Im Rahmen der Festveranstaltung zum 20-jährigen Jubiläum präsentieren
die Dresdner Universitäts-Zahnmediziner aktuelle wissenschaftliche
Projekte. Unter anderem konnten Dresdner Forscher belegen, dass
unbehandelte Parodontitis das Risiko für schwere Allgemeinerkrankungen
wie Herzerkrankungen und Diabetes zu erhöhen vermag. Ein weiteres Thema
der Dresdner Zahnmedizin sind Nanomaterialien:
Oberflächenbeschichtungen, die eine bakterielle Besiedelung von Zähnen
und Füllungsmaterialien verhindern können, werden die präventive
Zahnmedizin revolutionieren.
Studium wird immer internationaler
Die heute ausgebildeten Studenten sind noch im Jahr 2050 tätig. Der
zukünftige Absolvent wird – bereits jetzt beginnend – neben der
klassischen oralen Diagnostik, Prävention und Therapie ein weitaus
höheres Maß an systemischer Diagnostik und Früherkennung zu bewältigen
haben. Etwa ein Drittel der Studierenden haben in der Klinik die
Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes durch internationalen
Studentenaustausch mit Europa und Übersee. So besteht ein
Austauschprogramm mit der University of Alberta (Kanada) mit Klinischer
Ausbildung und dem Alleinstellungsmerkmal der Behandlungsmöglichkeit in
Nordamerika. Das Kanada-Programm hat Ausstrahlung über die Zahnmedizin
hinaus und zu einer Regionalpartnerschaft zwischen Sachsen und Alberta
geführt.
Im Jahr 2005 sprach der Wissenschaftsrat Empfehlungen zur Entwicklung
der Zahnmedizin aus. In diesen Empfehlungen wird die Notwendigkeit, den
Fächerkanon neu zu definieren, Standortprofile herauszubilden, lieb
gewonnene, jedoch alte Zöpfe abzuschneiden und Innovationen den Weg zu
bahnen, sehr klar erkannt und formuliert. Hierüber wird sich ebenfalls
der Wettbewerb zwischen den universitären Standorten definieren und
nicht zuletzt die Entscheidung fallen, zur bloßen Ausbildungseinrichtung
abqualifiziert zu werden oder aber vollwertig zu forschen, zu lehren
und Patienten zu betreuen.
Eine solche Neuorientierung bedeutet darüber hinaus neben der
Integration elektronischer Medien in die Lehre auch neue Wege in der
Vermittlung praktischer Fähigkeiten in der Lehre (Practice Based
Learning – PBL) zu beschreiten. Gleiches trifft für das Generieren von
Forschungsergebnissen (Practice Based Research – PBR) zu. Die
Einbeziehung der zahnärztlichen Praxis als Lehrpraxis – analog der
Entwicklung in der Medizin – aber auch als Forschungspraxis wird ein
Kriterium der Zukunftsfähigkeit von Ausbildungsstandorten sein. Diese
Qualität der Kooperation und Kommunikation mit der Praxis erhält darüber
hinaus im kommunikativen Transfer aktueller Forschungsergebnisse in
die Bevölkerung (Public Understanding of Science – PUS) als Basis guter
Patientenakquise eine weitere Bedeutung.
Schwieriger Anfang, gute Entwicklung
Vor 20 Jahren, am 14. Februar 1992, wurde die zahnärztliche Vorklinik
mit einem zentralen Laborraum, der 60 Studentenarbeitsplätze sowie
weitere Funktionsräume beherbergte, nach knapp halbjähriger Bau- und
Ausrüstungsphase ihrer Bestimmung übergeben. Damit war der Grundstein
für die volluniversitäre zahnmedizinische Lehre in Dresden gelegt, die
Einheit von Vorklinik und Klinik am Standort gesichert.
Nur ein Jahr später – im Sommer 1993 – nachdem im Mai 1993 die Gründung
einer Medizinischen Fakultät an der Technischen Universität Dresden
beschlossen worden war, wurde ihre Existenz bereits wieder in Frage
gestellt. Dank gemeinsamer Aktivitäten Studierender und Lehrender
einschließlich des besonderen Engagements von Prof. Winfried Harzer
stimmte schließlich das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und
Kunst (SMWK) am 28. September 1993 – dem Vorabend der Fakultätsgründung
am 1. Oktober 1993 – der Etablierung der Studiengänge Medizin und
Zahnmedizin in Dresden zu.
