implantate.com › Forum › Zahnarzt Forum › Kurze Implantate – wann auf der sicheren Seite? › Antwort auf: Kurze Implantate – wann auf der sicheren Seite?
Ich möchte mit einer Gegenfrage beginnen: „Was sind kurze Implantate?“
Oder anders gefragt: „Wo beginnt kurz, wo endet lang?“ Denken wir zurück in die Anfänge der 90er Jahre, so haben wir versucht, uns wann immer möglich zwischen 15 und 20 mm zu bewegen. 13mm oder gar 11 mm haben wir als kurz empfunden, 10 oder gar 8 mm waren gar grenzwertige Längen. Dennoch haben wir sie verwendet, z. B. bei hochgradig atrophierten Kiefern gemäß des Branemarkkonzepts der 5 interforaminalen Implantate, die mit den „Hochwasser“- oder „Stelzbau-„ Brücken versorgt wurden. Und heute, 15 Jahre später funtionieren diese Brücken genau so gut, wie diejenigen Hochwasserbrücken, die auf „langen“ 15 – 20 mm Implantaten aufgebracht wurden. Knochenabbau am Interface Implantat – Abutment: Fehlanzeige! Im Gegenteil, der Knochen wuchs über die Jahre an den überlangen Abutments in die Höhe, trotz fehlenden Platformswich und der alten Flach- zu Flachverbindung über den heute so ungeliebten Außenhex.
Aber sind das wirklich die kurzen Implantate, um die es heute geht, wenn wir über kurze Implantate sprechen?
Ich meine NEIN!
Wir fragen uns heute, können Implantate, die unterhalb der 8mm angesiedelt sind, langfristig funktionieren oder bergen sie ein erhöhtes Risiko? Wirkliche Langzeitstudien zu dieser Frage existieren nicht, wir können nur vergleichende Überlegungen anstellen, um uns auch nur halbwegs wissenschaftlich orientiert einer Antwort zu nähern.
Beginnen wir mit Sinuslifts über alloplastisches Material: betrachtet man die neuesten Ergebnisse zu allogenen und xenogenen Knochenersatzmaterialien aus der Wiener Schule um Prof. Watzek, so werden diese Knochenersatzmaterialien provokativ unter dem Begriff „Junk“ (Sondermüll) subsummiert. Dennoch sind die inserierten Implantate fest und in Funktion, wenngleich eine Osseointegration innerhalb der Knochenersatzmaterialien laut den histologischen Aufarbeitungen niemals stattgefunden hat. Wo finden also diese Implantate ihren Halt, ihre Osseointegration? Das kann nur im verbliebenen geringen Knochenangebot der basalen Kieferhöhlenbegrenzung erfolgen. Ich frage mich: Stehen wir hier vor einer riesigen Feldstudie, die das Funktionieren kurzer Implantate, auch im qualitativ schlechteren Knochen des Oberkiefer-Seitenzahnbereichs über Jahre bereits bewiesen hat?
Eine weitere Untergliederung bei der Bewertung von Funktion oder Misserfolg ist die Frage der primären Verblockung. Haben die 8 mm Branemark-Schrauben mit ihren immensen Stelzbauten maßgeblich deswegen funktioniert, weil sie primär verblockt waren?
Ich meine: JA.
Die primäre Verblockung ist ein wesentlicher Aspekt der Einleitung physiologischer Kräfte auf den Knochen, da die bei extraaxialen Belastungsmomenten wirkenden Kippkräfte in Translatationskräfte umgewandelt werden. Wo liegt der Unterschied? Bei Kippkräften haben wir ein Kraft-Vektor-Gefälle, das die größten Kraftvektoren an der crestalen Plattform und am Apex des Implantats hat und zum Zentrum der Implantatlänge gegen Null geht. Dieser Kraft-Vektor-Gradient des Einzelzahnimplantats ohne Verblockung wird durch die Verblockung aufgehoben: nunmehr wirken alle Kraftvektoren auf einer Seite des Implantats und sind daher bei gleicher Gesamtkraftsumme erheblich kleiner. Gleichzeitig verringert die Verblockung selbst diese Gesamtkraftgröße weiter.
Was ist die Folge?
Die crestal in der Transversalen (der Kauvorgang ist im wesentlichen ein transversales Reiben!) einwirkenden Kräfte sind erheblich geringer, als dies beim unverblockten Implantat der Fall ist. Also haben wir eine geringere Belastung gerade dort, wo der Knochen am dünnsten, somit am „kortikalsten“ und somit am schlechtesten durchblutet ist. Also genau dort, wo er gegen Überlastungen am anfälligsten ist. Deshalb sehen wir bei den verblockten Stelzbauten von Per-Ingvar Branemark hier keine erhöhten Abbauvorgänge.
Ich persönlich würde im Schluss folgenden Thesen nachhängen:
Solange wir Implantate über eine trigonale Unterstützungsfläche primär verblocken, spielt die Implantatlänge keine Rolle.
Einzelzähne auf 6 oder 4 mm langen Implantaten empfinde ich als erhöhtes Risiko.
8mm Implantate sehe ich aus meinem heutigen Verständnis heraus nicht mehr als „short implants“ an.