implantate.com › Forum › Zahnarzt Forum › Pro und contra Keramik-Implantate › Antwort auf: Pro und contra Keramik-Implantate
Guten Tag,
sehr vereinzelt liest man in Fachmagazinen Abhandlungen über neuartige „Keramikimplantate“. Der Werkstoff Zirkoniumdioxid erscheint vielversprechend, hat er sich bereits im dentalen klinischen Einsatz als Kronen- und Brückenwerkstoff sowie als Abutmentmaterial bewährt. Die wissenschaftliche Ableitung, dass er sich somit auch als Implantatkörper eignet, erscheint somit logisch. Osseointegration von Zirkoniumdioxid gilt als gesichert, lediglich die notwendigen Langzeituntersuchungen mit hohem Evidenzgrad stehen noch aus. Dieses erging den Titanimplantaten vor 40 Jahren jedoch nicht anders. Lediglich aus der Ermangelung von Alternativwerkstoffen zu diesem Zeitpunkt ist es zu verdanken, dass der Einsatz der Titanimplantate so reibungslos voranschreiten konnte.
Keinesfalls soll hier eine Lanze für „Keramik“implantate gebrochen werden. Aber genau die Gegenüberstellung der Pro´s und Contra´s in PIP 2/2010 mit den zum Teil diametral auseinandergehenden Meinungen schafft das Spannungsfeld, in dem die Energien für eine weitere Forschung geboren werden können.
Wenn die Zirkoniumdioxid-Implantate vergleichbare Daten zu den Titan-Implantaten zeigen werden, wird dieser Implantattyp seine Nische finden.
Sehr störend sind allerdings Extremansichten in beiden Lagern. So wird das neue Material mit einem, zugegeben erfolglosem, Versuch in der Vergangenheit mit einem anderen „weißen“, aber eben unterschiedlichen Material, verglichen.
Andererseits, und dies muß einmal gesagt werden, mutet es nahezu demagogisch an, wenn das neue Material deshalb als besser körperverträglich dargestellt wird, weil es metallfrei sei. Schon vor den Abiturjahrgängen lernt man in Chemie das PSE (Periodensystem der Elemente). Bei genauem Hinsehen findet man man das Element Zirkon in der gleichen Nebengruppe wie das Titan (Nebengruppe IVa, Kemper-Fladt: Chemie, Klett Verlag Stuttgart 1985). Elemente werden deshalb in Gruppen unterteilt, weil sie gleichartige oder gleiche chemische Eigenschaften aufweisen. Wenn nun die Gegner der Titan-Implantate das Material Zirkon als metallfrei darstellen, reduzieren sie ihr eigenes wissenschaftliches Verständnis auf die Beurteilungsfähigkeit von Farben.
Nebenbei enthalten auch alle Grundstoffe dentaler Keramiken Metalle. Selbst Silicium steht in einer Gruppe mit Blei oder Zinn, die allgemeingültig als Metalle wahrgenommen werden.
Einfluss auf dieses Verhalten kommt sicher auch von Seiten vieler komplementärmedizinisch tätiger Kollegen. Die dort gemachten Einschränkungen zahnmedizinischer Therapieformen gehen teils soweit, dass letztendlich keine sinnvolle Lückenversorgung mit den heute zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Materialien durchgeführt werden kann. Aus eigener klinischer Erfahrung geht es zum Teil soweit, dass von komplementärmedizinischer Seite angeraten wurde, Lücken eben nicht zu versorgen.
Ob Extrempositionen helfen, unseren Patienten eine angemessene und funktionierende Versorgung zukommen zu lassen, erscheint fraglich.
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist.“ (Philippus Aureolus Theophrastus Paracelsus, 1493-1541).
Natürlich gibt es Studien, die eine Anreicherung von Titanoxid im Gesamtorganismus belegen. Es gibt auch Studien, nach denen bei zahnärztlichem Personal stark erhöhte Quecksilberkonzentrationen in fettreichen Geweben wie dem Gehirn nachgewiesen wurden, ohne dass zu Lebzeiten dieser Personen klinisch relevante körperliche Einschränkungen zu verzeichnen gewesen sind.
In wie weit sich Zirkon im Organismus nachweisen läßt und welche Auswirkungen es haben könnte, ist noch völlig unklar.
Hinsichtlich der Frühkomplikationen der Zirkonimplantate sind weitere Schritte gemacht worden. Zweiteilige Systeme erlauben nun eine unbelastete, gedeckte Einheilung (z.B. Z-System Fa. Ziterion; Zeramex Fa. Dentalpoint). Untersuchungen zu solchen Systemen laufen bereits. Sollten sich die bisherigen Frühverluste auf das Insertions- und Einheilungsprotokoll der einteilgen Systeme bezogen haben, müßten die Ergebnisse dieser Studien dies belegen.
Aus der TCM (Traditionell Chinesischen Medizin) und Akupunktur heraus wissen wir, dass Titan eine Resonanz zur Milz hat. Dementsprechend kann auch bei der Notwendigkeit einer Implantation und der Verwendung von Titanimplantaten bei einem „besorgten“ Patienten mit z.B. Akupunktur oder Bachblüten unterstützt werden.
Insgesamt erscheint es mir der ärztlichen Tätigkeit näherzukommen, wenn man im Sinne seiner Patienten jedesmal wieder individuell abwägt, als ausschließlich Extrempositionen zur alleinigen Wahrheit zu küren. Warum denn nicht akzeptieren, dass alles irgendwie ein Fremdkörper ist, was wir implantieren? Und sicherlich wird es auch aufgeschlossene Komplementärmediziner geben, die die Tatsache akzeptieren, dass Lücken versorgt werden sollten, weil nämlich auch funktionelle Defizite in der Mundhöhle funktionelle Defizite im Allgemeinorganismus bedingen können.
In diesem Sinne erscheint es sinnvoll, das Althergebrachte, unstrittig funktionierende System als Basis für die eigene Implantologie anzusehen. Für unsere „besorgten“ Patienten kann das Neue, sicherlich zur Zeit noch als Nischenprodukt, nach entsprechend umfangreicher und vollständiger Aufklärung des Patienten über die geringe klinische Erfahrung mit den Zirkonimplantaten jedoch durchaus Verwendung finden.