971 Studenten schlossen inzwischen erfolgreich das Studium mit dem
Staatsexamen ab, über die Hälfte von ihnen konnte eine Dissertation
erfolgreich fertig stellen und verteidigen. Das Jahr 2010 darf mit
annähernd 100 Impact-Punkten für Publikationen in einschlägigen
Fachjournalen sowie 750.000 Euro an eingeworbenen Drittmitteln als das
in Sachen Forschung erfolgreichste in der 20jährigen Geschichte
bezeichnet werden. Aufgrund des altersbedingten Ausscheidens zweier
Professoren und der mit der Neubesetzung verbundenen Übergangsphase
sowie des Wegfalls einer Professur schloss das Jahr 2011 nicht
unmittelbar an die besonderen Erfolge des Jahres 2010 an. Unabhängig
davon ist die UniversitätsZahnMedizin Dresden mit einer Publikation im
Nature Nanotechnology (Zahnerhaltung, 2010), der Leitung des mit 1,35
Millionen Euro Förderung umfangreichsten DFG-Verbundprojekts der
Zahnmedizin überhaupt (Prothetik), der Beteiligung am Transregio 67
(MKG-Chirurgie), zweier BMBF-Projekte (Parodontologie) und EU
geförderter Kooperation mit Breslau und Warschau (Kieferorthopädie)
sowie der nunmehrigen vollständigen Besetzung ihrer Lehrstühle im Rücken
angetreten, sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Dabei
gilt es unter Beachtung sowohl der demografischen Veränderungen in der
Gesellschaft als auch des Innovationsdrucks der Informationsgesellschaft
bei Verknappung der finanziellen Ressourcen gezielt Schwerpunkte zu
setzen, wie beispielsweise die Fortführung des Konzeptes des Technisch
Propädeutischen Kurses mit frühzeitiger Integration aller Fächer des
Hauses und dem Besuch von Kindereinrichtungen und Altenheimen als
Alleinstellungsmerkmal. Auch die Fortführung der interdisziplinären
Lehre im 5. Studienjahr und Ausweitung auf frühere Semester als
Alleinstellungsmerkmal sowie die Aufwertung der Hospitationspraxen zu
Lehrpraxen und deren Akkreditierung, wie mit der Landeszahnärztekammer
und dem Regierungspräsidium abgestimmt, sind von großer Bedeutung. Auch
der Ausbau der Kooperation mit der Jugendzahnklinik Dresden mit dem Ziel
der Kooperation in Lehre, Klinik (Reihenuntersuchungen) und Forschung
und das Vorantreiben der von Dresden ausgehenden Initiative zur
Schaffung wissenschaftlicher Exzellenz in der Zahnmedizin als
gemeinsames übergreifendes Projekt mit den Standorten Bonn, Greifswald,
Heidelberg, Kiel und München stehen auf der Agenda. Der Ausbau des
Forschungsprofils „ZahnMedizin 2050“ als interdisziplinäres Projekt der
UZM mit der Medizin und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen
in den Bereichen der Grundlagen-, translationalen, klinischen und
Versorgungsforschung bis hin zur daraus erwachsenden interdiziplinären
Patientenversorgung im Rahmen des Carus Consilium und der
interdisziplinären Lehre und die Profilierung des Kompetenzzentrums für
klinisch kontrollierte Studien in der Parodontologie zum
Kompetenzzentrum der UZM wird vorangetrieben. Das interdisziplinäre
Zentrum „Orale Prävention – Orale Rehabilitation“ unter besonderem
Aspekt der Implantatherapie, die Kooperation mit Medizin, TU Dresden und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Rahmen des DRESDEN
concept und der Abschluss eines Kooperationsvertrags mit der
Medizinischen Universität Breslau zur Lehr- und Forschungskooperation
sind Themen der nahen Zukunft.
