7. Internationale DGÄZ-Jahrestagung: Italien traf Deutschland – und Keramik auf Komposit


Was sich die DGÄZ für ihre 7. Internationale Jahrestagung Ende November 2010 am Tegernsee als Programm ausgedacht hatte, erwies sich in mehrfacher Hinsicht als spannend: Gehen renommierte italienische und deutsche Zahnärzte an bestimmte ästhetische Indikationen verschieden heran? Und wo steht die Diskussion heute zum Thema Komposit versus Keramik? Die Antworten überließ Tagungsleiter und DGÄZ-Vizepräsident Dr. Siegfried Marquardt den Referenten – und dem Auditorium. Denn bei der DGÄZ spielen die Teilnehmer eine aktive Rolle im Tagungskonzept: Die fachliche Diskussion mit den Referenten, nicht selten auch mit den Kollegen im Saal ist ein eigener Programmpunkt. „Die rege Teilnahme an der Diskussion ist auch als rege Anteilnahme zu sehen“, sagt DGÄZ-Präsident Prof. Dr. mult. Robert Sader: „Hier wird deutlich, dass nicht Wissen konsumiert wird, sondern ein aktiver Denk- und Lernprozess stattfindet. Dieses Miteinander entspricht unserem Credo einer gegenseitigen Wissensoptimierung seitens Wissenschaft und Praxis. Dass dieses Konzept so gut angenommen wird, ist für uns in der DGÄZ eine sehr große Motivation.“

 


Die italienischen Momente im Fachlichen


Den Kollegen aus dem Nachbarland über die Schulter zu schauen war spannend: Machen die das anders als wir? Das „Team Deutschland“ ging mit Prof. Dr. Roland Frankenberger, OA Dr. Uwe Blunck und OA Dr. Irena Sailer (inzwischen Schweiz) an den Start, das „Team Italien“ mit Prof. Antonio Cerutti (Brescia), Prof. Franceso Mangani (Rom) und Prof. Angelo Putignano (Ancona). Die Bilanz: Im Wissenschaftlichen war man sich weitgehend einig, der Begriff „Wirkung“ war beim Team Italien etwas häufiger zu hören und „Handling“ beim Team Deutschland, unübersehbar „anders“ aber waren die Präsentationen: Für deutsche Kongressbesucher eher ungewohnt hatten die italienischen Referenten ihre Präsentationen fast durchgehend gerahmt mit schönen Frauen.


Komposit und Keramik – beide brauchen Zeit und Wissen


„Minimalinvasiv ist nicht automatisch etwas Tolles“, sagte Prof. Frankenberger: Bei nicht langzeitstabiler Füllung müsse die Kavität für die Folge-Füllung erweitert werden, so mancher Zahn sei allein durch Schleiftrauma vernichtet worden. Nachhaltigkeit stehe im Zentrum. Es gebe hervorragende Langzeitergebnisse für Komposit und erschreckende für Keramik – und umgekehrt. Abhängig sei dies von Wissen und Können des Behandlers: „Schon 1 Minute verlängertes Bonding beispielsweise entscheidet oft über 15 Jahre Erfolg.“ Die Entscheidung ‚Komposit oder Keramik’ werde bestimmt von der Funktion, der Kavität und dem Patienten. „Mit Kompositen haben wir mehr Möglichkeiten als je gedacht. Aber bei größeren Kavitäten leistet die Keramik bessere Dienste.“

Dass in allen Fällen das individuell richtige Vorgehen bei der Adhäsion und ausreichend Zeit der „Knackpunkt“ des Erfolges ist, wurde bei Dr. Blunck mehr als deutlich: Die Einwirkzeit der Ätzlösung sei eher etwas länger als vom Hersteller empfohlen. Wer das System wechsle, müsse unbedingt auf die verschiedenen Anforderungen an das Verfahren achten: „Etch & Rinse sind sehr techniksensibel.“


Lieber unsichtbar als „schön“


Kein Patient wolle letztlich „schöne“ Füllungen, sondern unsichtbare, sagte Prof. Putignano, daher komme bei der Restauration der Morphologie der Zähne und auch der Wirkung der Nachbarzähne eine hohe Bedeutung zu. Ausführlich widmete er sich dem Thema Transluzenz und dem entsprechenden Vorgehen bei Komposit und Keramik: „Zahnfarben ist nicht gleichzeitig unsichtbar!“ Die Zahnfarbe des Patienten zeige sich zudem unter einer Glühlampe ganz anders als bei natürlichem Licht. Auch er betonte: „Sie brauchen Zeit!“ Dem Umgang mit Komposit, das die Patienten liebten, müsse in der universitären Ausbildung erheblich mehr Platz eingeräumt werden.

Eine neue Definition von Ästhetik brachte Prof. Magnani ein: „Ziel ist die schwarz-weiße Ästhetik“, und klärte auf: „Das bedeutet: ein gutes Ergebnis im Röntgenbild!“ Sein Appell: „Schauen Sie nicht auf das Artistische, sondern auf die Funktion und das Machbare.“ Er vergab an das Komposit durchaus gute Punktwerte: „Es ist wirtschaftlich, reparaturfähig, führt zu keiner Belastung des Gegenzahnes und hat, wenn richtig verwendet, auch eine gute Biokompatibilität.“ Seine Position: „Trotzdem bevorzuge ich Keramik!“ Es sei dem gesunden Zahn einfach ähnlicher, das Langzeitergebnis bei sachgerechtem Vorgehen befriedigender.


Metallkeramik als Goldstandard - und Komposit mit Stift


Nach den weitgehend positiven Stimmen für das Komposit wolle sie nun doch eine Lanze brechen für die Keramik, meinte Dr. Sailer: „Metallkeramik ist der Goldstandard, an dessen Erfolg sich alle neuen Verfahren messen müssen!“ Es werde oft berichtet, dass Komposit dem Dentin nahekomme, Feldspatkeramik dem Schmelz. Zwar ließe sich auch Schmelz mit Komposit ersetzen, allerdings könne nur Keramik die ursprüngliche Stabilität des Zahnschmelz zu 100 Prozent rekonstruieren.

Über die Perspektiven und Vorteile einer Kompositversorgung endodontisch behandelter Zähne berichtete Prof. Cerutti. Im Frontzahnbereich liefere ein strategisch stabilisierender Stift und Komposit sehr gute Ergebnisse. Eine Komposit-Lösung erleichtere zudem eine eventuell notwendige erneute endodontische Intervention. Sein Konzept: „Gewinnen Sie Zeit für Ihre Patienten – Vollkronen sollten so spät wie möglich zum Einsatz kommen.“ Seine Vorgehensempfehlung: „Wurzel behandeln, Kofferdam nutzen, mit stabilem Stift aufbauen, mit einem Kompositoverlay versorgen.“


 

Letzte Aktualisierung am Sonntag, 30. Januar 2011