilm setzt

niedermolekulare Kohlenhydrate zu organischen Säuren um, die zu einer

Demineralisation des Zahnschmelzes führen – die kariöse Zerstörung des

Zahnes beginnt. Gefordert sind somit Präparate für die Kariesprophylaxe,

die zum einen die Biofilmbildung verzögern oder verhindern und die zum

anderen die Remineralisation beginnender Kariesläsionen fördern.


Die moderne Nanotechnologie hat sich auch im Bereich der Zahnmedizin

etabliert, verschiedene Strategien zur Verbesserung der Kariesprävention

auf der Basis von Nanomaterialien wurden entwickelt. Dazu gehören auch

Oberflächenbeschichtungen, die eine bakterielle Besiedelung von Zähnen

und Füllungsmaterialien verhindern sollen. Die Poliklinik für

Zahnerhaltung untersucht verschiedene dieser Ansätze und ihre Effekte

auf die Bioadhäsionsprozesse in der Mundhöhle gemeinsam mit

Wissenschaftlern der TU Dresden und mit Kooperationspartnern in ganz

Deutschland. Eine Option sind biomimetische Hydroxylapatit-Nanopartikel,

die die kleinsten Baueinheiten des natürlichen Zahnschmelzes

nachbilden. Dadurch sollen kleine Defekte im Zahnschmelz remineralisiert

werden. Aktuell konnte unsere Arbeitsgruppe erstmalig in einer

In-situ-Studie zeigen, dass durch Hydroxyapatit-Microcluster die

bakterielle Kolonisation von Schmelzoberflächen deutlich reduziert wird.

Im Gegensatz zu In-vitro-Studien (Laborversuche) werden bei

In-situ-Untersuchungen die Prozesse und Phänomene in der Mundhöhle

untersucht. Weitere Studien zu diesem innovativen Themenfeld werden

derzeit bearbeitet, um klinisch relevante Ansätze zu identifizieren.


Regenerative Medizin gewinnt auch im zahnmedizinischen Bereich an Bedeutung

Die Regenerative Medizin ist ein Fachdisziplinen übergreifender Ansatz,

die darauf abzielt neue Therapien aus der Grundlagenforschung heraus zu

etablieren, die die regenerativen Fähigkeiten des Körpers selbst nutzen.

Neben der Anwendung von Wachstumsfaktoren und Biomaterialien bilden der

Einsatz von Zellen und Stammzellen und auch die Kombination dieser vier

Elemente einen wesentlichen Schwerpunkt. In der Zahn-, Mund- und

Kieferheilkunde gibt es bereits ermutigende Anwendungen Zell- und

Faktorenbasierter Therapien im Bereich Regeneration von Mundschleimhaut,

Kieferknochen und Parodont. In Zukunft wird es nicht nur um die

Stammzelletablierung, -kultivierung -expansion und anschließende

Transplantation gehen, sondern es gilt, verschiedenste Mechanismen der

Zellkommunikation, –interaktion und -metabolismus ohne und mit gezieltem

Einsatz von Biomaterialien (i.S. von Tissue Engineering), für

therapeutische Ansätze zu erforschen und zu nutzen.


Deshalb ist neben der medizinisch-biologischen Grundlagenforschung (z.B.

Zell- und Entwicklungsbiologie, Stammzellforschung) die Verknüpfung mit

den Material- und Ingenieurswissenschaften (z.B. Tissue Engineering,

Smart Molecules, Nanostrukturen, Bio-Informatics) wesentlich. Für diese

transdisziplinären, übergreifend vernetzenden Forschungsansätze finden

sich hier am Standort Dresden ideale Voraussetzungen. Die

Zukunftsfähigkeit des Bereiches Regeneration, als Verknüpfung von

Medizin, Biologie, Material und verschiedensten Ingenieurswissenschaften

unterstreicht die Etablierung des Center for Regenerative Therapies

Dresden durch die DFG und jetzt aktuell die Förderung der Technischen

Universität Dresden als Exzellenz-Universität.


Kontakt

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus

Universitäts ZahnMedizin

Tel: (49) 351 / 4582705

Fax: (49) 351 / 4585889

E-Mail uzm@uniklinikum-dresden.de


 

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 05. Juli 2012

Aktuelle Implantat-Themen 


Sparen bei der Implantatversorgung - ist das seriös möglich?

Ganz besonders interessant dürfte unser neues Kapitel zum Thema "Sparen bei Zahnimplantaten" sein. Kann man mit dem Implantologen handeln? Ist Import-Zahnersatz die Lösung? Alle infos dazu in unserem Kapitel günstige Zahnimplantate.