Erkrankungen der Zähne und des Halteapparates gefährlich für gesamten Organismus
Zahnfleischentzündung und Parodontitis zählen zu den häufigsten
Infektionskrankheiten in der Mundhöhle und werden durch Bakterien aus
dem Zahnbelag ausgelöst. Die Parodontitis ist bei Erwachsenen eine der
Hauptursachen von Zahnverlust mit all seinen Konsequenzen. Der Beginn
und die Schwere des Erkrankungsverlaufs werden durch verschiedene, die
Abwehrreaktionen beeinflussende individuelle Faktoren, wie unzureichende
Mundhygiene, Rauchen, Stress, aber auch Allgemeinerkrankungen,
bestimmt. Neuere Untersuchungen zeigten allerdings auch, dass eine
unbehandelte Parodontitis das Risiko für schwere Allgemeinerkrankungen
wie Herzerkrankungen und Diabetes erhöhen kann.
Wie die Ergebnisse der 4. Deutschen Mundgesundheitsstudie aus dem Jahr
2006 zeigen, fällt die Anzahl verbliebener natürlicher Zähne der
Erwachsenen und auch der Senioren höher aus als das noch 1999 Fall war.
Dieses „Mehr“ an Zahnerhalt bedeutet aber auch ein „Mehr“ an
Zahnfleisch- und Zahnbetterkrankungen, Karies und
Kariesfolgeerkrankungen und damit verbunden die Notwendigkeit komplexer
Rehabilitation in der Einheit parodontischer, restaurativer,
prothetischer und implantologischer Therapiemaßnahmen nach sich.
Internationale Untersuchungsergebnisse und auch die Daten der Dresdner
Parodontologie weisen darauf hin, dass Zusammenhänge zwischen der
parodontalen-oralen und der systemischen Gesundheit existieren. Für
Zahnbetterkrankungen sind Risikofaktoren aus dem Umweltbereich
(Rauchen), der Genetik und Allgemeinerkrankungen (Diabetes mellitus)
beschrieben. Andererseits fungiert die chronische Entzündung
„Parodontitis“, im Volksmund als „Parodontose“ bezeichnet, als Risiko
für chronisch ischämische Herzkreislauferkrankungen, Atherosklerose,
Diabetes mellitus oder niedergewichtige Frühgeburten, werden
Wechselwirkungen zwischen den Erkrankungen (Parodontitis/Diabetes
mellitus) und pathogenetische Gemeinsamkeiten
(Parodontitis/Rheumatoidarthritis) diskutiert.
Es deutet sich ein ursächlicher Trend an: Grundsätzlich werden die
zukünftigen Veränderungen, die sowohl Praxis als auch Hochschule
betreffen, durch den demografischen Wandel in Deutschland – mit steter
Zunahme der Seniorenpopulation – geprägt sein. Hieraus resultiert mehr
Bedarf an Implantattherapie, Behandlung von Tumorerkrankungen und
Traumata bei alten Patienten, zahnärztliche Behandlung von allgemein
medizinisch kompromittierten Patienten. Die Bedeutung der
Interdisziplinarität in präklinischer und klinischer Lehre steigt, die
Integration der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
(Bisphosphonattherapie mit dem Risiko der Kiefernekrose,
Antikoagulanzientherapie mit dem Blutungsrisiko, immunsuppressive
Therapie und der Medizin sind ebenso essentiell wie eine noch stärkere
Bewegung in der Ausbildung weg von der ZahnTechnik hin zur ZahnMedizin
mit der dringenden Notwendigkeit das zahnärztliche Curriculum bzw. die
Approbationsordnung komplett zu überarbeiten. Das bedeutet, dass
Frühstadien eben jener Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, anderer
Stoffwechselstörungen, Herzkreislauferkrankungen etc. aber auch
kognitiver Einbußen und der Demenz und letztlich tumoröser Haut- bzw.
Schleimhautveränderungen im Kopf-Hals-Bereich durch den Zahnarzt, bei
dem der Patient nach dem Hausarzt am Zweithäufigsten erscheint, erkannt
und einer Therapie zugeführt sowie Anteile der Nachsorge übernommen
werden müssen. Damit zählen zahnärztliche Diagnostik, Prävention und
Therapie zu medizinisch wichtigen Aufgaben, was die ärztliche Rolle und
Verantwortung des Zahnmediziners einmal mehr unterstreicht. Der
notwendige Weg führt ausschließlich über eine enge Integration der
Zahnmedizin in die Medizin und dies in allen Bereichen, in der
Forschung, in der Lehre und in der Patientenbetreuung.
Biomimetische Nanomaterialien – eine Innovation für die präventive Zahnmedizin?
