„Es muss nicht immer Kaviar sein“: Das Thema der Veranstaltung des BBI/DGI-Landesverbandes Berlin-Brandenburg am 16. November 2005 versprach ein Delikatessenprogramm: DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake präsentierte zeitgemäße implantologische Konzepte für die Praxis ohne die üblichen Expertenhinweise nach dem Motto „höher besser weiter“.
Das Thema der Veranstaltung des BBI/DGI-Landesverbandes
Berlin-Brandenburg am 16. November 2005 versprach ein
Delikatessenprogramm: DGI-Präsident Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake
präsentierte unter der Überschrift „Es muss nicht immer Kaviar sein“
zeitgemäße implantologische Konzepte für die Praxis ohne die üblichen
Expertenhinweise nach dem Motto „höher besser weiter“. Der Mut der
Veranstalter zu diesem Konzept wurde mit einer Rekordbeteiligung
belohnt: Organisator und Moderator Prof. Dr. Dr. Volker Strunz,
Vorsitzender des BBI, musste bei rund 400 Teilnehmern auf einen
größeren Saal des Universitätsklinikums ausweichen.
Er wolle bewusst nicht Kaviar, die „Kongress-Zahnmedizin“ zeigen, die
einen oftmals enttäuscht und entmutigt zurücklasse mit dem Gefühl, bei
einem selbst sähen die Ergebnisse nie so fotogen aus wie auf den
Präsentationen der Referenten, meinte Professor Schliephake: . „Ich
möchte Ihnen gesicherte Fakten übermitteln, auch wenn das nicht immer
sexy ist.“ Im Alltag käme es auf die Frage an, welche der
implantologischen Therapiekonzepte notwendig und welche optional seien,
und erst in zweiter Linie auf den Aspekt „neu“.
Grundlage jeder erfolgreichen Implantation sei eine exakte Diagnose, zu
der auch die Abklärung von Risikofaktoren gehöre, darunter die
Nachfrage nach endokrinen Problemen, nach Chemotherapie, aber auch nach
Östrogenmangel: „Frauen in der postmenopausalen Phase haben ein
deutlich höheres Risiko hinsichtlich ihrer Knochendichte“, er empfahl,
den Knochen zu testen. Auch Insulinmangel ist ein Thema für die
Anamnese, da Wundheilungsstörungen zu einer höheren Verlustrate
führten; eine präoperative Antibiose sei hier hilfreich. Nicht zuletzt
sei auch die Genetik ein Faktor für Risiken hinsichtlich
Implantatverlust, bei Polymorphismus gebe es eine schlechte Prognose.
Raucher müssten über ihr erhöhtes Risiko aufgeklärt werden.
OPT meist ausreichend
Nicht in jedem Fall müsse die Diagnose und Planung durch aufwändige
bildgebende Verfahren unterstützt werden: „Unter gewissen
Voraussetzungen sind OPTs völlig ausreichend“, ein CT sei sinnvoll,
wenn anatomische Strukturen nicht erkennbar seien. Leider lieferten
OPTs in der Praxis meist nur eine Bildschärfe, die an „Eskimos im
Schneesturm“ erinnere – wer ergänzende Daten benötige, dem bringe im
Vergleich aller Verfahren ein DVT bei vertretbarer Strahlenbelastung
ausreichend gute Ergebnisse. Professor Schliephake warnte vor zu großem
Glauben an die Bildgebung - nicht alles ließe sich vorher erkennen:
„Man erspart sich auch mit der Röntgendiagnostik nicht wirklich alle
Überraschungen – und ändert dann intraoperativ doch noch das
Verfahren...“ Auch bei der Implantatplanung könne man die Planung nicht
1:1 übertragen: „Manches Computerprogramm macht einem richtig Mut und
am nächsten Tag beim Patienten sieht das dann nach dem Aufklappen ganz
anders aus.“ Der „virtuellen Realität“ sei nicht blind zu vertrauen,
zudem sei sie prinzipiell zwar hilfreich, im Alltag aber nicht wirklich
notwendig. Anders sei die Bilanz bei computer gesteuerten Schablonen,
die deutlich präziser seien als handgemachte. Ob das allerdings auch
von klinischer Relevanz sei, sei noch nicht geklärt: „Gute Ergebnisse
gibt es auch ohne.“ Anstelle von Orientierungsschablonen, die die Sicht
auf das OP-Feld verhinderten, riet er zu „vestibulär offenen
Schablonen“ als einfache, technisch nicht hochgerüstete Hilfsmittel.
Sofort implantieren und belasten?
Bei der Planung sei immer zu beachten, dass die Chirurgie der Prothetik
diene: „Wer das Implantat setzt, hat auch die Verantwortung für den
Erfolg der Prothetik!“ Aus Sicht von Chirurgie und Prothetik
entschieden werden müsse auch die Frage „Blitzimplantate – Ja oder
nein“. Die DGI sei früher in dieser Frage sehr konservativ gewesen,
heute stelle sich die Frage: Welcher Patient taugt für eine
Sofortimplantation und bei wem wird es ein unangenehmes Ergebnis geben?
Hilfreich sei die Klassifizierung nach Gingiva-Morphotypen. Nur
Patienten mit stabiler Voraussetzung, das seien rund 4 von 100
Patienten, gehörten zu denen mit einer „stabilen Situation“ – in allen
anderen Fällen solle man lieber nichts versuchen, sondern abwarten und
augmentieren. Das Thema Sofortbelastung, das derzeit so im Trend liege,
sei eigentlich ein altes und ginge zurück auf die Ledermann-Versorgung.
Dass es so lange gedauert habe, läge an einem Paradigmenwechsel in der
Implantologie: Habe man bisher Mikrobewegung für schädlich erachtet,
zeigte die neuere Forschung nun, dass sie sogar förderlich sei.
“Sofortbelastung oder nicht – das können wir aber immer erst
intraoperativ entscheiden“, dem Patienten solle sie als Option genannt,
aber nicht versprochen werden. Häufiger als früher werde inzwischen
augmentiert, dabei werde viel über Knochenersatzmaterialien diskutiert.
Richtig sei, dass das eine Produkt in dieser Phase, das andere in jener
besser sei, letztlich der Implantationserfolg nach 6 bis 7 Monaten bei
allen gleich zufriedenstellend. Es müsse keineswegs immer „Kaviar“,
also der autogene Knochen sein, der auch hinsichtlich der Entnahme den
Patienten belaste. Die beste Dokumentation gebe es für bovinen Knochen,
der prionenfrei sei – beachtet werden müsse aber, dass der Patient über
die Herkunft „Rind“ informiert werden muss.
Viele moderne Verfahren und Produkte verbreiterten die Möglichkeiten
der Implantologie, nicht alles verbessere die Implantationserfolge
tatsächlich deutlich, und nicht immer „ist Implantation auch
Prävention“. Damit spielte Professor Schliephake an auf die nächste
große Veranstaltung des BBI am 4. März 2006: Unter diesem Motto
„Implantologie ist Prävention“ zeigen die Top-Experten des Fachgebietes
beim Jubiläumskongresses des BBI, der 10. Jahrestagung, Beispiele
dafür, dass Implantologie keineswegs „nur“ das beste aller Verfahren
für Zahnersatz ist.
Informationen: www.dgi-ev.de / Landesverbände
und über Prof. Dr. Dr. Volker Strunz, E-Mail: strunz@dgi-ev.de