Karies ist nach wie vor die weltweit am weitesten verbreitete
Infektionskrankheit mit erheblichen ökonomischen Auswirkungen. Ursache
ist adhärenter bakterieller Zahnbelag (Biofilm) auf sich nicht
erneuernden Oberflächen, den Zähnen. Dieser Biofilm setzt
niedermolekulare Kohlenhydrate zu organischen Säuren um, die zu einer
Demineralisation des Zahnschmelzes führen – die kariöse Zerstörung des
Zahnes beginnt. Gefordert sind somit Präparate für die Kariesprophylaxe,
die zum einen die Biofilmbildung verzögern oder verhindern und die zum
anderen die Remineralisation beginnender Kariesläsionen fördern.
Die moderne Nanotechnologie hat sich auch im Bereich der Zahnmedizin
etabliert, verschiedene Strategien zur Verbesserung der Kariesprävention
auf der Basis von Nanomaterialien wurden entwickelt. Dazu gehören auch
Oberflächenbeschichtungen, die eine bakterielle Besiedelung von Zähnen
und Füllungsmaterialien verhindern sollen. Die Poliklinik für
Zahnerhaltung untersucht verschiedene dieser Ansätze und ihre Effekte
auf die Bioadhäsionsprozesse in der Mundhöhle gemeinsam mit
Wissenschaftlern der TU Dresden und mit Kooperationspartnern in ganz
Deutschland. Eine Option sind biomimetische Hydroxylapatit-Nanopartikel,
die die kleinsten Baueinheiten des natürlichen Zahnschmelzes
nachbilden. Dadurch sollen kleine Defekte im Zahnschmelz remineralisiert
werden. Aktuell konnte unsere Arbeitsgruppe erstmalig in einer
In-situ-Studie zeigen, dass durch Hydroxyapatit-Microcluster die
bakterielle Kolonisation von Schmelzoberflächen deutlich reduziert wird.
Im Gegensatz zu In-vitro-Studien (Laborversuche) werden bei
In-situ-Untersuchungen die Prozesse und Phänomene in der Mundhöhle
untersucht. Weitere Studien zu diesem innovativen Themenfeld werden
derzeit bearbeitet, um klinisch relevante Ansätze zu identifizieren.
Regenerative Medizin gewinnt auch im zahnmedizinischen Bereich an Bedeutung
Die Regenerative Medizin ist ein Fachdisziplinen übergreifender Ansatz,
die darauf abzielt neue Therapien aus der Grundlagenforschung heraus zu
etablieren, die die regenerativen Fähigkeiten des Körpers selbst nutzen.
Neben der Anwendung von Wachstumsfaktoren und Biomaterialien bilden der
Einsatz von Zellen und Stammzellen und auch die Kombination dieser vier
Elemente einen wesentlichen Schwerpunkt. In der Error! Post not found for word:zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde gibt es bereits ermutigende Anwendungen Zell- und
Faktorenbasierter Therapien im Bereich Regeneration von Mundschleimhaut,
Kieferknochen und Parodont. In Zukunft wird es nicht nur um die
Stammzelletablierung, -kultivierung -expansion und anschließende
Transplantation gehen, sondern es gilt, verschiedenste Mechanismen der
Zellkommunikation, –interaktion und -metabolismus ohne und mit gezieltem
Einsatz von Biomaterialien (i.S. von Tissue Engineering), für
therapeutische Ansätze zu erforschen und zu nutzen.
Deshalb ist neben der medizinisch-biologischen Grundlagenforschung (z.B.
Zell- und Entwicklungsbiologie, Stammzellforschung) die Verknüpfung mit
den Material- und Ingenieurswissenschaften (z.B. Tissue Engineering,
Smart Molecules, Nanostrukturen, Bio-Informatics) wesentlich. Für diese
transdisziplinären, übergreifend vernetzenden Forschungsansätze finden
sich hier am Standort Dresden ideale Voraussetzungen. Die
Zukunftsfähigkeit des Bereiches Regeneration, als Verknüpfung von
Medizin, Biologie, Material und verschiedensten Ingenieurswissenschaften
unterstreicht die Etablierung des Center for Regenerative Therapies
Dresden durch die DFG und jetzt aktuell die Förderung der Technischen
Universität Dresden als Exzellenz-Universität.
Kontakt
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Universitäts ZahnMedizin
Tel: (49) 351 / 4582705
Fax: (49) 351 / 4585889
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